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«Das Kreuz mit dem Kreuz»

«Das Kreuz mit dem Kreuz» «Das Kreuz mit dem Kreuz»

Ostern in der Klosterkirche

Corona zum Trotz – Ostern hat auch dieses Jahr stattgefunden. Die Gottesdienste in der Klosterkirche waren etwas einfacher als sonst, aber keineswegs weniger eindrücklich.

PATER LORENZ MOSER

Wir mussten zwar auch verschiedene Einschränkungen in Kauf nehmen: Es fehlte die volle Kirche, und wir vermissten den Stiftschor samt Orchester, womit ein Stück Feierlichkeit auf der Strecke geblieben ist; doch das Entscheidende war da: das Feiern und damit die Erinnerung an Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, das Grundgeheimnis unseres christlichen Glaubens.

Dieses Geheimnis wird in diesen Tagen wie in einer Auslegeordnung entfaltet: Abschied beim letzten Abendmahl am Gründonnerstag, Leiden und Tod am Karfreitag, Auferstehung in der Osternacht, aber immer mit dem Blick auf das Ganze, auf unsere Erlösung: keine Auferstehung ohne das Kreuz, aber auch kein Kreuz ohne Auferstehung. Und was ebenso wichtig ist: Es geht nicht nur um das, was damals vor zweitausend Jahren geschehen ist, sondern um seine bleibende Aktualität, seine Bedeutung für uns heutige Menschen. Dieser Aspekt ist in den verschiedenen Gottesdiensten, nicht zuletzt dank der eindrücklichen Predigtworte, die auf der Website des Klosters (www.kloster- einsiedeln.ch) nachgelesen werden können, immer wieder sehr deutlich geworden.

Keine Fusswaschung

«Die Fusswaschung entfällt. Der dienende Christus ist gegenwärtig in allen Menschen, die besonders in diesen Tagen die Nächstenliebe leben.» So heisst es lapidar im Dokument «Empfehlungen der Schweizer Bischofskonferenz für die Feier der Heiligen Woche». Das heisst im Klartext: Die Fusswaschung kann als Ritus ohne Bedenken weggelassen werden, denn sie findet in den vielen kleinen und grösseren Liebesdiensten statt, die vor allem heute in dieser Pandemiezeit von unzähligen Menschen geleistet werden. Darin wird der Auftrag Jesu konkret erfüllt, und das ist weit mehr und weit wichtiger als das symbolische Wiederholen des Zeichens, das Jesus damals gesetzt hat.

Widersprüchliche Stellung zum Kreuz

Der Karfreitagsgottesdienst hat immer etwas Hartes, Kaltes, ja geradezu Schauerliches an sich; in der ganzen Atmosphäre widerspiegelt sich das Ungeheuerliche, das mit dem Kreuzestod Jesu geschehen ist. «Das Kreuz mit dem Kreuz», so hat Abt Urban seine Überlegungen zu diesem Thema überschrieben. Widersprüchlich ist die Stellung zum Kreuz in der heutigen Gesellschaft: Die einen wollen es aus der Öffentlichkeit verbannen, weil es ein religiöses Zeichen ist und gewisse Leute in ihren Gefühlen verletzen könnte, andere, vor allem jüngere Leute, tragen es als Schmuck am Halsband, als Piercing an der Nase oder an den Ohren, oder gar als Tattoo an ihrem Körper.

Aber auch für uns Christen ist das Kreuz ein widersprüchliches Zeichen. Schon in der Bibel gibt es beides: Das Kreuz, das erniedrigt, das Menschen fertig macht, Menschen weghaben will und sie ausradiert, wie es Jesus erfahren musste, und das Kreuz, das auch im Leiden nach der Hoffnung sucht, nach dem Licht, das uns einen Weg weist und uns die Kraft gibt, das Kreuz in der Nachfolge Jesu selbst zu tragen. Es wäre falsch, die negativen Seiten des Kreuzes wie auch immer verschwinden lassen zu wollen; sie werden uns bis ans Ende der Zeiten begleiten, und wir tun gut daran, sie zu akzeptieren, aber wir dürfen sie in einer neuen Perspektive sehen, denn durch Jesu Tod ist das Kreuz zum Zeichen der Erlösung, der Befreiung, des Neuanfanges geworden.

Das Kreuz ist Zeichen des Heils geworden So ist denn Ostern ein welthistorischer Wendepunkt, der uns eine neue Perspektive schenkt: Leben statt Tod. Das Kreuz ist zum Zeichen des Heils geworden. Dass damit nicht von heute auf morgen alles gut geworden ist, dass die Welt weiterhin von den gleichen Nöten geplagt bleibt, sollte uns nicht überraschen, denn Auferstehung ist nicht ein Event, bei dem mit einem Schlag alles anders und neu geworden wäre. Auferstehung geschieht allmählich und ereignet sich überall dort, wo Menschen sich vom Auferstandenen ansprechen und treffen lassen. So brauchten auch die Jünger Zeit, bis sie begriffen hatten, was geschehen war. Dann aber haben sie das, was sie erfahren haben, mit Begeisterung weitererzählt und wurden so zu Zeugen der Auferstehung. So geschah es während Jahrhunderten, und heute sind wir an der Reihe: Lassen auch wir uns anrühren von Jesus Christus und Zeugen für seine Auferstehung sein – damit Auferstehung auch heute geschehe.

www.kloster-einsiedeln.ch

Normalerweise ist die Klosterkirche am Ostersonntag bis auf den letzten Steh- und Sitzplatz gefüllt. Dieses Jahr durften sich nur maximal 50 Personen in der Kirche aufhalten.

Fotos: Franz Kälin

Die Mönche sangen mit Mundschutz.

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