Seit es Fotos gibt, werden sie manipuliert
Sich auf Bildern besonders vorteilhaft darzustellen, lohnt sich vor allem dann, wenn dadurch der Verkauf angekurbelt werden kann. Das war in Einsiedeln nicht anders. – 5 Schon vor dem Photoshop-Zeitalter wurden Bilder geschönt
Die Geschichte über die Beziehung von Wädenswil zu Einsiedeln förderte auch einige fotohistorische Trouvaillen zutage.
VICTOR KÄLIN
Die «facettenreiche Geschichte», welche Wädenswil und Einsiedeln verbindet (EA 20/21), hat Patrick Schönbächler auf den Plan gerufen. Dem Einsiedler Lokalhistoriker fiel vor allem jene Fotografie auf, die Kloster und Klosterplatz auf einer (als undatiert markierten) Aufnahme zeigt. Und Schönbächler wusste auch, was ihn an der alten Schwarz-Weiss-Aufnahme so besonders interessierte: Sie ist gefälscht, mindestens geschönt. Denn in Patrick Schönbächlers Sammlung befindet sich die unbearbeitete Foto (welche zwar ebenfalls frisiert wurde – doch davon später). Vergleicht man die beiden Fotos, fällt auf, dass die sogenannten Kramläden beim Haus Pfauen einfach wegretuschiert wurden.
Malakoff und Pfauenstände
Die um den Malakoff herumgebauten Pfauenstände sind 1937 abgebrannt. Im Zuge der allgemeinen Platzverschönerung wurde auch der Malakoff anschliessend abgetragen. Die alten Fotos, welche auch für Ansichtskarten verwendet wurden, entsprachen damit plötzlich nicht mehr der Realität. Und hier knüpft Schönbächler an: «Solche Retuschen sind mir seit 1890 und auch in den 1900er-Jahren bekannt und wurden beim Benziger- Verlag vorgenommen». Er mutmasst, dass «Fotografien offenbar teuer oder gute Fotografen nicht zur Hand waren, sodass man einfach zur Feder griff, wegretuschierte oder sogar ganze – neu hinzugekommene Bauten – einzeichnete. Photoshop wurde offenbar schon immer praktiziert, wenn es passte».
Doch selbst das Schönbächler vorliegende «Original» um 1930 ist entfremdet. Der Malakoff ist hier wohl drauf und die Arkadenabschlüsse sind korrekt, indessen wurde ein damals populärer, beziehungsweise regelmässig in der Waldstatt auftauchender Zeppelin eingezeichnet! So etwas verkauft sich einfach besser.
Prozession und Weisswindgarten Schönbächler liefert weiteres Bildmaterial, die den in der Verlagsbranche relativ lockeren Umgang mit der Realität zeigt, immer im Bemühen, einen spektakuläreren Bildeindruck zu vermitteln – und letztlich mehr Gedrucktes verkaufen zu können.
Die Aufnahme mit der Prozession entstand nach Ansicht Schönbächlers wohl um 1912, wurde aber offenbar bis Ende der 1930er-Jahre als Postkartenvorlage gebraucht. In der späteren Fassung (ab 1937) wurden die Pfauenstände und der Malakoff einfach wegretuschiert, und die Postkarte damit den aktuellen Verhältnissen angepasst. «Historisch » sei die Karte aber immer noch nicht korrekt, da die Arkadenabschlüsse noch in Beton dargestellt sind (seit 1933 mit Ziegelabschluss)!
Ebenfalls «unmöglich» ist der Bildvordergrund. Ob nun farbig (mit Malakoff) oder schwarzweiss (ohne Malakoff): Der gesamte Weisswindgarten wurde einfach weggeschnitten und die übrigen Bildelemente zusammengeschoben. Vielleicht wurden auch zwei verschiedene Aufnahmen zusammengesetzt? Auf jeden Fall sollte dadurch der Eindruck entstehen, dass Klosterplatz und Kreuzweg viel enger beieinander liegen – was die Prozession bedeutend eindrücklicher wirken lässt. Was stört oder nicht nötig war, wurde einfach entfernt. – Man merke: Nur weil eine Aufnahme alt ist, ist sie nicht automatisch auch echt!
Quellen: Patrick Schönbächler Werner Oechslin/Anja Buschow Oechslin «Einsiedeln 1», Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz 2003
Vergleicht man die beiden Fotos, fällt auf, dass die sogenannten Kramläden beim Haus Pfauen (linker Bildrand) einfach wegretuschiert wurden (oben). Und auch der Zeppelin ist eine Bildmontage (unten).
Auch bei der Prozessionsaufnahme wurden die Kramläden wegretuschiert und (im Bildvordergrund) der ganze Weisswindgarten weggeschnitten.
Fotos: Sammlung Patrick Schönbächler