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Parteien sind für einen Tunnel, das Gewerbe ist dagegen

Parteien sind für einen Tunnel,  das Gewerbe ist dagegen Parteien sind für einen Tunnel,  das Gewerbe ist dagegen

Bereits im Vorfeld gehen die Wogen hoch: Das Tunnelbauprojekt in Rothenthurm bewegt die Gemüter und scheidet die Geister. Gefordert wird eine Mitsprache seitens der Bevölkerung. Wenn das Volk nicht partizipieren könne, sei die Gefahr gross, dass die Vorlage einen Schiffbruch erleiden werde.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Der Rothenthurmer Dorfchronist Albert Marty hat das Glück, etwas entfernt von der Hauptstrasse zu leben: «Wir sind nicht direkt von den Emissionen betroffen, die diese Strasse auslöst.» Für das Dorf selber sei die Strasse schrecklich, deren Überquerung eine wahre Zumutung – kein Wunder angesichts dessen, dass täglich 11’000 Autos mitten durch Rothenthurm brausen.

Dementsprechend hätte man bereits mitten in den 70er-Jahren gefunden, man müsse etwas machen, um das Problem lösen zu können, weiss Marty: «Damals war der Kanton Schwyz beim Projekt federführend und hat vier Varianten ausgearbeitet für eine Entlastungsstrasse ohne Tunnel.» Die Idee sei gewesen, die Strasse westlich von Rothenthurm zu bauen: Das Dorf sei damals dort noch nicht verbaut gewesen. Doch der Kanton zweifelte, ob es einen Bedarf gebe und ob die Kosten nicht zu hoch seien: Das Projekt wurde fallen gelassen.

Erlebt der Tunnel eine Abfuhr wie die Vorlage Rittlisgatter? Marty hält fest, dass es wichtig sei, bereits vor der Lancierung des Projektierungskredits die Meinung der Bevölkerung einzuholen: «Das Volk muss partizipieren können. Es braucht eine Mitbestimmung, eine Mitsprache seitens der Rothenthurmer.» Wenn nicht bereits in diesem Jahr ein breit angekurbelter Meinungsbildungsprozess in Gang komme, sei die Gefahr gross, dass man 180’000 Franken vergebens in den Sand setze.

«Wenn man sieht, dass das Projekt keine Chance hat, kann man die ganze Sache wieder abblasen », konstatiert Marty. Er erinnert an die Vorlage Rittlisgatter: Der Gemeinderat habe sich viel Arbeit gemacht, schliesslich sei alles für die Katze gewesen.

«Der Tunnel könnte dasselbe Schicksal erleiden wie die Vorlage Rittlisgatter», moniert Marty: «Es ist trügerisch, wenn an eine Gemeindeversammlung in Rothenthurm wenig Leute kommen und eine Vorlage klar durchwinken. » Oftmals werde danach eine Vorlage an der Urnenabstimmung abgelehnt. Der Verkehr staut sich auf der Hauptstrasse in der Rushhour «Ein Tunnelbau würde aus Sicht der SVP unser Verkehrsproblem lösen», sagt Stefan Beeler, Präsident der SVP Rothenthurm: «Aus diesem Grund begrüsst die SVP das Tunnelbauprojekt.» Es komme vor allem in den Spitzenzeiten der Morgen- und Abendstunden zu Stausituationen auf der Hauptstrasse.

«Autofahrer benötigen in der Rushhour bis zu fünf Minuten, bis sie von einer Neben- in die Hauptstrasse einbiegen können », gibt Beeler zu bedenken. Prekär sei gleichsam die Situation beim Bahnübergang Schoosstrasse, wo es zu Rückstaus bis in die Hauptstrasse kommen könne. «Das ist nicht ideal und werde in Zukunft aufgrund der grossen Bautätigkeit im Gebiet Landstrasse, Schoosweid und Rössliweid weiter zunehmen», moniert der SVP-Präsident.

«Der Leidensdruck wird zukünftig stetig steigen» Zu alledem müsse davon ausgegangen werden, dass der Verkehr wegen der wachsenden Bevölkerung und dem Ausbau der H8 in den kommenden Jahren weiter zunehmen werde und sich die Situation in Rothenthurm noch verschlimmere: «Der Leidensdruck wird in den nächsten zwanzig Jahren stetig steigen.» Es gebe allerdings auch Stimmen innerhalb der SVP, die sich gegen das Tunnelprojekt aussprechen würden, führt Beeler aus: «Gewerbetreibende an der Hauptstrasse befürchten eine Umsatzeinbusse für Läden und Geschäfte im Dorfkern, falls die Umfahrungsstrasse gebaut würde.» Bezüglich des Bauern, dessen Land vom Bau des südlichen Tunnelportals beim Gelände der früheren Perform-Möbelfabrik betroffen sei, könne derweil Entwarnung gegeben werden: Dieser Landwirt erhalte Realersatz und stemme sich nicht gegen den Tunnelbau. Der Bau eines Tunnels zieht eine Steuererhöhung nach sich Was das Land beim nördlichen Tunnelportal zwischen der Ersten und der Zweiten Altmatt betreffe: «Dieses Grundstück gehört der Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK) und ist Weidland. Die Korporation hat nichts gegen das Tunnelprojekt einzuwenden », weiss Beeler: «Sicherlich wirft die SVP einen kritischen Blick auf eine Steuererhöhung, die naturgemäss Hand in Hand geht mit dem Bau des Tunnels.» Weil die Gemeinde Rothenthurm rund 25 Millionen Franken am Tunnelbau zu berappen habe, werde sich die Steuerlast entsprechend erhöhen. Der SVP-Präsident geht davon aus, dass seine Partei fürs Erste dem Projektierungskredit in der Höhe von 180’000 Franken zustimmen werde. «Noch nicht in Stein gemeisselt ist denn, ob die SVP auch dem Baukredit seinen Segen erteilen werde», fasst Beeler zusammen: Dass sei nicht zuletzt davon abhängig, wie sich die definitiven Kosten entwickeln würden.

Der Tunnel kann eine Chance sein – oder ein Hirngespinst

«Unsere Partei wird wohl Ja sagen zum Projektierungskredit zu diesem Generationenprojekt», sagt Paul Schnüriger, Präsident der CVP Rothenthurm: «Noch offen ist, wie denn das Verdikt der Partei bezüglich des Baukredits aussehen wird.» Man müsse Chancen und Risiken des Projekts gegeneinander abwägen, «damit wir herausfinden, ob das Ganze nicht nur ein Hirngespinst ist», meint Schnüriger: «Das Projekt kann eine Chance für Rothenthurm bedeuten dahingehend, dass das Dorf sich entwickelt und an Lebensqualität gewinnt.» Schliesslich sei entscheidend, wie eine Kosten-Nutzen- Analyse ausfallen würde. Klar sei, dass der Tunnelbau auch Verlierer mit sich bringen würde.

«Gewerbetreibende an der Hauptstrasse sind wohl nicht so begeistert über das Projekt», konstatiert Schnüriger: Allerdings sei es nun auch nicht so, dass jedes zweite durchfahrende Auto auf der Hauptstrasse anhält, um in einem Laden einzukaufen.

Zentrum kann auch mit Durchgangsverkehr aussterben «Die Frage stellt sich, was mit dem Dorfkern geschieht, wenn man nichts macht», führt Schnüriger aus: Es gebe schliesslich auch Beispiele von Ortschaften, deren Zentren trotz Durchgangsverkehr ausgestorben seien. «Ich halte es eher für illusorisch, dass sich Geschäfte vom Dorfkern an die Peripherie verschieben lassen, falls die Umfahrungsstrasse gebaut würde.» Fakt sei, dass Rothenthurm als Strassendorf wahrgenommen werde, stellt Schnüriger fest: «Vergessen wird schnell, welch wunderschöne Umgebung Rothenthurm und welche Chancen das Dorf in touristischer Hinsicht hat.» Würde der Dorfkern vom Durchgangsverkehr befreit, wäre auf einem Schlag plötzlich ganz viel Platz frei, auf dem sich das Dorfleben gestalten liesse. «Vielleicht verlieren ein paar wenige Geschäfte ein paar Kunden von der Strasse, wenn der Tunnel kommt. Dafür könnten neue Kundensegmente erschlossen werden, und profitieren würde die ganze Dorfbevölkerung, indem sie Raum im Kern von Rothenthurm gewinnt», fasst Schnüriger zusammen: «Ganz zentral ist auch die Frage was die Auswirkungen für Rothenthurm sind, wenn das Dorf nicht umfahren wird und der Verkehr immer weiter zunimmt.» «Not ist gross in Rothenthurm aufgrund der Hauptstrasse» Man stecke mitten im Meinungsbildungsprozess, und die SP sei in der Kommission vertreten, welche die ganze Auslegeordnung zum Tunnelbauprojekt erstelle, sagt Traudel Spiess, Co-Präsidentin der SP Rothenthurm: «Es ist davon auszugehen, dass die Ortspartei Ja sagt zum Projektierungskredit. » Die Not sei gross in Rothenthurm aufgrund der Hauptstrasse, die das Dorf durchschneide, und des weiter anwachsenden Verkehrs.

«Der Tunnel wird nicht für uns gebaut, sondern wird den kommenden Generationen dienen», erklärt Spiess: «Der Bau sorgt für eine zukünftige signifikante Steigerung der Lebensqualität in Rothenthurm.» Üblicherweise äussert sich die SP eher kritisch gegenüber Strassenbauprojekten, weil mehr Strassen nur wieder mehr Verkehr anziehen würden. «Das ganze Dorf profitiert dank dieser Aufwertung», führt Spiess aus: «Rothenthurm hat viel Potenzial dank der Moorlandschaft rundherum. » Man müsse auch das Gewerbe in das Projekt miteinbeziehen, «schliesslich sitzen wir alle im gleichen Boot».

Keine Option ist derweil das Tunnelbauprojekt für Urs Trütsch, Präsident des Gewerbevereins Rothenthurm: «Das Gewerbe ist angewiesen darauf, dass der Verkehr weiterhin durch die Hauptstrasse fliesst.» «Wir brauchen auch die Autofahrer, die im Dorf anhalten» Trütsch spricht von mindestens acht Restaurants und sieben Läden, die von massiven Umsatzeinbussen betroffen wären, wenn die Umfahrungsstrasse gebaut werden würde.

«Es ist kaum möglich zu überleben nur von den Einkäufen, welche die Rothenthurmer tätigen », stellt der Präsident fest: «Wir brauchen auch die Autofahrer, die im Dorf anhalten und die einen Bogen um Rothenthurm machen würden, wenn der Tunnel gebaut würde.» Das Nein des Gewerbevereins zum Tunnelprojekt sei nicht einfach einem Egoismus geschuldet, sondern erfolge aus existenziellen Gründen: «Es ist Fakt, dass Leute, die zum Einkaufen kommen, mit dem Auto vor das Geschäft fahren wollen.» Und diese Leute würden dann eben das Dorf meiden, wenn im Kern von Rothenthurm eine Fussgängerzone errichtet würde.

Als wenig realistisch erachtet Trütsch die Möglichkeit, dass die Läden, Geschäfte und Beizen, die sich jetzt an der Hauptstrasse befinden, in eine neue Gewerbezone verschoben werden würden. «Es ist kaum eine Option für uns, unsere Geschäfte etwa in Richtung Biberegg zu zügeln», sagt Trütsch: «Das wäre denn einfach zu weit weg vom Dorf.» «Kinder sind wegen des Verkehrs stark gefährdet» Rothenthurm sei aktuell ein intaktes Dorf mit einem gesunden, aktiven Gewerbe – einem tollen Vereinsleben in einer schönen Umgebung, resumiert der Gewerbepräsident: «Schade, wenn unser Dorf zu einem Schlafdorf verkommen würde – wie bei anderen Dörfern mit einer Umfahrung.» Auf wenig Verständnis stösst derweil die Kritik des Gewerbes am Projekt bei FDP-Präsident Reto Casagrande: «Die Betriebe an der Hauptstrasse jammern wegen einer drohenden Umsatzeinbusse. Doch wer zufrieden ist mit deren Produkten, wird die Geschäfte auch dann noch besuchen, wenn der Durchgangsverkehr nicht mehr durch das Dorf braust.» Die vom Gewerbe forcierte Ablehnung der Vorlage Rittlisgatter sei eine Katastrophe für das Dorf. «Dadurch verlieren wir viele Arbeitsplätze», konstatiert Casagrande: «Es ist ein Gebot der Stunde, diesen Tunnelbau zu unterstützen.» Dank dieses Projekts komme es schliesslich zu einer Verkehrsberuhigung in Rothenthurm – und zu mehr Sicherheit. «Wir sollten auch an die Kinder und Schüler denken», sagt der FDP-Präsident: «Sie sind aufgrund des Verkehrs auf der Hauptstrasse besonders stark gefährdet.»

Täglich fahren 11'000 Autos und Lastwagen mitten durch Rothenthurm – und es werden immerzu mehr: Die Hauptstrasse trennt die Ortschaft in das Unter- und das Oberdorf.

Foto: Magnus Leibundgut

«Für das Dorf ist die Strasse schrecklich, deren Überquerung eine wahre Zumutung.»

Albert Marty

«Bis zu fünf Minuten brauchen Autofahrer, um in die Hauptstrasse einzubiegen.»

Stefan Beeler, SVP-Präsident

«Auf einen Schlag würde ganz viel Platz frei, auf dem sich das Dorfleben gestalten liesse.»

Paul Schnüriger, CVP-Präsident

«Acht Restaurants und sieben Läden wären von massiven Umsatzeinbussen betroffen.»

Urs Trütsch, Präsident des Gewerbevereins Rothenthurm

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