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Zu- und Auffall

ERNST FRIEDLI

Gestern gab es wieder einen: Zufällig traf Klärli vor der Kantonalbank ihre Jahrgängerin Sophie, welche seit 32 Jahren im Tessin wohnt. «So n’ä Zuäfall!», habe Sophie gerufen, was ja verständlich ist, wenn man weiss, wie wenig es brauchen würde, bis Jahrgängerinnen sich vor der Kantonalbank nicht treffen.

Wenn ein Zufall aus irgendwelchen Gründen nicht auftritt, fällt er uns natürlich auch weniger auf. Insofern kann ein Zufall sich sehr schlecht verstecken. Klärli hätte ja nur eine Minute früher oder später aus dem Haus gehen müssen und schon wäre sie Sophie nicht zufällig begegnet, sondern bestenfalls zufällig nicht begegnet. Das wäre ihr dann aber auch nicht aufgefallen.

Insofern ist das Zufällige schon ein Spezialfall des Alltäglichen. Ich vermute aber, dass Zufälle im Alltag eigentlich sehr viel häufiger sind. Wir nehmen sie nur nicht so stark wahr, wie wenn sie uns direkt ins Auge springen. Beispielsweise standen auf dem Parkplatz beim Haumesser kürzlich drei Autos nebeneinander. Sie trugen zufällig die Autonummern XY 148273, XY 101995 und XY 206854 (aus Datenschutzgründen ohne Kantonsangaben). Ich traute meinen Augen nicht und habe die Situation mehrfach kontrolliert. So ein unglaublicher Zufall ist mir persönlich zeitlebens noch nie begegnet. Und ein solcher Zufall wird mir Zeit meines verbleibenden Lebens wohl auch nicht mehr vorkommen.

Sie haben sicher schon bemerkt, was ich meine. Es lohnt sich also, mit offenen Augen und sprungbereitem Hirn unterwegs zu sein, wenn man verborgenen Zufällen auf die Spur kommen möchte.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und sucht gern, was sich finden lässt.

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