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Soll man jetzt fasten und endlich mal entschlacken?

Mit dem Frühlingserwachen kommt bei mir der Drang zum Saubermachen und das gilt nicht nur für die Fenster meiner Wohnung, nein auch die Reinigung meines Körpers wird zum Thema. Der Aschermittwoch, der Beginn der Fastenzeit, drängt sich da geradezu auf. Neben dem körperlichen Frühjahrsputz schätze ich die Veränderung der eigenen Wahrnehmung. Fasten ist viel mehr als nichts zu essen. Der Verzicht ermöglicht einem, sich zu erden und stellt im Idealfall den Einstieg in eine dauerhafte Ernährungsumstellung dar. Der Nahrungsentzug schaltet den Stoffwechsel in den Hungermodus. Das führt komischerweise zu einem Energieschub und steigert sogar die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.

Klar tönt das jetzt alles einfacher, als es schlussendlich ist. Die ersten Tage sind nicht immer einfach, wenn man den ganzen Tag nur an Pizza, Chips oder Schokolade denkt. Dies legt sich aber mit jedem Tag und die Euphorie nimmt überhand. Und mit jedem Tag steigt auch die Vorfreude auf das erste Essen nach dem Fasten. Fasten bedeutet für mich aber auch vermehrt Zeit, welche zur Verfügung steht, da man ja nicht kochen und wenig oder gar nichts einkaufen muss. Da hat man plötzlich Zeit, Dinge zu tun, die sonst eher an letzter Stelle kommen, wie Lesen, Faulenzen und so weiter.

Das Fasten gehört seit meiner Kindheit zu mir. Während der Fastenzeit durften wir keine Süssigkeiten essen, die wir aber in einer Dose eifrig sammelten. Ich kann mich noch gut an den Geruch erinnern, die die Dose nach 40 Tagen wild durcheinander gesammelter Süssigkeiten verströmte … auf diese verzichten wir dann freiwillig.

Ok. Ich gebe es zu: Ich habe einen Bauch. Keinen riesigen. Aber einen etwas zu grossen. Diskussionslos. Das beklagt sogar meine kleine Tochter. Und – ok – wenn ich ab und zu vor dem Fernseher heimlich mein «Hüftgold» streichle, denke ich mir schon auch: Jetzt wäre es echt mal Zeit abzuspecken.

Allerdings finde ich diesen leistungsorientierten Verzicht irgendwie weltfremd. Ich muss am Telefon lächeln, wenn mein Bruder, der im bierseligen München wohnt, mir stolz berichtet, er habe jetzt wieder sechs Wochen auf sein heiss geliebtes Hefeweizen verzichtet. Soll er halt das ganze Jahr über etwas weniger Bier trinken, dann muss er nicht sechs Wochen lang das flüssig-süffige Gold entbehren!

Womit wir beim Thema wären. Denn eigentlich habe ich nichts gegen Verzicht – Verzicht in Massen. Schliesslich müssen wir schon Corona-Masken tragen. Als Familienvater von drei Kindern blinkt das Bankkonto bereits zur Monatsmitte hellrot auf. Die grauen Haare werden nicht weniger. Sport treibe ich ohnehin. Obst esse ich auch.

In diesem Sinn trinke ich gerne ein Bier oder ein Cüpli. Oder auch mal zwei. Aber nie mehr. Ich esse gern Pizza und Chips – aber eben nicht tütenweise und manchmal nur ein «Eck» von der Pizza meiner kleinen Tochter – die eine ganze sowieso nicht schafft. Ich nasche gerne Noisetteschokolade, aber eben nicht die ganze Tafel. Überhaupt: Das Leben ist schon Verzicht genug – diesen Effekt muss man nicht noch künstlich steigern. Übrigens sprechen beim Fasten immer alle nur vom Körper. Dabei braucht ja auch der Geist Entschlackung. Mir gelingt das am besten, wenn ich daheim auf dem Sofa sitze, zum Fenster rausschaue und einfach nichts tue. Ahhh!

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