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«Operieren ist mein Lebenselixier»

«Operieren ist mein Lebenselixier» «Operieren ist mein Lebenselixier»

Mit Glenn Füchsel hat das Ameos Spital Einsiedeln einen neuen Leiter der Frauenklinik gefunden. Der 59-jährige Gynäkologe nimmt Operationen an der Brust und am Unterleib vor. Die Geburtshilfe bleibt ein wesentliches Standbein der Frauenklinik im Spital Einsiedeln.

MAGNUS LEIBUNDGUT

War es Ihr Bubentraum, dereinst Frauenarzt zu werden?

Mein Bubentraum war es auf jeden Fall,Arzt zu werden. Und dies, obwohl meine Liebe zur Medizin bereits in jungen Jahren einer schweren Prüfung unterzogen wurde: Ich musste als fünfjähriger Bub für neun Wochen ins Spital. Vier Wochen davon verbrachte ich auf der Isolationsstation – wegen schwerer Infektionsgefahr. Ich habe die Krankheit als Chance wahrgenommen – und in der Tat bin ich fortan meinen Weg gegangen: Er hat mich schliesslich in den Operationssaal geführt. Operieren ist mein Lebenselixier. Wie kommen Sie dazu, die Frauenklinik im Spital Einsiedeln zu führen – wie die Jungfrau zum Kind? Ich habe mich im letzten Sommer auf eine Ausschreibung des Ameos Spitals Einsiedeln hin gemeldet, bei der es um eine Stelle als leitender Arzt gegangen ist. Diese Stelle habe ich dann am 1. Dezember angetreten. Und seit dem 1. Februar bin ich nun zusätzlich der Leiter der Frauenklinik geworden. Auf diese Aufgabe freue ich mich ungemein.

Was ist mit Eberhard Arnold geschehen, dem bisherigen Leiter der Frauenklinik im Spital Einsiedeln und ehemaligen Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe im Paracelsus-Spital Richterswil? Dazu kann ich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Stellung nehmen. Ändern Sie etwas am Konzept der Frauenklinik? Unsere Frauenklinik hat nun einiges zu bieten: Wir sind in der Lage, Patientinnen zu beraten in umfassenden Spezialangeboten. Dazu gehören Diagnose und Therapie in der Brustmedizin. Probleme mit dem Beckenboden und der Blasenschwäche gehören gleichermassen dazu. Unser aktueller Leistungsauftrag erlaubt uns Operationen an der Brust und am Unterleib, jedoch keine onkologischen Eingriffe. Selbstverständlich bleibt die Geburtshilfe für mich und mein Team ein wesentliches Standbein der Frauenklinik im Ameos Spital Einsiedeln. Für viele Frauen ist es um einiges angenehmer, sich von einer weiblichen Gynäkologin behandeln zu lassen. Kommt der Frauenaspekt nicht zu kurz im Spital Einsiedeln?

In keiner Weise: Wir sind in der glücklichen Lage, mit Mirvete Shabani und Alexandra Tetsis über zwei hervorragende Fachärztinnen für Gynäkologie und Geburtshilfe zu verfügen. Und diese beiden Frauen sprechen erst noch zig Fremdsprachen, was die Kommunikation mit unseren Patientinnen naturgemäss erleichtert. Die Frauenheilkunde soll am Ameos Spital Einsiedeln einen grösseren Raum bekommen. Dank der neuen Frauenklinik haben wir ganz neue Möglichkeiten, die über das Klosterdorf hinaus in die ganze Region hinausstrahlen.

Bleibt der anthroposophische Schwerpunkt, der im Paracelsus- Spital in Richterswil eine tragende Rolle spielte, erhalten?

In unserer Frauenklinik können wir nun das gesamte Spektrum der schul- und komplementärmedizinischen Gynäkologie anbieten, sei es im Bereich der Geburtshilfe als auch der ambulanten und operativen Gynäkologie. Dass der antroposophische Schwerpunkt erhalten bleibt, kommt alleine darin zum Ausdruck, dass fast das gesamte Team aus Richterswil, darunter finden sich Ärztinnen, Hebammen und Therapeutinnen, vom Ameos Spital Einsiedeln übernommen wurde. Hier im Klosterdorf haben sich denn zwei Teams erfolgreich in einem Prozess zu einem Team vereinigt und wiedergefunden. Getrost kann nun die Rede von einem gelungenen Miteinander sein.

Welche Operationen können neu im Ameos Spital Einsiedeln angeboten werden? Wir können nun den sensiblen Bereich der Brustmedizin (Senologie) anbieten sowie Operationen am Unterleib. Bis anhin gab es in Einsiedeln eher wenige gynäkologische Operationen – und natürlich, wenn nötig, die Kaiserschnitte in der Geburtshilfe.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Zahlen in der Frauenklinik ausgewirkt? Das Coronavirus hat sich insgesamt negativ auf die Zahlen des Ameos Spitals Einsiedeln ausgewirkt: Die Anzahl der planbaren Operationen – auch in der Frauenheilkunde – ist nach wie vor geringer als vor der Pandemie. Die Zahl an Geburten ist demgegenüber konstant geblieben. Nicht bestätigen kann ich, dass es einen Trend gegeben hätte zu mehr Hausgeburten oder zu mehr Geburten in Geburtshäusern.

Dürfen Väter wieder Mutter und Kind besuchen? Das Besuchsrecht war während des Lockdowns im Frühling eingeschränkt, als im Ameos Spital Einsiedeln ein striktes Besuchsverbot praktiziert wurde. Nun dürfen Väter Mutter und Kind wieder besuchen und auch bei der Geburt dabei sein. Die Väter können auch im Familienzimmer übernachten.

Sie haben in den 80er-Jahren in Düsseldorf Philosophie studiert: Erkennen Sie Gemeinsamkeiten zwischen der Philosophie und der Medizin? Oh ja. Im Spital wird ja zugleich geboren und gestorben: Es ist also ein Ort des Werdens und Vergehens. Und wo Leben und Sterben so nahe beieinanderliegen, kann die Philosophie nicht weit weg sein. Kommt hinzu, dass ich als Rheinländer über einen guten Humor verfüge (lacht). Als Christ sagt mir die Fasnacht überaus zu: Umso mehr freue ich mich auf die Einsiedler Fasnacht in den nächsten Jahren. Ich würde mich selbst nicht gerade als einen Egomanen einschätzen, aber doch als eigenständig genug. Auf der anderen Seite fällt es mir nicht wirklich schwer, den Part eines Teamplayers zu erfüllen.

Wie kommt die zunehmende Ökonomisierung des Spitalwesens bei Ihnen an? Ich bedauere die zunehmende Ökonomisierung des Spitalwesens. Gerade regionale Spitäler unterliegen einem stetig zunehmenden Kostendruck und müssen sich in ökonomischen Spannungsfeldern behaupten. Es stellt sich die Frage, ob sich Markt und Medizin langfristig vereinen lassen und ob die Politik hier weiter diesen Weg fortsetzen will. Das Ameos Spital Einsiedeln stellt sich mit seinen neuen medizinischen Leistungsangeboten aber gerade sehr solide und professionell auf. Das stimmt mich optimistisch und ist eine gute Nachricht für unsere Einsiedler Bevölkerung. Wohin bewegt sich die Welt?

Ich stelle eine überhandnehmende Entindividualisierung in unserer Gesellschaft fest: Aufgrund der rasanten Entwicklung der elektronischen Kommunikationstechniken kommt sich der Mensch abhanden. Gerade junge Menschen konsumieren unablässig neue Medien und halten sich fast nur noch in der virtuellen Realität auf. Wir stehen inmitten einer radikalen Wende unserer Gesellschaft und unserer Lebenswelt. Es fällt mir ab und an schwer, durchgehend optimistisch zu bleiben angesichts dessen, in welche Richtung sich unsere Welt bewegt. Andererseits bin ich wie gesagt Rheinländer …

«Meine Liebe zur Medizin wurde bereits in jungen Jahren einer schweren Prüfung unterzogen.» «Die Frauenheilkunde soll am Spital Einsiedeln einen grösseren Raum bekommen.» «Im Spital wird geboren und gestorben: Es ist ein Ort des Werdens und Vergehens.» «Umso mehr freue ich mich auf die Einsiedler Fasnacht in den nächsten Jahren.» «Ich bedauere die zunehmende Ökonomisierung des Spitalwesens.»

Sie posieren vor der Geburtsbadewanne der Frauenklinik im Ameos Spital Einsiedeln (von links): Glenn Füchsel (medizinischer Leiter der Frauenklinik), Mirvete Shabani (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe) und Alexandra Tetsis (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe). Foto: Magnus Leibundgut

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