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«Der Tod hinterlässt immer eine Lücke»

«Der Tod hinterlässt immer  eine Lücke» «Der Tod hinterlässt immer  eine Lücke»

Der Verein Wabe Region Einsiedeln, Ybrig, Alpthal kümmert sich um die Begleitung Sterbender. Zu Corona-Einsätzen wurde der Verein aber nicht gerufen – aus einem ganz bestimmten Grund.

WOLFGANG HOLZ

Frau Feier-Schnüriger, Sie begleiten und wachen zusammen mit Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Haben Sie da in den vergangenen Monaten auch Corona-Patienten betreut, die im Sterben lagen? Nein. Da wir einerseits unter unseren Begleitpersonen auch einige in der Risikogruppe haben und andererseits die Institutionen möglichst auf auswärtige Kontakte verzichten, machen wir keine Einsätze bei Corona-Patienten. In welchen Fällen werden Sie und Ihre Mitarbeiterinnen normalerweise gerufen? Ihr Verein WABE Region Einsiedeln, Ybrig, Alpthal befindet sich ja vor Ort in Einsiedeln und ist täglich von 10 bis 17 Uhr kontaktierbar? Unsere freiwilligen Begleiterinnen und Begleiter wachen bei schwerkranken und sterbenden Menschen im Spital, in den Heimen und nach Möglichkeit bei ihnen zu Hause. Wenn es um Begleitungen Schwerkranker geht, sind das oft Situationen, bei denen die Patienten unruhig oder verwirrt sind. Dort bieten wir unsere Unterstützung zur akuten Überbrückung an. Dadurch können wir die betroffenen Personen und ihre Angehörigen entlasten. Unsere Einsätze sind kostenlos und stehen grundsätzlich allen Menschen in der Region Einsiedeln Ybrig und Alpthal zur Verfügung. Diese Dienstleistung erfolgt als Ergänzung zur medizinischen, pflegerischen, sozialen und seelsorgerischen Betreuung.

Über wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügt der Verein?

Unser Verein besteht aus vier Vorstandsmitgliedern, drei Einsatzleiterinnen und momentan vierzehn Begleitpersonen. Da diese auf freiwilliger Basis tätig sind, kann es schon einmal zu Engpässen bei der Besetzung der Einsätze kommen. Leider mussten wir auch schon Einsätze absagen. Darum suchen wir immer wieder neue Begleiterinnen und Begleiter, welche diese anspruchsvolle, aber auch dankbare Aufgabe übernehmen möchten. Wer finanziert die Organisation?

Der Verein WABE finanziert sich ausschliesslich durch Mitgliederbeiträge und Spendengelder. Mit diesen Geldern werden die Aufwände für Einsätze, Spesen und Kilometerentschädigungen sowie die Aus- und Weiterbildungen bezahlt. Neue Mitglieder und Spender sind jederzeit willkommen.

Wie sind die Mitarbeiter denn vorbereitet und ausgebildet, um solche schweren Einsätze, wie jemanden beim Sterben begleiten zu können?

Wir bieten unseren Begleitpersonen einen Grundkurs zur Sterbebegleitung bei der Caritas an. Ebenso finden jährliche interne Weiterbildungen und Erfahrungsaustausche statt. Diese werden von unseren Begleitpersonen sehr geschätzt. Wie viele Einsätze pro Woche haben Sie im Schnitt – finden viele bei Nacht statt, wenn Spitalpersonal nicht mehr so zahlreich verfügbar ist? Die Einsätze finden vorwiegend nachts statt. Sie variieren aber ziemlich stark. So hatten wir im letzten Sommer in der Corona- Zeit fast keine Einsätze. Diesen Januar konnten wir zehn Betreuungen mit insgesamt 80 Stunden leisten.

Wie lange dauern solche Einsätze normalerweise – eine halbe Stunde, eine Stunde oder auch eine ganze Nacht hindurch, wenn der Kontakt so lange gewünscht wird? Wir bieten die Einsätze in der Regel in zwei Schichten zu je vier Stunden an. Die erste Schicht dauert von 22 bis 2 Uhr nachts und die zweite Schicht von 2 bis 6 Uhr, tagsüber nach Absprache. Wenn Sie jemanden beim Sterben begleiten, was sagen Sie da? Wie gehen Sie vor? Oder versuchen Sie einfach auf die Person am Telefon einzugehen, zu trösten, zu beruhigen? Wir Einsatzleiterinnen Josy Kälin, Emmy Ruhstaller und ich nehmen die Telefonanrufe vom Spital, den Heimen oder den Angehörigen entgegen. Durch gezielte Fragestellungen erhalten wir die erforderlichen Informationen für die Einsatzplanung. Gerade bei privaten Einsätzen kann es schon zu emotionalen Momenten kommen. Da ist ein einfühlsamer und achtsamer Umgang sehr gefragt. Danach bieten wir unsere Begleitpersonen auf, welche das Wachen und Begleiten übernehmen. Können Sie so ein Gespräch anonym in groben Zügen skizzieren?

Anfragen von Institutionen sind sehr sachlich. Bei privaten Anfragen gestaltet sich das Gespräch unterschiedlich und individuell. Da geht es sehr oft ums Zuhören und um weitere Hilfe zu vermitteln – etwa bei der Spitex oder beim SRK Entlastungsdienst. Wir klären auch ab, welche Dienste schon in Anspruch genommen werden, um so auch eine ergänzende Begleitung anzubieten.

Was tun Sie selbst, um von solchen Gesprächen nicht allzu mitgenommen zu werden, um sich abzugrenzen und zu schützen? Wir haben immer wieder Gespräche mit den Begleitpersonen und unter den Einsatzleiterinnen. Auch können wir auf die Unterstützung von unserem Vorstand zählen. Bei schwierigen Situationen gibt es noch die Möglichkeit, eine Supervision zu beanspruchen. Wie sehen Gespräche aus bei Wachbegleitungen? Oft geht es nicht um das Gespräch, sondern ums Dasein. Zu beruhigen, Ängste zu reduzieren und die Menschen nicht allein zu lassen. Gibt es eine Routine im Umgang mit solchen Anfragen, oder ist jede Sterbebegleitung eine neue Situation? Aus Sicht der Einsatzleitung haben wir einen abgesprochenen Ablauf. Auch unsere Begleitpersonen müssen sich an gewisse Regeln halten. Wie zum Beispiel: Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Verschwiegenheit. Routine vor Ort kann man sich nicht aneignen, da jede Situation sich nach der zu begleitenden Person ausrichtet.

Beeinflussen beziehungsweise verändern solche Sterbebegleitungen den eigenen Blick auf die Themen Tod, Weiterleben nach dem Tod? Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt, jeder Mensch wird mit ihm früher oder später konfrontiert. Durch diese Begegnungen mit Schwerkranken und Sterbenden wird mir aber immer wieder bewusst, wie wertvoll jeder gesunde Moment im Leben ist.

Ist der Tod immer furchtbar oder gibt es dabei auch Momente der Zufriedenheit, der Lebenserfüllung?

Der Tod hinterlässt immer eine Lücke. Auch wenn der Tod für die Hinterbliebenen eine schmerzhafte Erfahrung sein kann und von Trauer begleitet wird, kommt der Tod oft auch als Erlösung nach einer langen Krankheit. Es gibt viele Sterbende, welche in einer inneren Ruhe und tiefster Zufriedenheit einschlafen dürfen.

www.verein-wabe.ch: 077/430’64’59

«Durch diese Begegnungen mit Schwerkranken und Sterbenden wird mir aber immer wieder bewusst, wie wertvoll jeder gesunde Moment im Leben ist.»

Rita Feier-Schnüriger, Verein Wabe

Rita Feier-Schnüriger ist eine der drei Einsatzleiterinnen beim Verein Wabe, der Sterbebegleitungen anbietet. Foto: zvg

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