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Holt Wendy eine Medaille?

Holt Wendy eine Medaille? Holt Wendy eine Medaille?

Nächste Woche beginnen die Alpinen Skiweltmeisterschaften in Cortina d’Ampezzo

In Cortina d’Ampezzo konkurrieren vom 8. bis zum 21. Februar die weltbesten Skifahrerinnen und Skifahrer um Gold, Silber und Bronze. Lokalmatadorin Wendy Holdener hat gleich zwei WM-Titel zu verteidigen. Keine leichte Aufgabe.

WOLFGANG HOLZ

Wenn eine Ski-Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele auf dem Programm stehen, ist Wendy Holdener zumeist top motiviert. Und in Topform. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang holte die 27-jährige Unteribergerin bekanntlich Gold im Mannschaftswettbewerb, Silber im Slalom und Bronze in der Kombination. Bei den Weltmeisterschaften 2017 in St. Moritz und 2019 in Are gewann sie dreimal Gold und einmal Silber. Eine Erfolgsbilanz, die kaum zu toppen ist. Keine Frage. Starke Konkurrenz im Slalom

Wobei sie sich ihre drei WM-Titel jeweils in der Alpinen Kombination und im Mannschaftswettbewerb sicherte – in ihrer Paradedisziplin Slalom erreichte sie Silber. Wie im Weltcup, wo sie ja mit insgesamt 25 Podestplätzen im Slalom eine unglaubliche Erfolgsstatistik aufzuweisen hat (13-mal Zweite, 11-mal Dritte), fehlt ihr auch bei Weltmeisterschaften noch der ganz grosse Triumph beim Tanz durch die Tore.

Gerade beim Slalom in Cortina wird es aber für die Unteribergerin sehr schwer werden, eine Goldmedaille zu gewinnen, ja überhaupt aufs Podest zu fahren. Zwar glänzte Wendy Holdener beim Weltcup-Slalom in Flachau mit dem dritten Platz – ihrem bislang einzigen Podest in dieser Saison. Und sie rangierte bei den übrigen Slaloms auch jeweils regelmässig auf den Plätzen unmittelbar hinter dem Podest.

Doch im Slalom hat sich eine «Viererbande» aus Mikaela Shiffrin, Petra Vlhova, Katharina Liensberger und nicht zuletzt aus Teamkollegin Michelle Gisin etabliert, die fast im Alleingang in den fünf Slaloms die Plätze auf dem Podium eroberte. Insbesondere Senkrechtstarterin Gisin, der in diesem Winter fast alles auf Skiern zu gelingen scheint, hat Wendy Holdener mit ihrem sicheren und gleichzeitig extrem angriffigen Fahrstil das Zepter der schweizerischen Slalom- Queen entrissen.

Zahlt sich Wendys Routine aus?

Nicht zu vergessen, dass die Zeitabstände Holdeners hinter den vier Spitzenläuferinnen zumeist beträchtlich waren. Wendy konnte bis jetzt die Lücke nur einmal in Flachau schliessen – auch wegen eines Fahrfehlers von Gisin. Die Slalomspezialistin aus dem Ybrig muss also ihr ganzes Können und ihre ganze Risikobereitschaft aufbieten, um im Slalom überhaupt eine Medaille holen zu können. Aber wer weiss, vielleicht ist eine der aktuellen Slalom-Prinzessinnen an der WM nervös und unsicher. Schliesslich entscheidet die Tagesform. Und Wendy ist ja in Sachen Slalom-Wettkampfroutine kaum zu toppen.

Grössere Aussichten auf eine Medaille hat Wendy ganz sicher in der Alpinen Kombination. Der Wettbewerb aus Super-G und Slalom scheint der 27-Jährigen mit ihrer Slalom-Finesse und ihrem Allrounder-Speed-Talent wie auf den Leib geschnitten. Italienerinnen top motiviert bei Heim-WM Allerdings wird es nicht leicht werden für Wendy, ihren Titel zu verteidigen. Denn auch hier ist die Konkurrenz grösser geworden. Die top motivierten und top erfolgreichen Italienerinnen Bassino und Brignone werden zum Auftakt der Heim-WM gleich glänzen wollen. Nicht zu vergessen Vlhova, Gisin und all die Mowinckels, Siebenhofers und Gagnons. Selbst Mikaela Shiffrin, die diesen Winter ja keine Speedrennen bestreitet, könnte noch in letzter Minute auf den Geschmack kommen, eine lockere Slalom-Trainingseinheit bei der Alpinen Kombination einzulegen und en passant eine Medaille zu gewinnen. Wendy sollte in der Alpinen Kombination aber auf jeden Fall Edelmetall holen können. Wenig Speedrennen gefahren

Andererseits hat Wendy selbst in diesem Winter in Sachen Speedrennen eben kaum Wettkampferfahrung – weil sie lieber auf Technik-Trainingseinheiten setzte. Einzig im Super-G von St. Anton wusste die Ybrigerin mit einem neunten Platz zu überzeugen. In der Abfahrt gibt es ausser einem 32. Platz nicht viel zu berichten. Es könnten Wendy die Sicherheit und das Selbstvertrauen für einen schnellen Super- G-Lauf in der Kombination in Cortina fehlen, um dann im Slalom noch genügend Reserven für eine Medaille zu haben.

Apropos Technik. Was ist eigentlich mit dem Riesenslalom? In dieser Disziplin hat sich Wendy Holdener in den letzten Jahren stark verbessert. In dieser Saison steckt aber unübersehbar der Wurm drin. Ausser einem achten Platz in Kranjska Gora gibt es nicht viel Positives zu verbuchen. Vielmehr scheint sie aufgrund ihres Trainingsrückstands durch ihre sechswöchige Verletzungspause grundlegend verunsichert. Ungewohnte Fahrfehler und Stürze sind das Resultat. Deshalb hat sie die WM-Qualifikationsnorm für den Riesenslalom auch nur zur Hälfte erfüllt. Es ist also nicht hundertprozentig gesichert, ob sie überhaupt am Start stehen wird. Medaillenchancen – wohl gleich null.

Teamevent aussichtsreich Am wahrscheinlichsten ist und bleibt für Wendy deshalb ein Erfolg im Teamevent, wo zwei Frauen und zwei Männer pro Nation in Parallelrennen gegeneinander antreten. Schliesslich haben ja das Schweizer Team der Frauen und der Männer im letzten und in diesem Winter eindrücklich unter Beweis gestellt, dass sie die Besten sind. Zudem ist die Unteribergerin ja eine erfahrene Teamplayerin und verfügt über grosse Routine. Sie fühlt sich im Mannschafts-Parallel-Wettbewerb deutlich wohler als im Einzel- Parallelrennen – das ja auch auf dem Programm steht. In dieser Disziplin wird sich die Unteribergerin, die heuer in Lech bloss auf Platz 20 gefahren ist, aber in Cortina nicht viel ausrechnen.

Sie kann locker sein und alles riskieren Eigentlich kann Wendy Holdener trotzdem frohen Mutes an die WM fahren. Zum einen hat sie ja schon reichlich weltmeisterliches Gold gesammelt und muss sich und anderen nichts mehr beweisen. Zum anderen kann Cortina ihre bisher durchzogene Saisonbilanz aufpolieren – durch weiteres Edelmetall.

Denn nur Medaillen zählen bei einer WM. Ob sie vierte, fünfte, sechste oder wievielte wird, interessiert auf ihrem Niveau niemanden mehr. Sie kann deshalb voll auf Angriff fahren. Nach dem Motto: No risk, no fun. Vielleicht leuchtet es dann am Ende des Tages sogar im Slalom bei ihr grün auf.

Wieder bereit zum Angriff: Wendy Holdener hat sich vor der WM zu Hause erholt. Foto: Instagram

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