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«Wir müssen diese Krise managen»

«Wir müssen diese Krise managen» «Wir müssen diese Krise managen»

Der neue BSZ-Geschäftsführer Rolf Müller ist seit dem Start nicht zuletzt wegen Covid-19 gefordert.

SILVIA CAMENZIND

Sie sind seit letztem Jahr CEO der BSZ Stiftung. Wie verlief der Start? Ich wurde im November 2019 gewählt. Seit Januar hatte ich einen Jour fix für die BSZ Stiftung. Dies gab mir die Gelegenheit, den Betrieb kennenzulernen. Wie war es, als Sie dann vor Ort als Geschäftsführer der BSZ starten konnten? Es war ein schönes Ankommen. Ich bin vielen spannenden Menschen begegnet, die hier arbeiten und sich für das Anliegen der Stiftung einsetzen.

Was war speziell?

Die Du-Kultur, die man pflegt, im Kanton und in der Stiftung. Das macht es mir als Basler einfach, in Kontakt zu kommen. Das betrifft nicht nur die Stiftung selber. Solange es coronabedingt noch möglich war, habe ich relativ rasch interessante Menschen kennengelernt, zum Beispiel Alois Gmür als Präsident von Netzwerk Arbeit oder Andreas Dummermuth als Leiter der IV-Stelle. Das sind engagierte Leute, die Gutes wollen. Was schätzen Sie an der BSZ Stiftung? Zuvor leitete ich in Basel während 17 Jahren eine Einrichtung in einer ähnlicher Grösse wie der Wohnbereich der BSZ Stiftung. Es gibt ein paar Eckwerte, die ich sehr schätze: die Grösse und die Position innerhalb des Kantons Schwyz als drittgrösste Arbeitgeberin, die unterschiedlichen Bereiche – Integration, Arbeit und Wohnen. Das ist für mich thematisch eine Bereicherung. Dann der Kanton Schwyz selber, der nicht vorschnell in eine Richtung gerannt ist und sich in der ganzen Entwicklung der Behindertenhilfe Zeit genommen hat.

Was hat Sie überrascht?

Überrascht hat mich das Thema Innerschwyz und Ausserschwyz. Es sind zwei Welten. Ich komme ja aus einer Gegend mit zwei Halbkantonen, Basel-Stadt und Basel-Land, und war überrascht, dass diese Trennung auch innerhalb eines Kantons vorhanden ist. Ich hatte einen kleinen homogenen kompakten Kanton erwartet. Entsprechend habe ich dies auch von der BSZ Stiftung erwartet. Doch es gibt unterschiedliche Kulturen. Es ist ein Unterschied, ob man in Schübelbach, Schwyz oder Steinen arbeitet. Gibt es Bereiche oder Abläufe, die Sie optimieren können? Ich bin Vizepräsident von Curaviva Schweiz, dem nationalen Heimverband, und habe die Fachkonferenz für Menschen mit Beeinträchtigung geleitet. Das hat mir die Möglichkeit gegeben, über die gesamte Schweiz zu schauen. Mit diesem Rucksack bin ich zur BSZ Stiftung gekommen. Die Heterogenität, die Struktur, die ich angesprochen habe, hat zur Folge, dass alle alles machen. Das ist kompliziert und aufwendig. Wir müssen in Zukunft stark in Kompetenzzentren denken. Wir müssen schauen, wo wir was machen. Wo sind wir ein kompetenter Partner in der Auftragserfüllung? Das ist mein grundsätzlicher Ansatz. Zusammen mit der Geschäftsleitung und dem Stiftungsrat müssen wir eine Strategie zur Umgestaltung entwickeln. Wo können Sie Ihre bisherigen Erfahrungen sonst noch einbringen?

In interessanten Gesprächen mit allen Akteuren, ob mit dem Stiftungsrat, mit Regierungsrätin Petra Steimen, mit Roland Wespi, Vorsteher des Amtes für Gesundheit und Soziales, oder mit der IV-Stelle, weiss ich: Ich habe diesen Rucksack und kann den Bogen grösser spannen. Wir müssen nichts erfinden. Wir müssen hinschauen und tragfähige Entwicklungsschritte miteinander machen. Wie gehen Sie im Geschäftsalltag mit Covid-19 um? Wie sehr erschwert die Pandemie Ihren Alltag? Unter diesen Bedingungen ist es nicht einfach, einen neuen Job anzufangen. Konstant werden Sitzungen abgesagt, die wichtig wären für die Auseinandersetzung. Wir konnten einen Führungstag nicht durchführen. Wir realisierten stattdessen Videos und stellten sie den Führungskräften zur Verfügung. Für das Fachpersonal wie auch für die Klienten ist es eine gewaltige Herausforderung, und das auf allen Ebenen. Im Moment müssen wir einfach diese Krise managen.

Werden die neuen Schnelltests Ihren Alltag erleichtern? Mit dem Schnelltest können wir nicht die Nähe des Kontakts verändern. Wer in der Pflege arbeitet, ist nahe. Man kann sie nicht ins Homeoffice verlegen. Das ist unlösbar. Als Institution arbeiten wir sehr eng und gut mit dem Kantonsarzt und der Kantonsapothekerin zusammen. Der Lead ist dort. Der Schnelltest wäre ein weiteres Mittel in all den vielen Massnahmen, die wir im Moment ergreifen, um mit der Krise klarzukommen. Der Wunsch ist, dass wir zur Normalität zurückkehren können. Der Schnelltest kann dies unterstützen. Wir dürfen aber keine falschen Erwartungen haben.

Die BSZ Stiftung hat 1070 Mitarbeitende (Angestellte und Klienten). Wie viele sind von Covid-19 betroffen? Stand Ende Oktober wurden 65 Personen positiv auf Covid-19 getestet. Sechs Leute waren in Isolation, zwei Standorte unter Quarantäne. Zwischenzeitlich kamen viele Klienten nicht zur Arbeit. Da stellt sich die Frage, wie wir unsere Aufträge aufrechterhalten und die Fristen einhalten können. Vieles war zudem auch für uns Neuland. Ein Beispiel: Wie muss man das Zimmer putzen nach einer Isolation? Da sind wir froh um die Unterstützung des Kantons. Wir haben ständig neue Anforderungen, mit denen wir klarkommen müssen. Wir versuchen, proaktiv zu handeln. Die letzte Aufsichtskontrolle des Kantons ergab ein sehr positives Resultat.

Gab es wegen Covid-19 Personalmangel?

An einem Standort laufen wir an der Limite. Die Mitarbeitenden vor Ort lassen bestehende Strukturen hinter sich und machen, was sie können. Man kann nicht genug wertschätzen, wie viel persönliches Engagement eingebracht wird. Wie erleben Sie die Menschen mit Beeinträchtigung in dieser Situation, wenn sie nicht nach draussen dürfen, wenn ihnen die Nähe fehlt? Es ist dieselbe Bandbreite wie bei Menschen, die nicht beeinträchtigt sind: Angst, Unverständnis, Akzeptanz. Das ist kein Unterschied. Unsere Klientinnen und Klienten sind routiniert im Akzeptieren, dass sie fremdbestimmt werden. Sie sind sich gewohnt, dass eine neue Mitarbeiterin auftaucht, weil die Vorgängerin gekündigt hat. Meine Erfahrung zeigt, die Menschen haben viel Kompetenz im sich Anpassen an Situationen, die sie nicht bestimmen können. Unsere Herausforderung ist dabei, das nicht vorschnell zu akzeptieren, sondern die Person und ihre Bedürfnisse in die Veränderungen mit einzubeziehen, nur so geht Integration. Wie klappt es mit dem Abstandhalten, mit den Hygieneregeln? Bei Menschen mit starken Beeinträchtigungen sind Regeln nicht umsetzbar, das ist die Herausforderung für das Personal. Masken werden gar nicht getragen oder aus dem Gesicht gerissen. Verordnungen helfen ihnen nicht, weil sie diese nicht antizipieren können.

Schlägt Corona auf die Psyche, beim Personal, bei Mitarbeitenden und bei Bewohnern? Wir sind keine Insel. Die einen haben Angst, andere haben das Gefühl, was wir zur Verfügung haben, genüge nicht. Wiederum andere finden es überhaupt nicht schwierig. Wir dürfen nicht unterschätzen: Diese Krise wird nicht spurlos an uns Menschen vorbeigehen. Noch können wir nicht abschätzen, was sie mit uns macht. Die Räumlichkeiten in Steinen sind neu. Hat die BSZ Stiftung jetzt genügend Platz? Beim Bau war man nicht auf Corona vorbereitet. Wir müssen mit den klassischen Massnahmen wie Plexiglasscheiben und so weiter arbeiten. Und grundsätzlich? Wie sieht der Raumbedarf aus? In allen Betrieben? Gibt es neue Engpässe?

Die Komplexität der Begleitungsaufgaben in den Institutionen steigt. Da hinken wir mit der Infrastruktur immer hintennach. Auch der Arbeitsbereich ist in einem starken Wandel.

Zum Beispiel?

Wenn immer mehr Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden – was wir unterstützen – entfallen sie bei uns. Arbeitsabläufe müssen kurzfristig abgeändert werden, ohne an agogischem Wert einzubüssen. Wirkt sich die Pandemie auch auf die Auftragslage aus? Im Restaurant Pluspunkt in Brunnen waren wir nach dem Lockdown im Frühling sehr gut unterwegs, doch auch da spüren wir jetzt die fehlenden Weihnachtsund Familienessen zum Jahresende hin. In der Produktion können wir dank mehrerer Produktionsstandorte und dem Engagement der Leute die Termine einhalten. In der Logistik sind wir in Abhängigkeiten. Kommt das Material nicht an, geht es uns wie allen anderen Unternehmen.

Wenn immer möglich kommt Rolf Müller, der neue CEO der BSZ, mit dem Velo zur Arbeit.

Foto: Silvia Camenzind

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