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«Und täglich grüsst das Murmeltier»

«Und täglich grüsst das Murmeltier» «Und täglich grüsst das Murmeltier»

Der Einsiedler Arzt Antoine Chaix schaltet sich ein weiteres Mal in die Covid-Debatte ein

Antoine Chaix vermisst innovative Ideen zur Bewältigung der Corona-Krise. Der EA veröffentlicht Auszüge seines neuesten Schreibens.

ANTOINE CHAIX

Am 20. März 2020 habe ich einen Brief an Bundesrat Alain Berset geschrieben, in dem ich meine Gefühle, Gedanken und Bedenken im Rahmen der Covid-19-Krise äusserte (EA 28/20). Trotz neuer Erkenntnisse über diesen Virus und dessen Krankheitsbild und nun bald einem Jahr Verlauf hat sich an meinen grundlegenden Kritikpunkten leider nur wenig geändert.

Die neue Mutation: Bitte nicht zurück auf Feld eins! 1993 kam der Film «Und täglich grüsst das Murmeltier» mit Bill Murray als unausstehlichen Meteorologen in die Kinos. Dabei erlebt er tagein, tagaus den gleichen Tag seines Lebens, bis er endlich grundsätzlich etwas an sich und seinem Leben ändert. Genau so kommt mir die jetzige Situation vor: Erste Welle: strenge Massnahmen. Zweite Welle: wieder strenge Massnahmen. Neue Mutation: noch strengere Massnahmen? … Es ist tatsächlich an der Zeit, aus diesem Film herauszukommen, etwas zu ändern. Die Strategie muss zwingend und dringend geändert werden, die Einschränkungen müssen anderen Lösungen Platz machen!

Betriebsblindheit ist leider ein weitverbreitetes Problem. Der unvoreingenommene Blick, der Evidentes zum Vorschein bringen kann, fehlt … Und falls hoffentlich die Erkenntnis bei den Verantwortlichen endlich kommt, dass Fehler begangen wurden oder zumindest andere Wege vielleicht besser wären, dann würde dieser Kurswechsel nicht eine schlechtere, sondern eine bessere Landesregierung aus ihr machen. Impfen ist nicht die (einzige) Lösung Dass in der jetzigen Strategie (fast) alle Hoffnungen auf einer im Eilzugtempo zugelassenen, neuartigen Impfung beruhen, ist ernüchternd. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis die Erfahrungen die riesigen Erwartungen definitiv bestätigen (oder widerlegen) werden können. Es ist deshalb evident, dass dies nicht der einzige Weg aus der jetzigen Strategie sein darf. Neue Strategien müssen her!

Die aktuelle Taskforce mag aus infektiologischer und epidemiologischer Sicht mit Fachleuten gut bestückt sein, es fehlt ihr aber ganz eindeutig an Übersicht, Praxis- und Realitätsbezug sowie innovativen Ideen.

«Think out of the box!»

Es sollen Thinktanks entstehen, die Vorschläge bringen, um die Engpässe in den Spitälern kurzbis mittelfristig zu erweitern und die Alters- und Pflegeheime nachhaltig zu unterstützen, damit der Rest des Landes wieder leben kann: Crashkurse für Pflegepersonal, die sich zur Unterstützung des IPS-Personals ausbilden lassen, mobile Teams, die überforderte Altersheime im Falle eines Ausbruchs kurzfristig unterstützen, Konzepte zum Umfunktionieren von Reha-Kliniken in Covid- Zentren, Einsatzmöglichkeiten von Medizinstudenten und Schülern der Pflegeberufe auf adäquater Stufe, anstatt sie praxisfern zu Homeschooling zu verdonnern, Wiedereinsetzen von Armeeangehörigen anstatt diese gesunden jungen Leute in Selbstisolation ihre Diensttage absitzen zu lassen, als sei es Aufgabe einer Armee, einzig selber unbeschadet eine Krisenzeit zu überstehen … Ich bin sicher, dass Menschen in der Schweiz diese und noch viele andere patente Visionen angedacht haben. Bis jetzt habe ich aber leider wenig davon gesehen oder gehört.

Solche Ansätze müssen aber dringendst vorangetrieben werden, wollen wir endlich weiteren Schaden durch die aktuellen Einschränkungen verhindern. Innovation, Mut, Konsequenz

Ich glaube an die Vielfalt unseres Landes, an seine Stärken. Wir müssen uns nun aber wieder auf sie besinnen. Wir müssen differenzierter, kritischer und mutiger einen anderen Weg suchen und finden als der, der von einem totalitären Staat vorgegeben wurde. Noch haben wir die Ressourcen fachlich und finanziell, um der Welt andere Lösungen vorzuschlagen, ein anderes Beispiel zu sein. Ein Vorbild. In aller Bescheidenheit …

Antoine Chaix ist praktizierender Hausarzt unter anderem in Einsiedeln und seit 2016 SP-Kantonsrat.

Sein aktuelles Schreiben hat er an die SP-Schweiz, das EDI und ans BAG geschickt «in der Hoffnung, dass irgendjemand es auch liest und vielleicht Konsequenzen daraus zieht …».

«Alternative Ansätze dringendst vorantreiben»: der Einsiedler Arzt und Politiker Antoine Chaix.

Foto: Archiv EA

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