«Sympathisch und professionell»
Skistar Wendy Holdener tritt als Werbefigur immer erfolgreicher und vielseitiger in Erscheinung
Bei Skirennen steht Wendy Holdener in letzter Zeit seltener im Rampenlicht. In der Werbung avanciert die 27-jährige Unteribergerin dagegen zum gefragten Model. Kein Wunder.
WOLFGANG HOLZ
«Three, two, one, zero», zählt der Mann im Starthäuschen hinter ihr den Countdown herunter. Neckisch dreht sie sich um und lächelt den Mann im Starthäuschen an. «Zero», sagt dieser nochmals leicht genervt zu ihr und signalisiert, dass sie nun doch endlich losfahren solle. Doch die Skirennfahrerin nimmt noch einen letzten Schluck aus ihrem Kaffeebecher, sagt lächeld «Double Zero», bevor sie sich dann auf die Piste stürzt. «Bodenständig und ehrgeizig»
Bei der Skirennfahrerin handelt es sich natürlich um Wendy Holdener, die schon seit einigen Jahren für den Milchverarbeiter in Luzern Werbung macht. Seit der Saison 2009/10 ist die Emmi AG als Sponsor im FIS Alpin Ski Weltcup präsent. Seit der Saison 2019/20 ist die Firma Hauptsponsor von Wendy Holdener und ziert seitdem mit ihrem Logo Helm, Mütze und Cap der Skirennfahrerin. Zuvor waren lange Jahre diese Werbeflächen dem Elektrogerätehersteller Electrolux vorbehalten.
«Die Milchprodukte findet man schon sehr lange in meinem Kühlschrank. Seien es Joghurts, Caffè Lattes oder die unterschiedlichsten Käsesorten: Ich und meine Familie lieben Milchprodukte», so Wendy Holdener. Umso stolzer sei sie, den neuen Hauptsponsor an ihrer Seite beziehungsweise auf ihrem Kopf zu haben, so die dreifache alpine Ski-Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Ausserdem sei sie «bodenständig» und «ehrgeizig» – dies würde zum Image der Firma passen. Locker, lässig, selbstbewusst
Im letzten Jahr war die Unteribergerin allerdings weniger bodenständig in einer Werbung der Grossmolkerei unterwegs. Sass sie doch mit Rennanzug und Mütze in einem grossen Kühlschrank, randvoll gefüllt mit Caffè Latte – aus dem sie dann ulkig hervorgrüsste. Ein lustiger Gag – der nicht zuletzt von Wendy Holdeners Spontaneität lebt. Überhaupt. Ist man als Fernsehzuschauer von Skirennen oft verwundert über die häufig holprigen und verschüchtert wirkenden Interviews der Ybrigerin, ist man plötzlich geradezu entzückt, wenn man sieht, wie locker, lässig, selbstbewusst, ja sogar verwegen die junge Frau als «Werbe- Wendy» daherkommt. Man spürt, dass es der 27-Jährigen sichtlich Spass bereitet, im Rampenlicht zu stehen. Ja, dass es für sie ein Erlebnis zu sein scheint, in Rollenspielen zu agieren. Dabei zeigt sie unbestritten Talent.
So machen es andere Das ist nicht selbstverständlich – wenn man an andere Sportlerinnen denkt, die sich als Werbeikone versucht haben. Bei Tennis- As Martina Hingis beispielsweise merkte man vor Jahren sofort, dass ihre Werbung für V-Zug-Waschmaschinen nicht authentisch wirkte. Denn welcher Fernsehzuschauer, ja, vor allem welche Fernsehzuschauerin, nahm dem launig-kessen Teenager damals ab, tatsächlich mit Freude Hausarbeit zu verrichten. Ja, gar die eigene Tenniswäsche zu waschen.
Die aktuell schnellste Frau der Schweiz, Abfahrerin Corinne Suter, derzeit sehr erfolgreich im Weltcup, kommt in der Werbung für einen Zentralschweizer Nudelhersteller recht bieder und gediegen rüber. Lara Guts Ragusa-Spots sind da schon deutlich reizvoller – sie beweisen schokoladig- sinnlichen Humor, gewürzt mit einer Prise schmollmündigem Trotz. So richtig Lust auf Süsses empfindet man aber dennoch nicht. Und die edle Longines-Uhren-Werbung von «Slalom-Queen» Mikaela Shiffrin wirkt zwar absolut perfekt, gleichzeitig aber unnahbar und emotionslos – weil sie zu sehr auf Hochglanz getrimmt ist. «Zielstrebig und warmherzig»
Wendy Holdener wirkt unterm Strich als Model dagegen wesentlich vielseitiger und nuancenreicher und vor allem natürlicher in ihren verschiedenen Werbeauftritten. «Wendys positive, herzliche Ausstrahlung hat einen positiven Einfluss auf unser Image. Wendy passt zu uns und unseren Kunden,sie ist uns super sympathisch», schwärmte vor ein paar Jahren Peter Barandun, seit 2002 CEO von Electrolux Schweiz. Die Skifahrerin sei ihm schon vor vielen Jahren am Finale des Grand Prix Migros auf der Lenzerheide aufgefallen: «Das damals 15-jährige Mädchen strahlte Zielstrebigkeit, Professionalität, aber auch Warmherzigkeit aus.» Auch bei «Ticketcorner», dem nationalen Ticket-Anbieter, lobt man Wendy Holdener in den höchsten Tönen. «Die sympathische und erfolgreiche Skirennfahrerin ist selbst begeistert vom Produkt und verkörpert die Kernbotschaft ‹Schneller im Schnee› mit höchster Glaubwürdigkeit », so Stefan Epli, Media Relations Manager. Wendy Holdener sei für die Werbeaufnahmen von Ticketcorner energiegeladen und professionell aufgetreten und habe beim Making- of gekonnt in die Kamera gelächelt.
Die Sache mit dem Gletscher
Doch auch Wendy hat als Markenbotschafterin schon ihre Grenzen erfahren müssen. Stichwort BKW. Stichwort Klimawandel. Ihre Botschaft für das international tätige Energie- und Infrastrukturunternehmen mit Sitz in Bern – «Gemeinsam umdenken, umschalten. Damit unsere Erde auch für nächste Generationen lebenswert bleibt» – wirkte bei so manchem nicht wirklich glaubwürdig. Auch wenn die Unteribergerin in einem Werbeclip zu Fuss plakativ die Zunge eines zurückgegangenen Gletschers hochmarschierte.
Der Kommentar eines kritischen Zeitgenossen im Internet brachte es auf den Punkt: «Sorry – aber das ist Doppelmoral. Wenn wir alle einen Klimafussabdruck wie Frau Holdener hätten, würde wohl gar kein Schnee mehr fallen. Frau Holdener, fahren Sie weiter so gut Ski und machen Sie uns Schweizern Freude, aber hören Sie auf, für etwas Markenbotschafterin zu sein, was Sie nicht leben.» Bei dem Luzerner Milchverarbeiter Emmi scheint Wendy Holdener dagegen alles richtig zu machen. Seit der Saison 2016/2017 besteht eine Werbepartnerschaft. «Der Absatz ihrer aktuellen Produktlinie läuft sehr stark», berichtet Pascal Mühlheim, Sponsoringchef bei Emmi. Der grösste Vorzug der Unteribergerin in ihrer Werbewirkung sei, dass sie sich stets authentisch zeige. «Wendy ist nicht künstlich, sie verstellt sich nicht. Gleichzeitig ist sie ehrgeizig, erfolgreich, und hat eine sympathische Ausstrahlung», so Mühlheim. Das komme bei den Käufern gut an. Nicht zuletzt sei sie in der Zentralschweiz verwurzelt. Und was ist Emmi Wendys Werbeeinsatz wert? «Dazu kann ich nichts sagen», meint Mühlheim. Aber Wendy Holdener gehöre im alpinen Skizirkus sicher zu den wenigen Athletinnen, die gut dotiert seien.
«Wendy ist nicht künstlich, sie verstellt sich nicht.»
Pascal Mühlheim, Emmi AG
Für die Werbung Modell zu stehen macht Wendy sichtlich Spass: Hier bei der Vorbereitung für den Werbespot eines Ticketing-Portals. Fotos: Video-Screenshots
Ulkig, kultig, aber nicht unumstritten: Wendy im Kühlschrank.
Verwegen: In der Gischt eines Elektrogeräteherstellers.
Fast wie sozialistischer Realismus: Wendy für den Energiewandel.