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«In der katholischen Kirche sind die Getauften alle gleich»

«In der katholischen Kirche sind die Getauften alle gleich» «In der katholischen Kirche sind die Getauften alle gleich»

Das Referendum gegen das Ausländerstimmrecht löst besorgte Fragen aus. Die Urnenabstimmung kostet 200’000 Franken und soll womöglich im Juni über die Bühne gehen. Lorenz Bösch, Präsident der katholischen Schwyzer Kantonalkirche, nimmt Stellung und steht Red und Antwort.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommt das Referendum bei Ihnen an?

Ein Referendum zu ergreifen ist ein demokratisches Recht. Und es lag bei diesem Thema in der Luft. Wäre es gescheiter gewesen, die Vorlage von sich aus an die Urne zu bringen? Es liegt im Ermessen und in der Verantwortung des Kantonskirchenrates, diese Frage zu entscheiden. Die auslösende Motion wurde bereits klar angenommen. In der Vernehmlassung fand das Anliegen bei den Kirchgemeinden eine klare Unterstützung. Unter diesen Umständen gab es keinen Grund, dass der Kantonskirchenrat freiwillig seine Entscheidungskompetenz beschnitt und die Vorlage von sich aus dem Volksentscheid unterstellte.

Ist es demokratiepolitisch bedenklich, dass vierzig Kantonskirchenräte entscheiden statt das ganze Kirchenvolk? Dass nur vierzig der sechzig Kantonskirchenräte anwesend waren an jener Session, an der über das Stimmrecht für Katholiken ohne Schweizer Bürgerrecht entschieden wurde, war dem Coronavirus geschuldet. Der Kantonskirchenrat war jedoch beschlussfähig. Auch bei vollständiger Anwesenheit der Mitglieder hätte sich am grundsätzlichen Entscheid des Parlamentes kaum etwas geändert. Die Abstimmungen im Kirchenparlament waren klar und eindeutig, und der Entscheid liegt nach der Verfassung der Kantonskirche in der Kompetenz des Kantonskirchenrates. Diese repräsentieren als gewählte Vertreter das Kirchenvolk.

Die Opponenten fordern, dass jede Kirchgemeinde selber entscheiden soll, ob sie das Stimmund Wahlrecht einführen soll. Was halten Sie davon? Es würde ein unübersichtlicher Flickenteppich drohen, wenn in jeder Kirchgemeinde andere Regeln zum Stimm- und Wahlrecht gelten würden. Insbesondere bei kantonalen Abstimmungen könnte dies zu Unsicherheiten und Unklarheiten führen. Klare einheitliche Regeln stärken die Transparenz von Wahlen und Abstimmungen. Auch das Stimmrechtsalter ist einheitlich geregelt.

Das Referendumskomitee moniert, dass Ausländer «unliebsame Entscheide an schlecht besuchten Kirchgemeindeversammlungen » bewirken könnten. Ficht Sie das an? Man hört dieses Argument auch ab und zu bei Gemeindeversammlungen, wenn eine Vereinslobby einen Entscheid zu ihren Gunsten bewirken will. Ich halte dieses Argument aber als wenig zutreffend. Niedergelassene Katholiken ohne Schweizer Bürgerrecht haben auf der Ebene der Kirchgemeinden wohl kaum derart spezifische Gruppeninteressen, dass das eine Gefahr sein könnte. In der Kompetenz der Kirchgemeinden stehen vorwiegend Geschäfte, die von allgemeinem Interesse sind. Zudem müssten sich die Schweizer Katholiken dann auch die Frage stellen lassen, wieso sie nicht an Kirchgemeindeversammlungen teilnehmen. Niedergelassene Katholiken ohne Schweizer Bürgerrecht bilden zudem ohnehin eine Minderheit unter den Stimmberechtigten.

Kritisiert wird zudem, dass Ausländer einen Sonderzug fahren wollen und Rosinenpickerei betreiben würden. Im Fokus haben die Gegner die Seelsorge in andern Sprachen. Dem Komitee sind diese Angebote offenbar ein Dorn im Auge. Gerade in der Seelsorge ist der Austausch in der Muttersprache – die Sprache der Gefühle – ab und zu wichtig. Wir erleben es ja selbst bei anderssprachigen Seelsorgern, dass die Berührung nicht die gleiche ist. Für eine Seelsorge nahe bei den Bedürfnissen der Gläubigen ist die anderssprachige Seelsorge deshalb wichtig. Im übrigen sind die Aufwendungen für diese Seelsorge durch das Steueraufkommen von Katholiken ohne Schweizer Bürger mehrfach gedeckt.

Was sind Ihre Argumente für das Stimmrecht für Ausländer? In der katholischen Kirche sind die Getauften vor Gott alle gleich. Es geht nicht um eine staatspolitische Frage. Es geht um einen kirchenpolitischen Grundsatz: Als Getaufte oder Getaufter wird man «Bürger» der katholischen, weltumspannenden Kirche. Die Katholiken ohne Schweizer Bürgerrecht zahlen Kirchensteuern: Wer noch nicht über die Niederlassung C verfügt, wird an der Quelle besteuert. Verfügen sie über die Niederlassung C – Voraussetzung für das Stimm- und Wahlrecht –, füllen sie wie die Schweizer Katholiken eine Steuererklärung aus. Deshalb soll in der katholischen Kirche, wer Steuern zahlt und niedergelassen ist, auch stimmen und wählen dürfen. Wir sollten diesem Prinzip endlich zum Durchbruch verhelfen. Wir haben kein Interesse daran, wenn an sich gläubige Menschen der Kirche den Rücken kehren, weil sie sich nicht miteinbezogen fühlen. Damit ist niemandem gedient. Zudem beschäftigen wir auch immer mehr Katholiken und Katholikinnen ohne Schweizer Bürgerrecht in der Seelsorge (Priester, Katechetinnen und Katecheten, Freiwillige). Wenn sie sich bei uns eingelebt haben, sollen sie sich doch auch aktiv über das Stimmund Wahlrecht in die Kirchgemeinde einbringen können.

Werden Sie eine breite Kampagne fahren?

Am 20. Januar wird geklärt, ob das Referendum formell zustande gekommen ist – was zu erwarten ist. Zu diesem Zeitpunkt soll auch entschieden werden, an welchem Wochenende die Vorlage zur Abstimmung kommt.

Ärgert es Sie, dass eine solche Urnenabstimmung mit hohen Kosten verbunden ist? Die Gesamtkosten dürften insgesamt etwa 200’000 Franken betragen. Für die Kantonalkirche kostet die Abstimmung wohl rund 40’000 Franken. Zudem muss man zwei bis drei Franken Kosten pro stimmberechtigten Katholik zu Lasten der Kirchgemeinden rechnen. Es ist klar, das Ausüben von politischen Rechten ist mit Kosten verbunden. Das soll einen nicht ärgern, es muss einem einfach bewusst sein. Befürchten Sie einen Imageschaden für die Schwyzer Landeskirche, wenn die Vorlage ein drittes Mal Schiffbruch erleidet?

Fakt ist: Es ist kaum begründbar, weshalb man in der katholischen Kirche Gläubigen ohne Schweizer Bürgerrecht, die sich hier niedergelassen haben, das Stimm- und Wahlrecht dauerhaft vorenthalten soll. Ich kann mir vorstellen, dass betroffene Gläubige dafür wenig Verständnis aufbringen können. Da sind andere Kantons- und Landeskirchen tatsächlich seit längerem weiter.

Lorenz Bösch, Präsident des kantonalen Kirchenvorstands: «Es ist kaum begründbar, weshalb man in der katholischen Kirche Gläubigen ohne Schweizer Bürgerrecht das Stimm- und Wahlrecht dauerhaft vorenthalten soll.» Foto: zvg

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