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«Der Bezirk wollte keinen Aktionismus; das hätte nur noch mehr verwirrt»

«Der Bezirk wollte keinen Aktionismus;  das hätte nur noch mehr verwirrt» «Der Bezirk wollte keinen Aktionismus;  das hätte nur noch mehr verwirrt»

Der Bezirksrat konzentrierte sich im Coronajahr 2020 auf seine Kernaufgabe. Eine Pandemie kann man nicht lokal bewältigen, sagt Bezirksammann Franz Pirker im Gespräch zum Jahreswechsel.

VICTOR KÄLIN

22. Dezember 2020: Am Tag 1 nach der amtlich verordneten Restaurantschliessung herrscht Nüchternheit: Bezirksammann Franz Pirker bittet im Rathaus ins schmucklose Genossenzimmer, reicht eine Pet-Flasche (ohne Glas), und wartet auf die Fragen des Journalisten. Firlefanz ist seine Sache nicht. Das tut dem Gespräch nur gut.

«Mit Respekt in die neue Legislatur»

Obwohl als Bezirksrat «ein alter Hase», gesteht er, Respekt vor der neuen Legislatur gehabt zu haben. Zwei neue Bezirksräte und ein neuer Landschreiber erachtet er noch immer als «Herausforderung ». Ein halbes Jahr später bilanziert er erleichtert, den Start gut gemeistert zu haben. Ein funktionierendes Team ist zentral für ihn. Nicht dass er Diskussionen scheut («da können schon ’mal die Fetzen fliegen »); doch soll es sich um die Sache drehen, und nicht um die Person.

Was gibts sonst noch an persönlichen Höhepunkten in einem Jahr, das eigentlich gar nicht so richtig stattgefunden hat? Die Rettung des Spitals sei «extrem wichtig» gewesen, wobei Franz Pirker die medizinische Grundversorgung und die volkswirtschaftliche Bedeutung hervorstreicht. Das Spital sei ein «entscheidender Standortvorteil », notabene einer der wenigen, wofür Einsiedeln auch wirklich etwas könne.

Der Rest sei mehrheitlich geschenkt: gute Luft, schöne Landschaft und ein lebendiges Dorf … «Doch halt, da helfen wir Einsiedler schon ein wenig nach.» Die Freude an einem vielfältigen Einsiedler Jahreskalender ist nicht gekünstelt: Ob Franz Pirker als Bezirksammann oder als gewöhnlicher Bezirksbürger irgendwo anzutreffen ist (und das ist er oft), merkt man, dass er gerne dabei ist. Er ist ein nahbarer Politiker und zudem ein schalkhafter Charakter: Keine Bezirksgemeinde ohne Bonmot, wie jüngst Mitte Dezember, als er die Anwesenden aufforderte, corona-like nicht zum Saal hinauszustürmen, sondern gestaffelt. Die Raucher doch bitte zuerst!

«Ich stelle eine Spaltung in zwei Lager fest» Natürlich gibts keinen Rückblick ohne Corona. Auch hier drückt Pirkers Pragmatismus durch. Der Bezirksrat habe versucht, «nicht in Aktionismus zu verfallen und die Leute noch mehr zu verwirren». Eine Pandemie könne man ohnehin nicht lokal bewältigen. Die Entscheide würden dort gefällt, wo sie gefällt werden müssen. «Und für den Rest», so Pirker, «haben wir unseren Bezirksführungsstab. Die Arbeit haben wir den Profis übergeben. Das hat sich bewährt.» Sorgen bereiten ihm hingegen die gesellschaftlichen Spannungen. «Ich stelle eine Spaltung in zwei Lager fest», bedauert Pirker. Jene, welche Vertrauen in Politik, Wissenschaft und Medien hätten und versuchten, die schwierigen Massnahmen mitzutragen, und jene «Querdenker, zu denen man keinen Zugang mehr findet».

Für Sorgen und Nöte bringt der Bezirksammann Verständnis auf: «Auch ich leide darunter, wenn man ganze Schulen schliesst, Besuchsverbote verhängt, Familien allein zu Hause lässt und massiv in die Wirtschaft, ins lokale Gewerbe eingreift. » Selbst im Ratsbetrieb war Corona spürbar: «Die Kollegialität leidet, wenn das gemeinsame Essen nach den Sitzungen entfallen muss – und damit ein wichtiger Ausgleich verschwindet. » So sind seine Gedanken gerade in diesen Tagen bei jenen Menschen, denen es «gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich schlecht geht». Die Gesundheitsinstitutionen und die Sozialabteilung würden zwar «ausgezeichnete Arbeit leisten, doch aller funktionierenden Strukturen zum Trotz ist und bleibt die Situation schwierig».

«Im nächsten Jahr wird wieder mehr möglich sein»

Mit der «mir angeborenen Zuversicht schaue ich dem neuen Jahr entgegen», meint Franz Pirker. Doch auch er weiss, dass weiterhin Durchhaltewille gefragt ist. Er ist aber überzeugt, dass sich die Lage nach und nach beruhigen wird und «wir wieder ein freudvolleres Leben führen können: Im nächsten Jahr wird mehr möglich sein – und damit kehrt die Freude in die Gesellschaft zurück».

Bezirksammann Franz Pirker zündet in der Jugendkirche eine Kerze an: «Für all jene, welche wegen Corona derzeit grosse Sorgen haben. Eine Kerze gibt nicht nur Licht und Raum, sondern auch Wärme. Ich kenne das von meinem Grossvater und von meinem Vater und jetzt auch mit meinem achtjährigen Sohn: Bei Sorgen geht man in die Kirche eine Kerze anzünden.» Foto: Victor Kälin

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