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«Schreiben ist für mich das Wichtigste»

«Schreiben ist für mich das Wichtigste» «Schreiben ist für mich das Wichtigste»

Schriftsteller Thomas Hürlimann zu seinem 70. Geburtstag im Fernsehen in SRF Kultur

An seinem 70. Geburtstag gab sich Thomas Hürlimann, Welttheater-Autor und Schriftsteller mit Einsiedler Wurzeln, im Fernsehen die Ehre.

WOLFGANG HOLZ

Er war bestens gelaunt. Er sah sehr vital aus. Er war gesprächig und unterhaltsam: Schriftsteller Thomas Hürlimann ging es sichtlich wohl an seinem 70. Geburtstag. Und das obwohl die einstündige Sendung Sternstunde Religion in SRF am vergangenen Sonntag, zu der ihn Moderatorin Olivia Röllin eingeladen hatte, eigentlich einen Tag vor seinem Geburtstag aufgenommen wurde. Doch das war kein schlechtes Omen. Plüschiges Kätzchen-Ambiente

Die Fernsehzuschauer erlebten am Sonntagmorgen eine intellektuelle und espritvolle «Tour d’Horizon», die sich von Hürlimanns schriftstellerischem Schaffen über seine traumatischen Erfahrungen als Schwerkranker auf dem Operationstisch bis zu Jugenderlebnissen im Kloster Einsiedeln spannte.

Dabei sorgte die SRF-Moderatorin sogar zwischendurch für ein üppig plüschiges Ambiente mit zahlreichen Stofftigern und Schmusekätzchen auf dem Tisch, als sie von Hürlimann wissen wollte, warum er eigentlich so in Katzen vernarrt sei. Stichwort: «Abendspaziergang mit einem Kater ». Stichwort: «Der grosse Kater ». Hürlimann lieferte daraufhin anekdotische Einblicke in seine kryptodialogischen Spaziergänge mit seinem Kater Mufti.

Die Sache mit den Bleistiftstummeln Das wichtigste Statement Hürlimanns war wohl sein Bekenntnis zur Literatur: «Das Schreiben ist für mich das Wichtigste», sagte er. Wobei er verriet, dass er stets mit kleinen Bleistiftstummeln eine erste Niederschrift seiner Werke vollführe. «Diese sind quasi die Verlängerung meiner Hände», so der Autor, der ja wieder in seiner Zuger Heimat lebt, in Walchwil, in einem ehemaligen Fährhaus direkt am Zugersee. Hürlimann kreist ja in seinen Büchern thematisch oft um seine Familie, seine Herkunft und sein Leben. Vor Jahren schwer an Krebs erkrankt, hat er im Schreiben Kraft gefunden und verarbeitet die dramatische Lebensbedrohung immer wieder zu Literatur.

Die Gretchenfrage

Am spannendsten entwickelte sich die Konversation zwischen dem renommierten Schweizer Schriftsteller und Olivia Röllin, als es wirklich um die Gretchenfrage ging. Sprich um die Religion, die ja in seinen Werken immer wieder eine Rolle spielt. Und um das Verhältnis Hürlimanns zum Überirdischen.

Als Klosterschüler in Einsiedeln gründete der Sohn des früheren CVP-Bundesrats Hans Hürlimann bekanntlich einen Atheistenclub – heute verteidige er, so Röllin, das Gipfelkreuz und plädiere für die lateinische Messe.

Von Liebe und Leiden Es sei für sie als Klosterschüler damals, mönchisch in Kutte gewandet, so Hürlimann, geradezu eine «Explosion» gewesen, konfrontiert zu werden mit säkular-sinnlichen Revolutionen wie dem Minirock, den Beatles und den Stones. Doch sein pubertärer Widerstand gegen die Macht des Katholizismus und sein späterer 68er-Flirt mit dem marxistischen Sozialismus hätten sich bald wieder gewandelt. Zunächst durch die Liebe. Wer eine Frau anhimmle, könne dies nicht ohne «metaphysische Antennen» tun. In den letzten Jahren wiederum spürte Hürlimann durch seine körperlichen Leiden und seine medizinisch- transzendentalen «Lazarus- Erlebnisse» – dass es auf der anderen Seite des Lebens wohl noch etwas anderes gebe. Dass sich eine «Pforte» öffne.

Europa als Vorderasien?

Den Verlust des Einflusses der Religion auf die moderne Gesellschaft vermochte indes auch der Schriftsteller nicht zu erklären. «Früher waren alle drei Zuger Kirchen bei den Gottesdiensten voll – jetzt sind sie fast leer. Dabei ist das westliche Abendland, also Europa, ohne das Christentum und die griechische Antike nicht mehr als eine vorderasiatische Halbinsel.»

Thomas Hürlimann vergangenen Sonntag im Fernsehen. Foto: zvg

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