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Ein ganzes Meer von Walhaien für Kambodscha

Ein ganzes Meer von Walhaien für Kambodscha Ein ganzes Meer von Walhaien für Kambodscha

Die Kindergärtnerin Brigitte Lussi unterstützt eine Schule in einem der ärmsten Länder der Welt.

Es vergeht kein Tag, an dem ihre Gedanken und ihr Herz nicht in Siem Reap, Kambodscha, weilen. Wegen Corona bleibt es momentan leider nur auf diese Weise dabei, doch findet zum Glück die finanzielle Hilfe den Weg in dieses extrem arme Land Asiens.

MARLIES MATHIS

Ein unerklärliches Gefühl hat die Eggerin Brigitte Lussi gepackt und nicht mehr losgelassen, als sie vor knapp zwei Jahren in Siem Reap, im Norden Kambodschas, auf einer Ferienreise aus dem Flugzeug ausgestiegen und den Fuss auf dieses Land gesetzt hat. Es war, als habe sie gespürt, dass sie dort angekommen sei, wo sie sich daheim fühle.

Der Zufall, wie es das Wort «zufallen» ausdrückt, wollte es wohl, dass sie und ihr Mann von einem jungen enthusiastischen Führer empfangen wurden, zu dem sich von der ersten Minute an ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entwickelte, das bis heute aufrechterhalten geblieben ist. Dieser junge Familienvater kam all ihren Bedürfnissen entgegen, unter anderem organisierte er auch Schulbesuche, welche die engagierte Kindergärtnerin aus persönlichem Interesse in jedem Land macht, und es ergab sich manches vertiefte Gespräch, soweit das von der Sprache her möglich war.

Auf ins Abenteuer

Wieder zu Hause am Sihlsee kehrten ihre Gedanken stets von Neuem an diesen Ort zurück, und eine innere Unruhe, Sehnsucht und Suche nach etwas noch nicht konkret Fassbarem veranlasste sie, Ende Mai 2019 wieder nach Kambodscha zurückzukehren, diesmal ganz allein, mit Rucksack und einem Koffer voller Hilfsgüter aller Art. Kaum in Siem Reap gelandet, waren dieses unbeschreibliche Gefühl und die Ruhe wieder da, und dank desselben einheimischen Führers konnte sie so richtig ins Leben in Kambodscha, das den Touristen im Normalfall verborgen bleibt, eintauchen. Ebenso erfüllte er ihren Wunsch, für sie eine Schule zu finden, die es verdient, unterstützt zu werden.

Etwas ausserhalb der Stadt Siem Reap, die vielen Schweizern wohl durch das Engagement von Doktor Beat Richner ein Begriff ist, lernte Brigitte Lussi den Schulleiter Sophean kennen, der erkannt hatte, dass Bildung und speziell die englische Sprache das Tor zur Zukunft bilden. So bietet er mit rund zehn Lehrpersonen Unterricht in seiner vom Staat nicht unterstützten Privatschule mit überschaubaren Klassengrössen und entsprechend lernfreundlicher Umgebung in einfachen Holzhütten an. Dies jeweils nach dem Unterricht an der öffentlichen Schule, welcher oft nur halbtags, in Klassen von über 50 Schülern und nur in einheimischer Sprache stattfindet.

In drei Schichten werden Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 18 Jahren in Englisch, Sport und Informatik unterrichtet. Symbolisch müssten die Kinder einen Dollar pro Monat dafür bezahlen, doch kann sich dies kaum ein Drittel aller Schüler leisten, aber auch die Lehrpersonen verdienen eigentlich nichts, sodass die Fluktuation logischerweise enorm ist. Ein kleiner Erlös für die Schule wird immerhin durch den Anbau und Verkauf von Gemüse auf dem schuleigenen Gelände erwirtschaftet.

Die 50-jährige Eggerin, die dieselbe Philosophie vertritt wie der Schulleiter, welcher übrigens noch als Nachtwächter arbeitet, um über die Runden zu kommen, fühlte sich sogleich am richtigen Ort. Genau hier wollte sie sich einsetzen, und sie freute sich, wenn immer möglich für einige Wochen im Jahr tatkräftig mitzuarbeiten.

Eine kreative zündende Idee Bereits war im Frühling 2020 die nächste Reise nach Kambodscha gebucht, als für Brigitte Lussi mit dem Lockdown eine Welt zusammenbrach. Ihr Ziel rückte wortwörtlich in weite Ferne, und sie habe wie eine Art Liebeskummer verspürt, versucht sie ihre Gefühle in Worte zu fassen. Doch wer die begeisterte und aktive Kindergärtnerin kennt, weiss, dass sie nicht so schnell aufgibt und stets nach einer praktikablen und soweit als möglich befriedigenden Lösung sucht, so auch in dieser Lage.

Besonnen auf ihre kreative Leidenschaft, das Nähen, stach ihr auch hier wieder per «Zufall » im Internet ein Schnittmuster eines Walhais ins Auge. Dieser Fisch existiert wirklich und er schwimmt gar vor der Küste Kambodschas. «Das ist es!», war ihr erster Gedanke und sofort begann sie, mit den buntesten Stoffen die ersten Exemplare von Walhaien, die als Stifteetuis zu gebrauchen sind, anzufertigen und die Bilder davon im WhatsApp zu veröffentlichen.

Die Idee schlug wie eine Bombe ein, und von überallher kamen Bestellungen herein, sodass innert Kürze ein Schwarm einmaliger Walhai-Unikate verkauft war. Nach Abzug der Materialkosten konnte sie schon nach kurzer Zeit das erste Geld nach Siem Reap schicken. Unterdessen sind es jeden Monat einige Hundert Franken, die von Egg in Kambodscha ankommen und damit einerseits Schulmaterialien gekauft und andererseits Löhne der Lehrpersonen bezahlt werden können, so dass sich erfreulicherweise auch in dieser Beziehung eine Kontinuität ergibt.

Der Traum bleibt

Dass das Hobby Nähen mit dem Ziel der Unterstützung schon fast eine Sucht im positiven Sinne geworden ist, zeigt sich allein daran, dass Brigitte Lussi inzwischen nach der Arbeit durchschnittlich fünf Stunden am Tag an der Nähmaschine sitzt, aber vom Stoff her eigentlich kein Walhai dem anderen gleicht, da sie sich sofort langweile, wenn sie zweimal den gleichen Fisch gestalte, wie sie lachend meint.

So habe sie aus der Not eine Tugend gemacht und nähe unterdessen auch sogenannte Popups, die man auf ihrer Website anschauen könne, oder attraktive Maskenetuis, die ebenso als Necessaires dienen können und logischerweise ebenfalls alles Einzelanfertigungen sind.

Doch bleibt natürlich ihr Wunsch, sobald als möglich wieder nach Kambodscha zu reisen und irgendwann ihren grössten Traum, ein Kinderhaus in Zusammenarbeit mit einheimischen Frauen, einen Mittagstisch und gar eine Tagesbetreuung zu verwirklichen, stets im Fokus.

Spendenkonto: padlet.com/brigittelussi/ hahajw41yoc6ggfw

Neugierig und mit Vergnügen lassen sich die kambodschanischen Jungs sofort auf ein Spiel ein, das ihnen Brigitte Lussi im Mai 2019 mit vielen anderen Überraschungen mitgebracht hat. Foto: ZVG

Die begeisterte Hobbynäherin Brigitte Lussi inmitten eines Schwarms ihrer genähten Walhaie und weiterer kleiner Kunstwerke, die sie zugunsten einer Schule in Kambodscha verkauft. Foto: Marlies Mathis

Mit viel Freude und Eifer benutzen die jüngsten Schülerinnen und Schüler gleich die Schulmaterialien, welche mit dem Geld aus dem Walhai-Verkauf der Egger Kindergärtnerin Brigitte Lussi angeschafft werden konnten.

Foto: Brigitte Lussi

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