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Sing-Initiative zieht von Einsiedeln aus schweizweite Kreise

Sing-Initiative zieht von Einsiedeln  aus schweizweite Kreise Sing-Initiative zieht von Einsiedeln  aus schweizweite Kreise

Die Briefkampagne «Sing, mein Kind!» fordert die sofortige Aufhebung des erlassenen Singverbots für Kleinkinder in Betreuungseinrichtungen. Der Anstoss kam aus Einsiedeln.

VICTOR KÄLIN

«Es war meine vierjährige Tochter, welche mich über das Singverbot informierte», erinnert sich Nadine Bacher an den 9. Dezember. Das kleine Mädchen besucht das Chinderhus Einsiedeln und war dermassen traurig, mit seinen «Gspäneli» nicht mehr gemeinsam singen zu dürfen, dass es noch am Abend desselben Tages das Coronavirus in der Badewanne ertränkte – in der Meinung, jetzt sicher wieder singen zu dürfen. Dem ist aber bis heute nicht so.

Hohe Wellen geworfen «Dieser Moment war ein absolut persönliches Erlebnis», erklärt Nadine Bacher ihre Beweggründe, aktiv zu werden. Als die 42-jährige Ernährungs- und Präventionscoachin am 10. Dezember ihrem Bekanntenkreis eine Sprachnachricht hinterlässt, ahnt sie nicht, welche Wellen ihre Mitteilung schlagen würde. Innert weniger Tage solidarisieren sich mehrere hundert Eltern, viele Betreuer und Betreuerinnen sowie Institutionsleiter und -leiterinnen aus der gesamten Deutschschweiz mit ihrer Briefkampagne «Sing, mein Kind!». Diese fordert eine sofortige Aufhebung des Singverbots für Kleinkinder in Betreuungseinrichtungen.

Am 15. Dezember ging ein Brief an das Bundesamt für Gesundheit mit der Aufforderung, eben dieses Singverbot aufzuheben. Dasselbe Schreiben erreichte auch den Verband Kibesuisse (Kinderbetreuung) sowie Kitas, Betreuungsinstitutionen und Tagesmütter.

«Medizinisch-wissenschaftlich nicht belegt» Für die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen ist das Singverbot «weder medizinisch relevant, noch verhältnismässig sowie konsistent mit anderen Massnahmen ». Auch für Bacher gibt es «keine medizinisch-wissenschaftliche Evidenz, dass das Singen im Rahmen der Kleinkinderbetreuung die Übertragungsrate von Covid-19 zusätzlich beeinflusst ».

Als alleinerziehende Mutter weiss sie aus eigener Erfahrung, dass das Verbot «nicht nur das Singen beschneidet». Singen fördere nachweislich die sozioemotionale und sprachliche Entwicklung bei Kindern. Singen unterstütze auch das Immunsystem und mache glücklich. Singen ermögliche vertraute Rituale und Strukturen. «Das Verbot verhindert all das», bedauert Bacher. Stattdessen schaffe es die Basis für Verunsicherungen, emotionalen Stress und schüre schlimmstenfalls Ängste. «Kein Kleinkind», so Bacher grundsätzlich, «hat zudem die Fähigkeit, dieses plötzliche Verbot auch nur ansatzweise nachzuvollziehen.»

«Fühle mich bestärkt» Wie zahlreiche Eltern fragt sich auch die seit 14 Jahren in Einsiedeln wohnende Coachin: «Wie viele Covid-19-Ansteckungen verursachen Kleinkinder durch Singen in ihren Singkreisen? Warum darf an Regelschulen weiter gesungen werden? Warum sind Singkreise mit Abstand zumindest im Freien nicht weiter erlaubt?» Die Antwort kam unerwartet schnell, wenngleich auch nur indirekt: Gestern Donnerstag, 17. Dezember, veröffentlichte Bundesrat Alain Berset eine Statistik über die Hotspots der Corona- Infektionen. Auf dieser Liste steht die Gruppe «Schule/Kindergarten/ Krippe» mit 1,8 Prozent lediglich an achter (von zehn) Positionen. Bei rund einer Million erfasster Kinder und Lehrer kann Bacher deshalb «weitere Einschränkungen nicht nachvollziehen ». Aufgrund dieser tiefen Zahlen «fühle ich mich in unserem Anliegen bestärkt».

Sodann wird für sie gerade das Singverbot für die Kleinsten zum guten Beispiel, um «zu demonstrieren, dass man nicht wie Schafe jeder Massnahme stumm hinterher laufen soll». Sie spricht sich aber klar für einen friedlichen, faktenbasierten Protest aus: «Wir hinterfragen schlichtweg Effektivität und Wirkung dieses unserer Meinung nach unnötigen Verbotes.»

Sie wollen wieder singen: Kinder schmücken die Couverts der Briefkampagne «Sing, mein Kind!». «Nicht jede Massnahme stumm akzeptieren »: Nadine Bacher (oben rechts) zu den Corona-Verboten.

Foto: zvg

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