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«Ich ärgere mich über Leute, denen es nur um Macht geht»

«Ich ärgere mich über Leute, denen es nur um Macht geht» «Ich ärgere mich über Leute, denen es nur um Macht geht»

Die Amtszeit des Kirchenratspräsidenten neigt sich dem Ende entgegen: Der 74-jährige Hans Iten hinterlässt eine bestens aufgeräumte Kirchgemeinde Einsiedeln, die finanziell auf solidem Fundament steht.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie fällt Ihr Rückblick auf Ihre Amtszeit aus?

Ich durfte während elf Jahren zusammen mit engagierten Mitgliedern des Kirchenrats die Seelsorge in der Pfarrei Einsiedeln unterstützen. Es gab in dieser Zeit einen sehr guten Austausch mit der Klostergemeinschaft, insbesondere mit Abt Urban und mit alt Abt Martin. Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders gelungen? Nach 35 Jahren war es notwendig, eine neue Kirchgemeindeordnung zu erstellen. Die Kirchgemeinde steht finanziell nach wie vor auf gesunden Beinen: Das Eigenkapital beträgt dank guten Steuererträgen ungefähr die Höhe eines jährlichen Steueraufkommens. Wir haben ein einheitliches Erscheinungsbild der Pfarrei und der Kirchgemeinde aufbauen können und eine Homepage lanciert. Welche Höhe- und Tiefpunkte haben Sie in dieser Zeit erlebt? Ein Höhepunkt: Wir haben ein sehr engagiertes Seelsorgeteam mit Pater Basil an der Spitze und weitere engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Mitgliedern der Klostergemeinschaft aus dem Seelsorgeteam konnten wir engagierte Seelsorgende für unsere Pfarrei gewinnen. Ebenso gelang es uns, aus unserer Kirchgemeinde Katechetinnen anzustellen, deren Ausbildung wir unterstützen können. Überdies sind uns auch Neuanstellungen von Katechetinnen und Katecheten gelungen, die nicht in unserer Kirchgemeinde wohnen. Weitere Höhepunkte waren die Renovation der Jugendkirche und der Kirchtürme in Euthal und Willerzell, die Annahme der Verfassung der Kantonalkirche im Jahr 2015 und der Beitritt der Kantonalkirche zur Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ) im letzten Jahr. Der Tiefpunkt: Das Pfarreiheim konnte leider noch nicht realisiert werden. Aber hier sind wir hoffentlich auf dem guten Weg.

Wie werden sich die Strukturen innerhalb der Einsiedler Kirche in der Zukunft weiter entwickeln?

Innerhalb der Kirchgemeinde sind keine Reformen notwendig. Reformbedarf ist eine Frage der Seelsorge: Diese ist auf dem Weg in eine Neuausrichtung der Pfarrei. Eine Neuausrichtung ist notwendig, weil die Pfarrei das Angebot der Seelsorge an die bestehenden Ressourcen anpassen muss. Die Neuausrichtung der Pfarrei ist ein richtiger und wichtiger Schritt – der Kirchenrat hat dies von Anfang an sehr unterstützt.

Halten Sie es für möglich, dass es dereinst zu Fusionen von Kirchgemeinden kommen wird? Aktuell werden die Kirchgemeinden Arth und Goldau fusionieren. In Form der Kirchgemeinde Wägital haben sich die Gemeinden Innerthal und Vorderthal bereits vereinigt. Theoretisch wäre es auch möglich, dass zum Beispiel die Kirchgemeinden in Unteriberg und Oberiberg fusionieren könnten. In der Realität halte ich das aber kaum für möglich: Zu gross sind die Unterschiede in der Glaubensauffassung in diesen beiden Gemeinden. Die Kirchgemeinde Einsiedeln ist einwohnermässig die zweitgrösste: Diese mit einer anderen Kirchgemeinde zu vereinigen halte ich derzeit für ausgeschlossen.

Ist es möglich, dass die Kirchgemeinden der umliegenden Ortschaften verstärkt mit der Gemeinde in Einsiedeln zusammenarbeiten werden? Das ist weniger der Fall, weil es sich um Pfarreien in zwei verschiedenen Dekanaten handelt: Einsiedeln gehört zum Dekanat Ausserschwyz. Ybrig, Alpthal und Rothenthurm gehören zum Dekanat Innerschwyz. Die angrenzenden Kirchgemeinden und Pfarreien südlich sind klein und möchten ihre Selbständigkeit sicher bewahren. Im Norden haben wir angrenzend den Seelsorgeraum «Berg» mit den Pfarreien/Kirchgemeinden Wollerau und Schindellegi. Hier ist momentan keine Zusammenarbeit im personellen Bereich vorgesehen. Haben sich die Wirren und Turbulenzen rund um das Bistum Chur auf das Leben in der Kirchgemeinde Einsiedeln ausgewirkt?

Ich persönlich leide darunter. Hingegen sind die Auswirkungen dieses Konflikts für die Kirchgemeinde als solche nicht relevant. Denn beim Bistum Chur geht es um die kirchlichen Strukturen, wohingegen die Kirchgemeinde staatskirchenrechtlich organisiert ist.

Die Mitgliederzahlen in der katholischen Kirche brechen ein. Wie kann der Aderlass gestoppt werden? Am 1. Januar 2010 hatte die Kirchgemeinde Einsiedeln 10’537 Mitglieder oder 74,3 Prozent der Bezirkseinwohnerinnen und -einwohner. Am 1. Januar 2020 waren es 10’429 oder 65,2 Prozent der Bezirkseinwohnerinnen und -einwohner. Pro Jahr traten zwischen vierzig und hundert Personen aus der Kirchgemeinde Einsiedeln aus. Hinzu kommt, dass es bei den Zuzügern weniger Katholikinnen und Katholiken gibt. Wir konnten in diesem Jahr sogar einige Neueintritte von Erwachsenen und Jugendlichen verzeichnen. Nichtsdestotrotz zeigt die Entwicklung auf, dass sich viele Leute immer mehr von der Kirche entfernen. Dies zu stoppen, dürfte schwer fallen. Nicht nur wegen des Coronavirus lichten sich die Reihen in den Gottesdiensten: Ist die Zeit des Sonntagsgottesdienstes abgelaufen?

Nicht zuletzt aufgrund der Pandemie hat sich heuer manches in den Online-Bereich verlagert. Wenn auch in den Vierteln teils weniger Besucher in den Gottesdiensten gezählt werden, ist doch erfreulicherweise festzustellen, dass seit der Einweihung der Jugendkirche wieder mehr Leute in den Sonntagsgottesdienst kommen: Der neue Raum zieht mehr an! In der Klosterkirche wiederum sind alle Generationen zu beobachten: Auch Junge zählen dort zu den Teilnehmenden an Gottesdiensten.

Wird die Digitalisierung auch nach der Corona-Zeit Einzug in der katholischen Kirchgemeinde halten? Da sind wir schon lange dran und mittendrin – neue Angebote im Social-Media-Bereich müssen geprüft werden – allerdings ist der zeitliche Aufwand, diese Medien zu unterhalten, beträchtlich.

Was machte die Suche nach einem Nachfolger in Ihrem Amt so schwierig und langwierig? Das Amt ist nicht politisch gefärbt – daher gibt es kein Gerangel der Parteien. Vielmehr gibt das Amt Arbeit im Umfang eines Zehn-Prozent-Pensums. Die Bedeutung, der Stellenwert der Freiwilligenarbeit hat sich verändert im Vergleich zu früheren Zeiten. Für diese Ämter die Leute zu finden, ist kein einfaches Unterfangen.

Bleiben Sie nach Ihrem Rücktritt der katholischen Kirchgemeinde Einsiedeln erhalten? Ich bin und bleibe in Einsiedeln wohnhaft – seit 74 Jahren – und katholisch – somit bin und bleibe ich Mitglied der Kirchgemeinde Einsiedeln. Als Lektor werde ich vorläufig weiterhin im Einsatz sein – solange es mir die Gesundheit und Stimme erlauben. Der Kirchenrat und die Pfarrei dürfen weiterhin auf mich zählen, wenn für gewisse Projekte Not am Manne ist. Aber eigentlich werde ich mich zurückziehen und nicht als «graue Eminenz » im Hintergrund wirken. Ich bin dankbar, wenn ich ausserhalb der Pfarrei und der Kirchgemeinde noch einige Jahre aktiv bleiben kann. Eine Inschrift auf dem Friedhofportal ist mir immer bewusst: «Was ihr seid, das waren wir – was wir sind, das werdet ihr.»

Die Gretchenfrage zum Schluss: Wie haben Sie es selber mit der Religion? Ich bin aktiver und gläubiger Katholik. Religion und Christentum sind für mich zentral. Die Botschaft Jesu ist wichtig. Ich ärgere mich über Leute, denen es nur um Macht geht und nicht um den Menschen. Unseren Seelsorgenden sind die Menschen wichtig – und das schätze ich sehr. Daher habe ich mich gerne für diese Sache eingesetzt.

Hans Iten war während elf Jahren Präsident der Kirchgemeinde Einsiedeln. Fotos: Magnus Leibundgut

Ein Höhepunkt in der Amtszeit war die Renovation der Jugendkirche in Einsiedeln.

«Ich persönlich leide unter den Wirren und Turbulenzen rund um das Bistum Chur.» «Viele Leute entfernen sich immer mehr von der Kirche. Dies zu stoppen, dürfte schwer fallen.» «Seit der Einweihung der Jugendkirche kommen wieder mehr Leute in den Gottesdienst.» «Unseren Seelsorgenden sind die Menschen wichtig – und das schätze ich sehr.»

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