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Etwas «Nützliches» zu Weihnachten

Etwas «Nützliches» zu Weihnachten Etwas «Nützliches» zu Weihnachten

PRISKA LACHER

Meine Kindheitserinnerungen an Weihnachten reichen in die Schulzeit zurück, als ich noch an das Christkind glaubte.

Der Heilige Abend war für uns Kinder immer ein Höhepunkt an Wohlgefühlen und Emotionen.

Damit unsere Mutter die Vorbereitungen in Ruhe treffen konnte, mussten wir mit dem Vater in den Stall. Dort setzten wir uns in den Strohhaufen und lauschten den Geschichten, die uns unser Vater erzählte. Oft guckten wir aus der Stalltür und lauschten, ob wir das Glöcklein des Christkindes zu hören bekämen.

Nach dem Nachtessen, welches jedes Jahr das selbe war, ärgerte uns Vater, da er noch lang und breit den Einsiedler Anzeiger las und wir es vor Spannung bis zur Bescherung kaum noch aushielten. Für uns Kinder schienen die Geschenke natürlich das Wichtigste, aber im Nachhinein glaube ich, dass der Zauber von Weihnachten durch die vorbereitenden Zeremonien vermittelt wurde.

Unsere Geschenke waren meistens etwas Nützliches, oftmals ein Pyjama, das wir nur zu besonderen Anlässen tragen durften, zum Beispiel bei einem Spitalaufenthalt oder in den Ferien. Meistens konnten wir dieses nie tragen, weil wir ja gottlob nicht so oft ins Spital mussten und wir nie in die Ferien fuhren. Ein Jahr später war es uns dann zu klein.

Der Weihnachtsabend endete mit dem Besuch der Mitternachtsmesse, wo man die Geschenke der anderen bewundern konnte, wie neue Mäntel, Mützen und so weiter. Unser Pyjama konnten wir dort leider nie präsentieren!

LUKAS SCHUMACHER

Mein verrücktestes Weihnachten verbrachte ich auf der anderen Seite der Welt, in Neuseeland … Bereits Wochen vor den Festtagen kam ich an den Punkt, an dem ich mir sagte: «Ich wünschte, ich könnte Weihnachten überspringen …», doch der Reihe nach. Anfang Oktober 2008 reiste ich für ein halbes Jahr nach Neuseeland, um dort zu arbeiten und Englisch zu lernen. Und bereits Anfang Oktober war Weihnachten ein grosses Thema, welches sich stetig und bald schon exponentiell stärker in den Alltag drängte. Weihnachtslieder auf fast allen Radiosendern, Countdowns «nur noch 80 Tage bis Weihnachten», kitschige Dekorationen und vieles mehr.

Etwa eine Woche vor Weihnachten besuchte ich den offiziellen Weihnachts- Gottesdienst der christlichen Kirche im nächstgelegenen Dorf. Von einem besinnlichen «Stille Nacht, heilige Nacht» war man in dieser Kirche weit entfernt. Hip-Hop-Tanzaufführungen, Breakdancer und eine Rockband standen auf dem Programm. Zum krönenden Abschluss schoss eine Schaumkanone Schaum in den Kirchensaal, um Schnee zu simulieren, und Feuerwerksraketen schossen draussen in den Himmel.

Am Morgen des 25. Dezembers war es dann endlich so weit. Als Geschenk erhielt ich eine riesige rote Socke, gefüllt mit allem Möglichen. Der Weihnachtsbaum war ein etwa 40 Zentimeter kleiner Busch, der so stark geschmückt war, dass kaum eine grüne Stelle zu sehen war. Auf der Spitze thronte eine pinke Fee.

Mit meiner Gastfamilie genossen wir am Mittag bei rund 30 Grad Celsius ein Barbecue mit Elfenmützen und Weihnachtskappen – und endlich, endlich, waren diese kitschigen Monate vorüber.

Genau zehn Jahre später, 2018, verbrachte ich mein zweites Weihnachten in Neuseeland. Diesmal bei einem feinen Abendessen in einem Restaurant an Heilig Abend mit meiner Verlobten. Gefeiert wurde ohne Geschenke, ohne Baum, ohne Weihnachtsmusik und ohne all das, was ich zehn Jahre zuvor erlebt hatte.

MARKUS FISCH

Worauf freute ich mich als Kind? Waren es Geschenke, die überreicht wurden? Erinnert man sich nach rund 60 Jahren noch an das eine oder andere Geschenk? Ich erschrak, wie vergänglich doch alles ist. Die erste Skiausrüstung vielleicht, die Modelleisenbahn. Die Backwaren mochte ich gerne und half fleissig mit, mit Zuckerguss und Eigelb die Guetzli zu lackieren. Die trockenen Anis-Chräbeli hasste ich damals wie heute.

Am schön geschmückten Christbaum suchte ich nach «meiner» rot-weissen Weihnachtskugel, die bis heute Freude macht. Die schönste Erinnerung habe ich an das Zusammensein. 20 Personen teilten sich bei Grosi und Grossvater die gute Stube. Es wurde gesungen und musiziert. Der Höhepunkt war jeweils, wenn die wunderbare Melodie, Hymne an die Nacht, gemeinsam gesungen wurde. Wuchtig ertönte: «Hell schon erglüh’n die Sterne, Grüssen aus blauer Ferne, Möchte zu euch so gerne, Flieh’n himmelwärts! » Frohe Gefühle, Gänsehaut, Tränchen, so schön. Ich höre das Lied «Hymne an die Nacht, Beethoven», es ist (fast) wie damals.

Die Sache mit dem gelben Legolaster

WOLFGANG HOLZ

Ok. Ich verrate Ihnen etwas. Mein zweiter Vorname ist Eduard. Schrecklich! Eeee-duard?! Hört sich wirklich nicht besonders erlesen an. Man könnte im besten Fall einen «Ede» daraus machen – aber da denkt man dann gleich an einen Panzerknacker oder an ein ähnlich halbseidenes Gewerbe. Warum ich Ihnen das erzähle? Weil mein Götti so heisst. Beziehungsweise geheissen hat. Denn ich weiss eigentlich nicht einmal, ob er noch lebt. Gesehen habe ich ihn nie – ausser auf einem inzwischen verblichenen Schwarzweissfoto anno 1962, wie er mich kurz nach meiner Geburt in einer Wolldecke auf dem Arm hält. Er war wohl ein Lieblingsschüler meines Vaters gewesen, der ihm als Götti beziehungsweise als Patenonkel eine vertrauensvolle Rolle angedeihen lassen wollte. Doch, wie gesagt, gesehen habe ich ihn nie. Geschenkt bekommen habe ich auch nie etwas von ihm. Nur einmal, wirklich ein winziges kleines einziges Mal, schickte er mir an Weihnachten ein Päckchen. Da war ich vielleicht acht oder zehn Jahre alt. Ich öffnete es, das Geschenkpapier ungeduldig zerreissend – und herauskam ein knallgelber Legolaster. Wie freute ich mich da! Das war wirklich ein spezielles Weihnachten für mich!

Ein Bett in Vorarlberg

VICTOR KÄLIN

Es war vor etwa 40 Jahren. Da wir uns in unserer Familie schon länger keine Geschenke mehr machten, legten wir das Geld auf die Seite. Irgendwann war genug zusammen, um ein automatisch verstellbares Bett zu kaufen und dieses nach Vorarlberg zu schicken. Unsere Mama war schon immer sehr sozial; wahrscheinlich über irgend ein Pfarramt wurde sie auf eine alleinstehende Frau aufmerksam, welche seit Jahren gelähmt und ans Bett gefesselt war. Es muss ein erbärmliches Bett gewesen sein. Jedenfalls war der Dank dieser Frau unermesslich. Jede Weihnacht telefonierten wir nach Vorarlberg, Mama spielte auf dem Klavier «Stille Nacht», meine Geschwister sangen dazu und ich schneuzte vor Rührung ins Nastuch. Selten war mein Batzen besser investiert als in dieses Bett.

Am Anfang war eine Lokomotive

MAGNUS LEIBUNDGUT

Es war einmal eine Kindheit. Unweigerlich sind Erinnerungen an diese erste Zeit unseres Lebens mit Weihnachten verbunden. Das mag in erster Linie an den Geschenken liegen: Was hat einen Dreikäsehoch mit grösserer Freude erfüllen mögen als ein wundersames Geschenk unter dem Christbaum? Bei mir war es eine Lokomotive, die mich ins grosse Staunen und einen Zustand der vollkommenen Glückseligkeit versetzte, wie sie da mit Licht und Ton und vollends autonom unter dem Baum auf mich zurollte. Womöglich ist diese Lokomotive meine allererste Erinnerung in meinem Leben geblieben. Oder war es doch eher die Mondlandung im Jahr 1969, die wir, en famille um das Transistorradio versammelt, atemlos verfolgten, die als meine erste Erinnerung in die Geschichte eingehen sollte?

Wie dem auch sei: Glückliche Ereignisse scheinen dem Menschen in der Tat eher in Erinnerung zu bleiben als schreckliche. Kein Wunder, haben die Leute in der Regel schöne Erinnerungen an Weihnachten und verklären dieses Familienfest der Liebe ein Leben lang. Ob für mich der Samichlaus derweil in dieselbe Kategorie fallen mag wie Weihnachten, das will ich getrost bezweifeln.

Ich kann mich zwar nicht mehr erinnern, aber es muss traumatisch gewesen sein: Eine Aufnahme mit der Super-8-Filmkamera, die mein Vater gemacht hatte, zeigt mich in Tränen aufgelöst auf dem Sofa in der Stube, davor ein Samichlaus mit einem Schmutzli. Ich muss Höllenängste ausgestanden haben, weiss es aber nicht mehr: Diese Erinnerung wurde gelöscht. Womöglich hat uns die Evolution mit der prächtigen Gabe ausgestattet, schlimme Geschichten verdrängen zu können, auf dass sie gar nie geschehen sein mögen.

So bleibt es dabei: Am Anfang war eine Lokomotive – sie steht für den Ursprung aller Erinnerungen. Und weil man Schönes gerne weiter gibt, wird mein Jüngster heuer gleichsam eine Loki als Geschenk unter dem Christbaum wieder finden. Den Samichlaus-Besuch habe ich ihm demgegenüber in diesem Jahr erspart: Man weiss ja nie – man soll keine schlafenden Hunde wecken. Ich will keine Geister rufen, die ich dann nicht mehr loswerde.

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