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«Wir sind vollends auf Kurs – dem Coronavirus zum Trotz»

«Wir sind vollends auf Kurs – dem Coronavirus zum Trotz» «Wir sind vollends auf Kurs – dem Coronavirus zum Trotz»

Seit hundert Tagen leitet Carmen Hanke das Chinderhus Einsiedeln. Die 29-jährige Institutionsleiterin zieht eine erste Bilanz zur Entwicklung des neuen Chinderhorts an der Fuchsenstrasse: «Am meisten Sorgen macht uns die Finanzierung des Chinderhorts.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen turbulenten Zeiten?

Ich bin wie so viele andere Leute etwas «Corona-müde» geworden: Die permanente Herausforderung, sich mit diesem Virus beschäftigen zu müssen, strengt an. Obwohl diese Zeit ja alles andere als einfach ist, versuche ich das Beste daraus zu machen und die Zukunft zu gestalten.

Wie haben Sie Ihre ersten 100 Tage im Amt als Institutionsleiterin im Klosterdorf erlebt? Obwohl beim Start Anfang August coronabedingt nicht gerade die ruhigste Phase im Chinderhus angebrochen war, kann ich eine erste positive Bilanz über diese Zeit ziehen. Ich bin vom Team mit offenen Armen empfangen worden und fühle mich sehr wohl im Klosterdorf. Ich wachse Tag für Tag in die neue Rolle der Institutionsleiterin hinein. Wir sind vollends auf Kurs – dem Coronavirus zum Trotz. Sind im Chinderhus Einsiedeln Corona-Fälle aufgetaucht? Zum Glück sind wir bis anhin vom Virus verschont geblieben: Kein einziges Kind ist bei uns angesteckt worden. Einige Kinder mussten in Quarantäne. Eine Mitarbeiterin hat sich in den Ferien angesteckt und ging dann in die Isolation nach ihrer Rückkehr. Wir sind also glimpflich über diese Zeit gekommen – obwohl wir ja während des Lockdowns den Betrieb geöffnet hatten.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Chinderhus Einsiedeln konkret ausgewirkt? Wir mussten einen grossen Aufwand betreiben, der uns Mehrkosten und höhere Ausgaben beschert hat: Alleine für die Zeit des Lockdowns fallen uns bis heute coronabedingt zusätzliche Kosten in der Höhe von 20'000 Franken ins Haus. Einerseits mussten in der Organisation des Betriebes Veränderungen in die Hand genommen werden, andererseits machte das Virus medizinische Massnahmen wie die Maskentragpflicht für die Mitarbeiterinnen und das Bereitstellen von Desinfektionsmittel notwendig. Das Virus hat uns also vor allem finanziell getroffen. Wie ist der neue Chinderhort an der Fuchsenstrasse gestartet? Der Chinderhort ist ausgezeichnet angelaufen und kommt im Klosterdorf gut an. Anfangs haben zwanzig Kinder den Hort besucht. Unterdessen nehmen bereits bis dreissig Kinder am Mittagstisch teil – mit steigender Tendenz. Im Chinderhus an der Mythenstrasse besuchen zwanzig Kinder die Krippe. Welcher Grund lag vor, dass der Hort vorübergehend vom Bezirk geschlossen worden war? Wir haben mit dem Betrieb des Chinderhorts komplett Neuland betreten. Weil Bewilligungen gefehlt haben, hat der Bezirk Einsiedeln aus formalrechtlichen Gründen reagiert. Wir haben aber mit dem Bezirk eine einvernehmliche Lösung finden können. Dank dieser Lösung konnte dann eine Schliessung des Betriebs an der Fuchsenstrasse abgewendet werden. Im Kern ging es um Brandschutzmassnahmen baulicher Art, die noch nachgeholt werden mussten – diese wurden noch vor Terminende im September abgeschlossen.

Ist die Finanzierung des neuen Chinderhorts unterdessen geklärt?

Nein, noch nicht wirklich. Am meisten Sorgen macht uns die Finanzierung des Chinderhorts. Wir hoffen auf eine Lösung bis im Sommer 2021. So lange muss der Verein für Jugend- und Familienberatung, der das Chinderhus Einsiedeln betreibt, das finanzielle Risiko selber tragen beziehungsweise für die Kosten aufkommen. Mit welchen Kosten rechnen Sie? Wir rechnen mit jährlichen Kosten bis dato in der Höhe von 50'000 bis 70'000 Franken, die der Betrieb des Chinderhorts auslöst. Wir sehen ein leichtes Wachstum in den Belegungszahlen im Chinderhort und sind zuversichtlich, dass das Angebot so finanziert werden kann. Qualität in Kindertagesstätten erreichen zu können, kostet etwas. Sind denn die Beiträge seitens des Bezirks ausreichend im Klosterdorf? Das kann man so sagen. Wir sind bis anhin mit unserem Betrieb sehr gut gefahren – dank der Unterstützung des Bezirks für das Chinderhus Einsiedeln, das im Jahr 2003 gegründet worden ist.

Wie sieht das Verhältnis bei Ihnen zwischen der Zahl an Mitarbeiterinnen und der zu betreuenden Kinder aus?

Wir halten uns an den Betreuungsschlüssel, den uns Kibesuisse, der Verband Kinderbetreuung Schweiz, vorgibt. Konkret bedeutet das ein Verhältnis von eins zu drei zwischen Mitarbeiterinnen und den zu betreuenden Kindern: So ist der Schlüssel zumindest bei den jüngsten Kindern. Je älter die Kinder sind, desto eher erhöht sich dann die Zahl der Kinder.

Praktikantinnen werden denn nicht allein in der Betreuungsarbeit eingesetzt? Bei uns sind derzeit keine Praktikantinnen im Einsatz. Erst im Sommer 2021 startet dann eine Praktikantin mit einer Vorlehre bei uns. Grundsätzlich gilt für Praktikantinnen dasselbe wie für Lernende: Sie kommen nicht alleine mit den Kindern zum Einsatz, sondern werden vom Fachpersonal betreut. Sind Ihrerseits Projekte in Sicht, mit denen Sie das familienergänzende Angebot ausbauen möchten? Wir haben gerade mit dem Aufbau des Chinderhorts ein grösseres Projekt gestemmt. Fürs Erste ist unser Ziel, das neue Projekt zu konsolidieren. Von der Grösse her sind die beiden Häuser ideal positioniert: Es sind noch Plätze frei. Das Chinderhus bietet 36 Plätze an, davon sind 20 besetzt. Im Chinderhort hätte es Platz für 40 Kinder: Derzeit besuchen maximal 30 Kinder den Mittagstisch. Am ehesten liegt es in unserer Kapazität, die Betreuung am Nachmittag auszubauen. Mit welchen Projekten kann die Standortattraktivität von Einsiedeln gefördert werden? Es fehlt vor allem in den Vierteln an familienergänzenden Betreuungsangeboten. Es hat sich als unrealistisch erwiesen, die Kinder aus den Vierteln über Mittag bei uns im Chinderhort betreuen zu lassen. Wir haben auch Anfragen, denen wir leider nicht nachkommen können. Das Fehlen eines Mittagstisches in den Vierteln bedeutet ein grosses Problem für Eltern, die tagsüber einer Arbeit nachgehen. Hier wäre der Bezirk aufgerufen, nach einer Lösung Ausschau zu halten. Nur schon ein offizieller, professioneller Mittagstisch in allen Vierteln wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wie steht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Raum Einsiedeln? Um diese ist es im Klosterdorf gut bestellt. Ideal ist es, dass wir einkommensabhängige Tarife haben, die es auch weniger bemittelten Eltern erlauben, ihre Kinder zu uns zu bringen. Eine stärkere Subventionierung, wie sie bereits in anderen Kantonen angeboten wird, wäre aber sicher sinnvoll.

In welchem Bereich orten Sie Defizite in Einsiedeln? Das Thema Freizeitgestaltung darf noch erweitert werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zukünftig im Sommer ein Ferienlager für die Kinder anbieten könnten. Gibt es Eltern bei Ihnen, die sich dagegen wehren, dass ihre Kinder eine Maske tragen müssen?

Da die Kinder alle unter zwölf Jahre alt sind, müssen sie keine Masken tragen. Von daher sind wir nicht mit diesem Problem konfrontiert.

Wohin bewegt sich die Welt?

Es ist eine starke Polarisierung zu beobachten, die ich beunruhigend finde. Die Solidarität leidet, die noch im Frühling spürbar war. Stattdessen kämpfen die Leute gegeneinander, statt miteinander für eine Sache einzustehen. Ich bleibe aber nichtsdestotrotz eine Optimistin und bin guten Mutes, dass am Schluss alles gut kommen mag.

«Der Chinderhort ist ausgezeichnet angelaufen und kommt im Klosterdorf gut an.» «Das Fehlen eines Mittagstisches in den Vierteln bedeutet ein grosses Problem für Eltern.» «Eine stärkere Subventionierung wie in anderen Kantonen wäre sicher sinnvoll.»

Carmen Hanke hat als neue Leiterin der Institution frischen Wind in das Chinderhus Einsiedeln gebracht. Foto: Magnus Leibundgut

Überaus einladend präsentiert sich der neue Chinderhort an der Fuchsenstrasse 3 in Einsiedeln. Foto: zvg

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