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«Es ist ein Dienst für mein Land. Ich kann damit etwas zurückgeben.»

«Es ist ein Dienst für mein Land.  Ich kann damit etwas zurückgeben.» «Es ist ein Dienst für mein Land.  Ich kann damit etwas zurückgeben.»

Mehr als 1000 Diensttage hat Marcel Schönbächler bereits absolviert. Im Interview schildert der Major im Generalstab, wie es zu seiner militärischen Karriere gekommen ist.

VICTOR KÄLIN

In langsam sich demilitarisierenden Zeiten eine Sachfrage vorweg: Was ist ein Major im Generalstab? Major ist ein militärischer Grad. Mitglieder des Generalstabes absolvieren eine längere Zusatzausbildung, deren Fokus auf der Unterstützung der Generäle liegt … Generäle?

Generalsränge sind Brigadier, Divisionär und Korpskommandant – und im Kriegsfall der General selbst, der durch die Vereinigte Bundesversammlung gewählt würde.

Kommen Ihnen solche Fragen zu Grad und Funktion im zivilen Alltag bekannt vor? Definitiv! Die Gründe liegen in der Verkleinerung der Armee: einer gegenüber früher geringeren Anzahl Diensttage sowie die frühere Entlassung der Angehörigen der Armee, insbesondere der Soldaten, aus der Armee. In gewissen Teilen der Bevölkerung verabschiedet sich die Schweizer Armee aus dem Bewusstsein. Schauen Sie Einsiedeln an: Nur dank dem Militärspital sieht man die Armee noch vor Ort. Früher gab es in unserem Dorf fast jedes Jahr einen Wiederholungskurs. Das ist vorbei. Und wie setzt sich ein Bataillon zusammen? Zu einem Bataillon gehören grundsätzlich ein Bataillonsstab, eine Stabskompanie und in der Regel zwei bis fünf Einsatz- Kompanien. In der Armee gibt es derzeit 109 Bataillone. Wie wird man Major im Generalstab – konkret an Ihrem Beispiel?

Auf ganz normalem Weg: Rekrut, Soldat, Korporal (heute Wachtmeister), Leutnant, Hauptmann. Als solcher war ich vier Jahre lang Kompaniekommandant. Dabei wurde auch inspiziert, ob ich die Anforderungen für den Generalstab erfülle. Es folgte die Generalstabsschule, die mit der Brevetierung zum Major im Generalstab endete.

Da kommen einige Diensttage zusammen … Es sind aktuell etwas mehr als 1000 Diensttage … Als Vergleich dazu: Ein gewöhnlicher Soldat wird bereits nach rund 245 Diensttagen aus der Armee entlassen. Major ist ja noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Folgen Oberstleutnant, Oberst … aufgrund geleisteter Diensttage automatisch? Nein, nicht direkt. Aufgrund meiner Weiterbildungen zum Bataillonskommandant werde ich im Januar 2021 zum Oberstleutnant befördert

Das tönt nach exakter Karriereplanung …

Interessanterweise habe ich mich während meiner ganzen Dienstzeit nie mit den übernächsten Schritten befasst, sondern mich immer auf die aktuelle Aufgabe fokussiert. Doch mit jeder neuen Aufgabe interessierte ich mich mit der Zeit auch für die nächste … So hat sich das eine und andere ergeben. Ich bezeichne mich überhaupt nicht als Karrieristen. Ich leiste meinen Dienst nicht wegen dem Grad auf meinen Schultern. Mit jeder neuen Funktion habe ich etwas gelernt, was mir auch persönlich dient.

Nur wenige Menschen werden Major im Generalstab. Warum gerade Sie? Uff! (überlegt) Ich hatte immer Freude an dem, was ich im Militär machen durfte. Mit jedem Schritt konnte ich mehr Verantwortung übernehmen, mit interessanten Personen zusammenarbeiten und immer etwas lernen – bis hin zum Generalstab, dessen Ausbildung ich als herausfordernd bezeichne. Keine familiäre Vorbelastung?

Nein, überhaupt nicht. Mein Vater war Soldat und ich bin weit und breit der einzige Offizier in unserer Familie. So verspürte ich auch nie Druck, irgendwelche Erwartungen erfüllen zu müssen. Es dauert ziemlich lange, bis man Major ist. Kamen Ihnen nie Zweifel? Wollten Sie die Übung niemals abbrechen? (Überlegt) Grundsätzlich nicht. Als Kompaniekommandant erlebte ich aber Dinge, die wirklich keine Freude bereiteten – wenn etwa 100 Urlaubsgesuche auf dem Tisch zur Beurteilung liegen oder Disziplinarverfahren durchgeführt werden müssen, für nicht nachvollziehbare Dummheiten, welche Soldaten oder Kader begangen haben. Gab es für Sie so etwas wie einen «Schlüsselmoment», ab dem für Sie «alles klar war»? In der Offiziersschule lernten wir, was es bedeutet, Offizier zu sein. Dass ich das nicht nur im Tenü grün bin, sondern damit eine Lebenshaltung verbunden ist. Ich erwähne als Stichworte etwa Pflichtbewusstsein, Verlässlichkeit oder Pünktlichkeit. In all den Jahren konnte ich vom Militär sehr viel profitieren, zum Beispiel das Präsentieren: An der Kanti war das für mich eine Herausforderung, im Militär kam ich nicht darum herum. Ich lernte, vor Hunderten von Leuten stehen zu müssen. Durchaus ein Mehrwert für mein Leben. Sie haben im Juli 2020 Ihr Bataillon übernommen. Konnten Sie wünschen? Ich konnte meine Wünsche formulieren. Ich wollte ein Deutschschweizer Bataillon, und eines, das im Bereich Richtstrahl oder elektronische Kriegsführung tätig ist. Und mein Wunsch wurde erfüllt. Gings im Sommer 2020 gleich mit einem Wiederholungskurs los? Nein, mein erster Wiederholungskurs als Bataillonskommandant ist für April und Mai 2021 geplant. Möglicherweise steht er in Zusammenhang mit dem WEF. Wann bereiten Sie einen solchen Wiederholungskurs vor? In meiner Freizeit. Ich bin Offizier im Milizdienst. Daneben arbeite ich zu 100 Prozent in Zürich.

Was verändert sich für Sie mit dieser neuen Aufgabe? Als Kompaniekommandant hatte ich knapp 300 Unterstellte; auf Stufe Bataillon sind es rund 700. Mir steht ein Stab zur Verfügung, der mich unterstützt und Konzepte und Befehle in meinem Sinn erarbeitet. Zusätzlich bin ich Vertreter des Bataillons gegenüber der Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber politischen Instanzen. Insgesamt gibt es auf Stufe Bataillon bedeutend mehr Schnittstellen als auf Stufe Kompanie. Worin sehen Sie für sich den Sinn Ihres Engagements? Es ist ein Dienst für mein Land. Ich kann damit etwas zurückgeben. Denn dieses Land ermöglichte mir eine ausgezeichnete Ausbildung. Trotz beschränkter finanzieller Mittel konnte ich die Kantonsschule besuchen und anschliessend ein Studium an der Universität Zürich absolvieren. Das ist der eine Aspekt. Ich engagiere mich aber auch aus Freude. Einerseits war und ist meine Dienstzeit grossmehrheitlich von guten Erlebnissen geprägt, und andererseits komme ich in den Vorzug ausgezeichneter Ausbildungen. Und wo haben Sie Zweifel am Engagement? Sehe ich das politische Klima in der Schweiz, frage ich mich schon, ob ich damit auf dem «falschen Dampfer» unterwegs bin. Ich meine, mich für die Sicherheit des ganzen Landes einzusetzen. Doch ein nicht zu vernachlässigender Teil der Bevölkerung findet, eine Armee braucht es gar nicht.

Was motiviert Sie?

Ich hatte immer tolle Diensterlebnisse. Ich möchte mit meinen Leuten etwas erreichen. Ich sah und erlebte viele Dinge, die ich ohne Militär nie gesehen hätte. Das Militär führte mich zum Beispiel in jeden Kanton der Schweiz und dort teilweise an sehr spezielle Orte. Wie vereinen Sie Beruf und Militär?

Da ich zu 100 Prozent arbeite, versuche ich, für die Militärarbeit klare Zeitfenster einzuplanen. Mein Arbeitgeber hat Verständnis für mein Engagement und gibt mir Freiräume, wenn ich diese benötige. Profitieren Sie in Ihrem Beruf vom Militär? Ja, dieses Gefühl habe ich. Konzeptarbeiten, Präsentationen, systematisches Vorgehen … All das bin ich mir vom Militär her gewohnt. Und ich übertrage dies natürlich in meine zivile Arbeit. Wie reagieren Familie und Freunde auf Ihr Militärengagement?

Meine Frau Claudia kennt nichts anderes. Sie sieht, dass ich den Dienst gerne leiste. Das Militär liefert mir neue Ideen und ermöglicht mir einen breiten Austausch. Während des Wiederholungskurses bin ich «völlig in einem anderen Film». Und in der Regel komme ich danach zufrieden nach Hause. Das ist viel wert. Gerade für eine Beziehung.

2020 rückt die Armee vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit: Erst die Abstimmung über die Flugzeugbeschaffung, Ende November das Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten. Werden im zivilen Leben solche Abstimmungsthemen auf Sie projiziert? Haben Sie das Gefühl, als Offizier der Schweizer Armee als Synonym für Kriegsflugzeuge und Kriegsmaterialproduzenten … herhalten zu müssen?

Nein, das erlebe ich so nicht. Ich habe einen Kollegenkreis, der grundsätzlich eher für die Armee einsteht. Das ergibt sich mit den Jahren einfach so. Als Offizier einer Milizarmee ist es mir ein Anliegen, Sinn und Einsicht zu vermitteln, warum zum Beispiel die Schweiz eigene Flugzeuge und eine eigene Rüstungsindustrie braucht. In solchen Fragen engagiere ich mich als Offizier freiwillig. Ich möchte das Gesamt-System unserer Armee gerne erklären.

Keine Probleme also im Zivilleben als Major?

Ich habe nicht das Gefühl, schon irgendwo einen Nachteil gespürt zu haben. Aber es stimmt mich nachdenklich zu sehen, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die ihren Armeedienst leisten, auf dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv erscheinen als Personen ohne Dienstpflicht, nur weil diese nicht jedes Jahr 3 Wochen ins Militär müssen. Und auf was freuen Sie sich – immer als Offizier – als nächstes?

Ich freue mich auf meinen ersten Wiederholungskurs als Bataillonskommandant, wenn die Leute einrücken und die monatelange Planung konkret umgesetzt werden kann. Und ich freue mich ebenso, wenn am Ende der drei Wochen alle wieder gesund nach Hause können.

«Möchte mit meinen Leuten etwas erreichen»: Marcel Schönbächler.

Marcel Schönbächler (links) lässt sich während eines Wiederholungskurses den getarnten Richtstrahl-Standort erklären.. Fotos: zvg

Als Kommandant schreitet Marcel Schönbächler seine Truppe ab – hier in Ulrichen im Oberwallis.

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