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Wie zwei Rinder und zwei Kühe an den Genfersee reisen

Wie zwei Rinder und zwei Kühe  an den Genfersee reisen Wie zwei Rinder und zwei Kühe  an den Genfersee reisen

Zwei Rindvieh-Züchter mit Herzblut wagen es an die Swiss Expo 2021: Ruedi Kälin aus Einsiedeln und Guido Zehnder aus Bennau fahren mit ihren Tieren der Rasse Original Braunvieh an die Eliteschau in Genf. Möglich macht das Unterfangen, dass diverse Sponsoren das Projekt unterstützen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommen Sie dazu, mit zwei Rindern und zwei Kühen nach Genf zu fahren? Ruedi Kälin: Ich habe im letzten Jahr zum ersten Mal die Swiss Expo in Genf besucht und war begeistert über die Eliteschau. Die Swiss Expo gehört weltweit zu den Top drei der besten Rindershows und geniesst grosse internationale Beachtung. Guido Zehnder: Ich bin bereits mehrere Male in Genf an dieser Schau gewesen, an der über tausend Tiere von zig verschiedenen Rindviehrassen am Wettbewerb teilnehmen, viele davon aus dem Ausland. So ist es an der Zeit, dass auch Rinder und Kühe aus Einsiedeln gezeigt werden: Schliesslich hat die Rasse Original Braunvieh Wurzeln im Klosterdorf: Es ist belegt, dass man bereits vor zirka 400 Jahren im Kloster Einsiedeln mit der Zucht von Braunvieh begann.

Verladen Sie die Tiere im Zug wie weiland der Zirkus Knie seine Elefanten? Ruedi Kälin: Nein, sie fahren im Lastwagen nach Genf. Tiere der Rasse Original Braunvieh sind umgänglich und ruhig, zahm und gutmütig: Sie haben einen guten, einfachen Charakter. Von daher bedeutet die Fahrt im Lastwagen kein grosses Problem. Eher quält sie dann das Heimweh in Genf: Sie müssen ja dort übernachten und können nicht des Abends zurück in ihren geliebten Stall in Bennau (lacht).

Mit welchen Kosten rechnen Sie, auf dass Sie an der 25. Swiss Expo in Genf teilnehmen können? Ruedi Kälin: Der Transport, die Startgelder, die Versorgung und Pflege der Tiere wie auch unser Aufenthalt verursachen beträchtliche Kosten. Um diese Auslagen stemmen zu können, sind wir auf familiäre und finanzielle Unterstützung angewiesen. Dank eines Fundraisings ist es uns gelungen, Sponsoren zu finden. Das Feedback auf unseren Aufruf war gross.

Wie bereiten Sie sich auf die Schau in Genf vor? Guido Zehnder: Üben, üben, üben – und dies mehrmals die Woche: Ein vorgängiges Training mit den Tieren ist wichtig und bedeutet auch einen grossen zeitlichen Aufwand. Zwei Monate vor der Eliteschau muss man spätestens mit dem Training starten: Wir üben mit den Rindern und Kühen das geführte Gehen, putzen und striegeln sie, damit sie sich an der Schau von ihrer besten Seite präsentieren können.

Wie ergeht es Ihnen, wenn Ihre Rinder ihren letzten Gang antreten und in den Schlachthof transportiert werden? Ruedi Kälin: Das bleibt mir zum Glück erspart. Früher wurde auf unserem Hof Rindermast betrieben. Doch das ist nichts für mich wegen der emotionalen Bindung, die Rinder ins Schlachthaus zu schicken. Mir sind die Tiere sehr ans Herz gewachsen. So betreibe ich Rinderzucht. 45 Rinder stehen in meinem Stall. Sie kommen mit vier Monaten zu uns und gehen im Alter von zwei bis drei Jahren zurück zu den Bauern, denen sie gehören. Ich habe 38 Tiere unter Vertrag, die nach einer Zeit auf unserem Hof zurück zu ihren Besitzern gehen. Sieben Rinder gehören mir selber. Guido Zehnder: Mich bedrückt das immer, wenn eine meiner Kühe auf die Schlachtbank geführt wird. Es ist naturgemäss eine emotionale Sache. Wir haben unsere Tiere sehr gerne, und da entsteht auch eine Beziehung zwischen uns und den Rindern und Kühen. So schätze ich mich glücklich, dass 19 Rinder von mir von Ruedi aufgezogen werden. Ich selber betreibe mehrheitlich Milchlandwirtschaft und etwas Fleischproduktion.

Was unterscheidet Ihren Bauernhof von anderen Betrieben im Bezirk Einsiedeln? Ruedi Kälin: Unser Hauptbetriebszweig ist ausschliesslich die Rinderaufzucht, wir sind sozusagen eine «Ferienpension» für Rinder. Meine Familie und Eltern kümmern sich genauso um die Rinder wie ich. Die Kinder haben von klein auf einen Bezug zu den Tieren. Ich als Bauer könnte ohne meine Familie den Hof mit Nebenerwerb nicht alleine betreiben. Guido Zehnder: Der Vorteil eines Familienanschlusses besteht darin, dass sich auf diese Weise auch eher eine Nachfolgeregelung finden lässt. Eines meiner Kinder wird denn den Hof übernehmen.

Welche Perspektiven hat die Landwirtschaft im Bezirk Einsiedeln?

Guido Zehnder: Bauern erleben derzeit harte Zeiten. Ich will nicht vollends schwarzmalen, aber wenn sich nicht Entscheidendes ändert in der Strategie der Landwirtschaftspolitik, wird ein Bauernsterben überhandnehmen. Deswegen richten sich nun alle Augen auf die Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab dem Jahr 2022: Im kommenden Jahr werden hierzu Beschlüsse gefasst, die über das weitere Schicksal der Bauern entscheiden werden.

Ruedi Kälin: Ohne Nebenerwerb kann die grosse Mehrheit der Bauern schon längst nicht mehr wirtschaften: Etwa vier Fünftel der Landwirte gehen einer Nebenbeschäftigung nach, um über die Runden zu kommen. Was nichts daran ändert, dass man gleichzeitig 365 Tage im Jahr im Stall steht. Glauben Sie an die Schöpfung und dass Gott all diese wunderbaren Tiere erschaffen hat? Guido Zehnder: Man kann die Schöpfung naturgemäss aus einer wissenschaftlichen oder aus einer religiösen Perspektive betrachten. Fakt ist, dass wir sehr verwurzelt sind mit der Erde, auf der wir stehen. Wir sind geerdet dadurch, dass wir einen Bezug zur Natur und zu den Tieren haben.

Wohin bewegt sich die Welt? Guido Zehnder: Ich habe da eine nicht allzu optimistische Sicht, was die Entwicklung der Menschheit als Ganzes betrifft: Die Menschen sind zunehmend entwurzelt, isoliert, heimatlos. Jeder schaut nur noch für sich, der Egoismus nimmt überhand. Grundsätzlich macht sich ein hoher ökonomischer Druck bemerkbar, der auf den Menschen lastet.

Die Swiss Expo findet vom 13. bis 16. Januar in Genf statt. Aufgrund der Corona-Pandemie sind keine Besucher an der Schau zugelassen. Es wird ein Livestream angeboten.

Ruedi Kälin und Guido Zehnder trainieren wöchentlich mit Harmony und Amerika, zwei Rindern der Rasse Original Braunvieh, das geführte Gehen (von links). Nicht zu vergessen sind die Kinder als Betreuer-Team: Tim, Robin, Célestine, Lorena, Lavinia und Livio (nicht im Bild).

Fotos: Magnus Leibundgut

Mit Stolz präsentieren Celestine und Lorena Zehnder die beiden Kühe Walburga und Kenia an der Schau Sorexpo in Zug, die im Januar dieses Jahres über die Bühne ging (von links).

Foto: zvg

Ruedi Kälin

ml. Ruedi Kälin ist am 23. Mai 1981 in Einsiedeln geboren und aufgewachsen. Nach 16 Jahren Selbstständigkeit als Zimmermann, im Winterdienst und als Logistiker übernahm er zusammen mit seiner Frau den Bauernhof seiner Eltern im Haupterwerb. Im Nebenerwerb führt Ruedi Kälin seine Selbstständigkeit in geringerem Rahmen weiter. Ruedi Kälin hat zwei Kinder und lebt in Einsiedeln.

Guido Zehnder

ml. Guido Zehnder ist am 15. Februar 1967 in Einsiedeln geboren und in Bennau aufgewachsen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Landwirt und übernahm den elterlichen Hof. Guido Zehnder ist Passivmitglied der Schützengesellschaft Bennau, hat Vorstandsmandate und ist kantonaler Viehschau-Experte. Zu seinen Hobbys gehören Viehzucht und die Familie. Guido Zehnder ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Bennau.

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