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ZWISCHENLUEGETEN 3

ERNST FRIEDLI

Eigentlich wollten wir am Sonntagmorgen nur gemütlich frühstücken. Klärli hatte schon aufgetischt und wir setzten uns ausgeschlafen und im warmen Morgenrock an den Tisch. Warum es mir ausgerechnet bei diesem Zmorge aufgefallen ist, weiss ich nicht mehr. Wir haben doch auch schon früher den Sonntag so begonnen.

Schuld war, glaube ich, Klärlis Banane. Wir konnten es zwar beide fast nicht glauben, als wir es kontrollierten. Aber es war wirklich so: Klärlis Banane kam aus Ecuador, der Honig aus der Toskana, der Apfel aus dem Kanton Zug, das Joghurt aus Graubünden, die Butter von der Alp Zwäcken, die Trauben aus Spanien, die Konfitüre aus Bischofszell, der Weichkäse aus Moudon, der Zucker aus Aarberg, die Mandeln aus Kalifornien, die Haselnüsse aus Italien, die Baumnüsse aus Moldawien, die Milch aus dem Käseparadies, das Brot aus der Grotzenmühle und der Kaffee aus Kolumbien. Unser Sonntagsporzellan stammt aus England, das Besteck aus Deutschland, die Servietten aus Schweden, die Kerzen aus Dänemark, und mein Morgenrock aus Österreich. Unsere Stubenlampe kommt aus Solothurn und der Teppich aus Anatolien. Aus welcher Region der Welt unsere Stühle sind, werden wir noch abklären.

Ich selber komme bekanntlich aus Marbach, was auch schon ausserkantonal ist. Mit Ausnahme von Milch, Brot und Butter war Klärli das einzig wirklich Regionale an unserem Tisch. Aber nachdem sie die Banane gegessen hatte, hatte ich einen Moment lang den Eindruck, sie sei diskret ecuadorianischer geworden.

* Ernst Friedli, 64, seit Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und staunt, dass fast die ganze Welt auf seinem Tisch Platz hat.

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