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Die Alters- und Pflegeheime wollen keine Abriegelung mehr

Die Alters- und Pflegeheime wollen  keine Abriegelung mehr Die Alters- und Pflegeheime wollen  keine Abriegelung mehr

Das Alterszentrum Gerbe im Klosterdorf hat aktuell keinen Corona-Fall. Das Pflegeheim Ybrig und das Alters- und Pflegeheim Langrüti in Einsiedeln melden derweil je zwei positiv getestete Mitarbeitende. Trotz einer Verschärfung der Corona- Pandemie halten die Heime am Besuchs- und Ausgangsrecht fest: Sie wollen keine Abriegelung mehr wie noch während des Lockdowns im Frühling.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Die Coronazahlen im Kanton Schwyz steigen stark an: Er hat aktuell eine der höchsten positiven Covid-19-Fallzahlen im Verhältnis zur Bevölkerung pro Kopf zu verzeichnen. Das generelle Ansteigen der Fallzahlen wirkt sich naturgemäss auch auf die Altersheime aus: So sind im Goldauer Alterszentrum Mythenpark zwanzig Bewohner positiv getestet worden. Auch das Personal im «Mythenpark» ist von der Krankheit betroffen: So werden dort zwölf positiv getestete Mitarbeitende gezählt. Ebenfalls einen positiven Corona-Fall meldet das Kapuzinerkloster in Schwyz.

«Derzeit sind bei uns keine Bewohnerinnen und Bewohner vom Coronavirus betroffen», sagt Markus Forster, Leiter des Alters- und Pflegeheims Langrüti: «Zwei Mitarbeitende wurden positiv auf das Covid-19-Virus getestet. Sie befinden sich zu Hause in Isolation.» Beide Mitarbeitende würden nicht im Pflegebereich arbeiten und hätten nur beschränkt direkte Bewohnerkontakte.

Auf Zimmerservice umgestellt

«Seit zwei Wochen haben wir unsere Cafeteria geschlossen», berichtet der Heimleiter: «Diese Massnahme werden wir bis auf Weiteres aufrechterhalten. Damit wir eine mögliche Ansteckung der Bewohner untereinander möglichst vermeiden können, servieren wir seit einer Woche erneut als zusätzliche Schutzmassnahme sämtliche Mahlzeiten in den Bewohnerzimmern. » Dieser Schritt sei nötig geworden, weil im Speisesaal und auf den Wohngruppen nicht für genügend Abstand gesorgt werden könne, konstatiert Forster: Ausgenommen seien die Bewohnerinnen und Bewohner der Demenzwohngruppe Alpoase, die bereits in einer Kleingruppe leben.

«Die Cafeteria und den Speisesaal können unsere Bewohnerinnen und Bewohner für Konsumationen und soziale Kontakte nutzen», betont der Heimleiter: Um die Abstandsregelung einzuhalten sei pro Tisch aber nur eine Person erlaubt. Auch in den übrigen Räumlichkeiten sollen die Bewohner untereinander möglichst wieder einen Abstand von 1,5 Metern einhalten. «Aktivierungen wie Lotto, bei denen der Abstand eingehalten werden kann, finden weiterhin statt», schildert Markus Forster.

«Es fällt uns sehr schwer, dass wir wieder diese strikten Massnahmen durchführen müssen», hält der Leiter fest: «Um unsere Bewohner zu schützen, bleibt uns aber aufgrund der aktuellen Lage nichts anderes übrig.» Die Besuchsregelung bleibt wie bis anhin bestehen: Besuche sind täglich von 10 bis 11.30 Uhr und von 13.30 bis 17.30 Uhr ohne Voranmeldung möglich.

Kein Besuchs- und Ausgehverbot im Fokus «Die Besuche müssen ausschliesslich in den Bewohnerzimmern stattfinden. Getränke und Snacks können in der Cafeteria bezogen, müssen aber im Zimmer konsumiert werden», führt Forster aus: «Eine Hygienemaske muss während des gesamten Aufenthalts getragen werden. Während der Konsumation darf diese kurz unter das Kinn geschoben werden. Wir empfehlen, dass nicht mehr als zwei Personen gleichzeitig zu Besuch kommen.» Nicht in Frage komme, dass man wieder ein Regime gelten lasse wie im Frühling während des Lockdowns, als Altersheime in der Schweiz abgeriegelt wurden. «Es gibt von uns aus kein generelles Ausgehverbot für unsere Bewohner – ausser dieses würde vom Kanton verfügt », fasst Forster zusammen: «Wir empfehlen unseren Bewohnern aber weiterhin dringend, vorübergehend auf Restaurantbesuche und Einkäufe im Dorf zu verzichten.» «Wir haben aktuell keinen Fall bei uns», sagt Clemens Egli, Geschäftsführer des Alters- und Pflegezentrums Gerbe: «Dies sicher nicht zuletzt dank der getroffenen Massnahmen. Aber vor allem hatten wir bis jetzt auch Glück.» Zurzeit sei eine Ansteckung auch mit allen Massnahmen nicht auszuschliessen. «Dass wir wieder ein Besuchsverbot einführen müssen wie während des Lockdowns im Frühling, möchten wir verhindern, indem nach wie vor Schutzmassnahmen vorhanden sind», gibt Egli zur Auskunft: Man wolle keine Abriegelung der Heime wie damals.

So seien Besuche möglich von Verwandten und Personen, die regelmässig in Kontakt mit den Bewohnern gestanden seien, erzählt Egli: «Besucher müssen sich beim Haupteingang Haus 2 am Empfang melden und via elektronischer Registrierung und Zutritts-Formular (Contact Tracing) registrieren.» Die Besucher müssten während der ganzen Besuchszeit eine Hygienemaske tragen.

Eine Ausgehregelung gebe es grundsätzlich keine. «Nach wie vor, und im Moment speziell, empfehlen wir allen Bewohnern, Besuche in Restaurants und Einkaufsläden sowie die Teilnahme an Veranstaltungen zu unterlassen », sagt Egli: Dies zum eigenen Schutz, aber auch dem Schutz der Mitbewohner.

Essen im Speisesaal möglich

Die Mahlzeiten können seit Längerem wieder im Speisesaal und im Office auf den Abteilungen eingenommen werden. «Der nötige Abstand ist aktuell wieder von grosser Bedeutung», resümiert Egli: «Möchte ein Bewohner zum Selbstschutz die Mahlzeiten im Zimmer einnehmen, wird dies selbstverständlich ermöglicht. » Die Bedürfnisse der Bewohner würden auch im Zusammenhang mit den Schutzmassnahmen möglichst berücksichtigt.

«Lange hatte man nach dem Lockdown den Eindruck, dass wir im Ybrig und im Kanton Schwyz geschützt sind vor Corona », schreibt Monika Schreiner, Leitung Pflege und Betreuung sowie Heimleitung-Stellvertreterin des Alters- und Pflegeheims Ybrig: Doch in kürzester Zeit sei der Kanton Schwyz mit den Fallzahlen gesamtschweizerisch weit vorgerückt.

In den Medien sei zu lesen, dass die Pflegeheime gut ausgerüstet seien und es genügend Schutzmaterialien hätte, konstatiert Schreiner: «Die Realität sieht etwas anders aus.» Die Bestellung von Schutzmaterialien sei nach wie vor kritisch, zumal das Material nicht immer den medizinischen Anforderungen entspreche und viel schlechte Qualität auf dem Markt angeboten werde. «Die Evaluation nimmt viel Zeit in Anspruch», betont die Heimleitung-Stellvertreterin: Schlimmer aber sei es, dass es immer schwieriger werde, die Bewohnenden zu schützen – trotz konsequent umgesetzter Schutzmassnahmen.

«Bewohner sind sozial massiv eingeschränkt» «Bisher ist uns das gelungen, aber es ist für die Bewohnenden mit grossen Einschränkungen verbunden», führt Schreiner aus: «Wir mussten und müssen immer wieder Massnahmen ergreifen, welche die Bewohner in ihren sozialen Kontakten massiv einschränken.» So müssten Bewohner, wenn ein Test vorgenommen werde, mindestens bis zum Testergebnis im Zimmer bleiben. Schnell sei es bei einem Verdacht notwendig, dass eine ganze Abteilung oder alle Bewohner des Heimes im Zimmer isoliert würden beziehungsweise unter Quarantäne stünden. «Dabei erhalten wir wertvolle Beratung und Hilfe vom kantonsärztlichen Dienst», sagt Schreiner.

«Da Schnelltests nicht mehr vorhanden sind, dauert dies manchmal ein bis zwei Tage oder länger, bis die Resultate vorliegen », bemerkt Schreiner: «Bewohnende, die an einer Demenz erkrankt sind, können wir gar nicht im Zimmer isolieren, da sie immer im Blick einer Pflegeperson sein sollten wegen Hilfe, Unterstützung und Begleitung.» Es wäre in der Isolation nicht möglich, eine Eins-zu-eins-Betreuung zu bieten.

«Die Kosten für Materialien, die für Schutzmassnahmen eingesetzt werden, sind enorm», stellt Schreiner fest: Personelle Ressourcen seien schnell erschöpft, da bei Zimmerservice für alles wesentlich mehr helfende Hände gefragt seien.

Es sei kein einfaches Unterfangen für das Personal, im Zimmer nach dem Rechten zu schauen, die Bewohnenden bei Stimmung zu halten und ihnen Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln – wohlverstanden hinter Schutzkitteln, Hygienemasken, Brillen und mit Handschuhen. «Angst, Bewohner anzustecken, begleitet das Personal» «Angst ist unser täglicher Begleiter – sowohl für die Bewohnenden als auch für die Mitarbeitenden », heisst es in der Medienmitteilung weiter: Angst davor, unwissentlich die Bewohnenden zu gefährden, da Symptome oft kaum spürbar seien.

«Angst begleitet auch die verantwortlichen Personen, da jeder Tag eine neue Herausforderung darstellt und wir mit Problemen konfrontiert sind, die wir so noch nicht hatten oder kennen », führt die Leitung Pflege und Betreuung aus: «Unsere eigentliche Aufgabe ist zum Teil in den Hintergrund gerückt. Es tut oft weh, den Menschen im Heim und ihren Angehörigen nicht gerecht werden zu können.» Viele Besucher zeigten Verständnis für die Massnahmen,da ihnen das Wohl ihrer Angehörigen ein Anliegen sei, berichtet Schreiner: «Manchmal wird die Hygienemaske aber hinter der geschlossenen Zimmertür auch schnell wieder ab- oder runtergezogen.» Die Kommunikation sei schwierig, denn höreingeschränkte ältere Menschen würden auf den Mund bei der Sprache, auf Mimik und Gesten achten.

«Contact-Tracing hat zu wenig Kapazitäten»

«Unsere Erfahrung zeigt aber, dass eine Hygienemaske nützt, denn unsere Mitarbeitenden tragen diese seit März konsequent während den Diensten», hält die stellvertretende Leiterin des Heims in Unteriberg fest: «So konnten wir auch verhindern, dass zwei positiv getestete Mitarbeitende unsere Bewohnenden beziehungsweise Mitarbeitenden angesteckt haben.» Leider nehme die Anzahl positiv getesteter Menschen zu, sagt Monika Schreiner: Das Contact- Tracing habe zu wenig Kapazitäten, und positiv getestete Personen müssten selber weiter informieren. Nicht alle hätten die gleiche Meinung zu notwendiger oder nicht notwendiger Vorsicht.

«Wir in den Heimen sind dringend auf Unterstützung angewiesen »,fasst Schreiner zusammen: Angewiesen auf das konsequente Umsetzen der Schutzmassnahmen, angewiesen darauf, dass man das Heim informiere, wenn ein Bewohner, zum Beispiel bei einer Einladung im Dorf oder bei der Familie, Kontakt hatte mit positiv getesteten Personen. «Wir sind angewiesen darauf, dass auch in der Öffentlichkeit die Schutzkonzepte umgesetzt werden», lautet das Schlusswort von Monika Schreiner.

«Es gibt von uns aus kein generelles Ausgehverbot für unsere Bewohner im Heim Langrüti.»

Markus Forster

«Die Bedürfnisse der Bewohner im Zentrum Gerbe werden möglichst berücksichtigt.»

Clemens Egli

«Die Bestellung von Schutzmaterialien ist kritisch. Die Evaluation nimmt viel Zeit in Anspruch.»

Monika Schreiner

Bis anhin ist es dem Alters- und Pflegeheim Ybrig erfolgreich gelungen, seine Bewohner vor einer Ansteckung durch das Coronavirus zu schützen. Fotos: zvg

Markus Forster ist Leiter des Alters- und Pflegeheims Langrüti in Einsiedeln.

Monika Schreiner ist stellvertretende Leiterin des Alters- und Pflegeheims Ybrig in Unteriberg.

Clemens Egli ist Geschäftsführer des Alters- und Pflegezentrums Gerbe im Klosterdorf.

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