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Hutmacherin – ein «ProSpecieRara-Beruf»

Hutmacherin – ein «ProSpecieRara-Beruf» Hutmacherin – ein «ProSpecieRara-Beruf»

Die junge Egger Bekleidungsgestalterin Alessia Hediger im Reich der Hüte

Kein Wunder fühlt sich Alessia Hediger an ihrem neuen Lern- und Wirkungsort in Luzern richtiggehend daheim. In der Werkstatt und im Verkaufslokal «Caroline Felber, Hüte und Mützen GmbH» widerspiegeln sich in jedem Detail der Charme, die Leidenschaft und die Kompetenz der Geschäftsführerin.

MARLIES MATHIS

Bride, Cloche, Canotier, Kreissäge, Konus, Entrée, Holzkopf, appretieren, … – alles Ausdrücke, welche für nicht Eingeweihte dieses Berufs wortwörtlich nicht unter einen Hut zu bringen sind und bloss Fragezeichen auslösen. Für Bekleidungsgestalterinnen, Schwerpunkt Kopfbedeckung, wie die neue Berufsbezeichnung der Modistin heute korrekt heisst, sind sie jedoch tägliches Brot.

Der inzwischen sehr selten gewordene Frauenberuf übt seine Faszination auch auf die 20-jährige Bekleidungsgestalterin Alessia Hediger aus. Als sie im Sommer ihre dreijährige Ausbildung mit Schwerpunkt Damenbekleidung im Lehratelier für Bekleidungsgestaltung in Altdorf wegen Corona etwas unkonventionell, aber erfolgreich abschloss, ging es parallel dazu um Stellensuche. In diesem Beruf ist es für frischgebackene Absolventinnen nicht einfach, eine den eigenen Bedürfnissen entsprechende Arbeitsstelle zu finden, werden doch in erster Linie Berufsleute mit Erfahrung gewünscht.

Beim konkreten Suchen im Internet ist der jungen Eggerin ein Stellenangebot für ein einjähriges Praktikum bei der Modistin Caroline Felber in Luzern ins Auge gestochen, und sie hat sich spontan darauf gemeldet.

Nach einer kurzen Schnupperlehre, bei der sie wohl ihre zukünftige Arbeitgeberin mit ihren erworbenen Fertigkeiten, aber gewiss auch mit ihrer Begeisterung und ihrem Talent für diesen Beruf und nicht zuletzt mit ihrer zuverlässigen und einnehmenden Persönlichkeit überzeugt hatte, konnte sie Anfang August in der Luzerner Hutmacherei, zusammen mit einer zweiten Bekleidungsgestalterin, ihr spezifisches Praktikum beginnen. Im Übrigen hat Alessia Hediger ihre Begabung für das Gestalterische gewiss nicht gestohlen, hatte doch bereits ihre Ururgrossmutter väterlicherseits ein Hutmachergeschäft in Muotathal geführt und war ihre Urgrossmutter mütterlicherseits ebenfalls schon gelernte Damenschneiderin!

Ein Paradies von Hutmacherei Dass sich die gelernte Bekleidungsgestalterin Damenbekleidung seit dem ersten Tag sehr wohl fühlt an ihrer neuen Arbeits- und Praktikumsstelle, liegt einerseits am wunderschönen Geschäft mit Ladenlokal und Produktionsstätte am Fusse der Hofkirche in Luzern. Andererseits ist es Caroline Felber selber, die mit ihrer ruhigen, aber auch leidenschaftlichen, humorvollen und begeisternden Art und ihrer enormen Erfahrung und Freude am Beruf der einmaligen Hutmacherei ihre Ausstrahlung verleiht.

Allein wenn man einen Blick durch die hohen und mit Stil dekorierten Schaufenster wirft, ist man hin und weg von diesem Bijou. Hüte und Mützen jeglicher Form und Farbe und aus den verschiedensten Textilien gefertigt, alte umfunktionierte Apothekerschränke mit Schätzen aller Art in den zahlreichen Schubladen, von A wie Agraffen, B wie Bändern, Blumen, Broschen über F wie Fäden, Federn bis hin zu Knöpfen, Perlen, Schmuckspangen und Z wie Ziersteinchen inspirieren und faszinieren den Betrachter. Aber auch Nähmaschinen mitten im Verkaufslokal, Spiegel, wunderschön gemalte Hutschachteln, hölzerne und Aluminium-Köpfe in allen Grössen, edle Stoffe, Pelze, Filz und Stroh, Fachliteratur mit modischen Hutmodellen in grossformatigen Bildern und der schmucke alte Parkettboden erfreuen Auge und Gemüt.

Handwerkliches Geschick gefragt Mittendrin die beiden Alessias, die nach Anleitung ihrer versierten Chefin an neuen Kreationen, Auftragsarbeiten oder Änderungswünschen an der Nähmaschine sitzen oder von Hand mit Nadel und Faden knifflige Herausforderungen meistern. Immer wieder vergewissern sie sich bei Caroline Felber, ob sie auf dem richtigen Weg sind oder stellen Fragen, wenn sie nicht weiter wissen. Mit unglaublicher Geduld gibt die engagierte Modistin da einen Tipp, verrät dort einen Trick und wird eine Kopfbedeckung immer und immer wieder aufgesetzt, bis sie nach etlichen kleinen Anpassungen endlich zur Zufriedenheit aller fertig ist, kommt doch hier die Meinung des Teams voll zum Tragen, was von Alessia Hediger besonders geschätzt wird. So kann ein weiteres Unikat aus der Hut-Manufaktur an der Stiftstrasse 4 in Luzern, auch dank fachkundiger und persönlicher Beratung, zu einer zufriedenen Kundin oder einem Kunden gelangen oder zuerst einmal die Auslage im Geschäft zieren. Gerade das Entstehen und das Umsetzen von kreativen Ideen, die kleinen gestalterischen Schritte und die präzise Handarbeit machen wohl nebst den edlen Materialien das Geheimnis dieses traditionellen Kunsthandwerks aus. Da heisst es einfach praktisch üben, üben und nochmals üben, und zum Glück können die beiden jungen Praktikantinnen dabei immer auf die enorme Erfahrung und das feine Gespür ihrer Arbeitgeberin zählen.

Caroline Felber selber hat die dreijährige Lehre des Hutmachens 1985 mit der Berufsbezeichnung Modistin abgeschlossen. Unterdessen hat sich der Name des Berufs geändert, das Handwerk ist jedoch dasselbe geblieben. Die ehemaligen Berufe Schneider/-in, Kürschner/- in und Modistin sind im Rahmen der neuen Bildungsverordnung im Jahr 2013 in einem Berufsfeld zusammengenommen worden. Innerhalb des Berufs der Bekleidungsgestalterin oder des Bekleidungsgestalters auf Stufe Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis gibt es fünf Schwerpunkte: Damenbekleidung, Herrenbekleidung, Pelzbekleidung, Kopfbedeckung und die Berufs- und Schutzkleidung. Der Schwerpunkt wird jeweils durch den Ausbildungsort bestimmt.

Engagiert und zukunftsorientiert Ihr Ziel sei es, sagt die Kunsthandwerkerin, den zwei jungen Damen wie allen früheren Praktikantinnen und den über 25 ehemaligen Lernenden so viel Übung, Anwendung, Beratung und Umgang mit Kundinnen und Kunden und vor allem Freude mitzugeben, dass sie diese in die Selbstständigkeit entlassen könne. Natürlich würden nachher noch die ganze Erfahrung mit den verschiedensten Materialien, das langjährig erworbene Fachwissen, traditionelle wie zeitgenössische Fertigungsmethoden, aber auch das persönliche Interesse und der zielgerichtete Wille dazukommen, um aus dem Gelernten das Beste zu machen.

Caroline Felber ist selber wohl das beste Beispiel für all diese Eigenschaften, ja sie setzt sich, nebst ihrem persönlichen Interesse für die Geschichte, die Symbolik und die soziokulturelle Bedeutung des Huts, geradezu vehement für den Beruf der Modistin ein. So führte sie während Jahren ein Lehratelier, war Kursleiterin im Ballenberg und ebenso Präsidentin ihres Berufsverbandes. Sie wehrt sich denn auch energisch gegen die Formulierung der Schreiberin, dass dieser typische und schlecht bezahlte Frauenberuf doch eigentlich am Aussterben sei. Für sie sei Hutmacherin ein «ProSpecie-Rara-Beruf», sagt sie mit einem schelmischen Lächeln, aber deshalb nicht minder ernst gemeint. Und fügt entschlossen an, dass sie sich auch weiterhin mit Herzblut dafür einsetze, dass Bekleidungsgestalterin in allen Schwerpunkten ein «Ernährerinnenberuf» werde, wie sie sich ausdrückt.

Diesen Wunschtraum hat auch die junge und zielstrebige Eggerin Alessia Hediger, möchte sie doch später ebenfalls einmal ein eigenes, wenn auch kleineres Geschäft führen, in welchem sie mitten in einer Boutique Kleidungsstücke aller Art nähen und gleichzeitig die passenden Hüte selber anfertigen und verkaufen kann. Wer ihre selbstkreierten und genähten und von ihr auf dem Laufsteg an der Lehrlingsmodeschau in Altdorf selber präsentierten Kleider gesehen hat, zweifelt keinen Augenblick daran, dass sie bereits einen grossen Schritt in diese Richtung getan hat. Mit ihrem Praktikum in der Hutmacherei, die ihr ästhetisches Flair, ihre schöpferische Kreativität und ihre präzise (Hand-)Arbeit voll zum Zuge kommen lassen, wird sie ihre Kundschaft in Bekleidungsfragen gewiss umfassend zufriedenstellen, ja begeistern können.

Die beiden Alessias profitieren ausserordentlich viel von ihrer sympathischen und erfahrenen Chefin, der Modistin Caroline Felber (links).

Obwohl erst seit kurzer Zeit als Hutmacher-Praktikantin tätig, durfte sie bereits eigene Hüte, wie den grünen in der vielfältigen Auslage, kreieren und anfertigen.

Fotos: Marlies Mathis

Holzköpfe und -formen jeglicher Art sind unabdingbar.

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