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50 Jahre Club Schwedentritt

50 Jahre  Club Schwedentritt 50 Jahre  Club Schwedentritt

«Langlauf wurde zur Trendsportart»

Interview mit Alois Oberholzer, Präsident des Clubs Schwedentritt Einsiedeln, zum 50-Jahr-Jubiläum des Vereins

Vor 50 Jahren wurde die älteste Loipen-Organisation der Schweiz gegründet: der Club Schwedentritt Einsiedeln. Präsident Alois Oberholzer erzählt im Interview von der öffentlichen Bedeutung des Vereins – und weist auf seine aktuellen Herausforderungen hin.

WOLFGANG HOLZ

Herr Oberholzer, der Club Schwedentritt ist 50 Jahre alt. Welche Bedeutung hat dieses Jubiläum aus heutiger Sicht? Der Club Schwedentritt wurde 1970 unter anderem zur Förderung des Breitensports und des Langlaufs im Allgemeinen gegründet. Der Club hat seit der Gründung für die Region Einsiedeln und insbesondere den Wintertourismus sehr viel geleistet, hat die Gesundheit der Leute gefördert und Abertausenden von Besuchern Erholung und Erlebnis in der freien Natur ermöglicht. Auch zur Wertschöpfung der Tourismusund Sportregion Einsiedeln hat der Club während den vergangenen 50 Jahren einen Beitrag geleistet, der respektabel ist und auch erwähnt werden darf. Und dies notabene alles zum Null-Tarif für Einsiedeln. Wie ist es denn zur Gründung des Vereins gekommen? Die Gründung des Vereins steht eng in Verbindung mit der Olympiakandidatur der Stadt Zürich von 1976. Mit dieser Kandidatur wurde auch der Gedanke für den Breitensport Skilanglauf in der Schweiz geboren. Animiert durch die damaligen Erfolge der Schweizer Langläufer. Wisel Kälin holte ja bekanntlich die Silbermedaille in der Nordischen Kombination und Sepp Haas die Bronzemedaille im 50-Kilometer-Langlauf 1968 bei den Olympischen Spielen in Grenoble. Dadurch wurde ein eigentlicher Langlauf-Boom ausgelöst, der auch die kühnsten Erwartungen übertraf.

Was bedeutete das konkret? Das bedeutete: Der Ruf nach gut präparierten Langlauf- beziehungsweise Wanderloipen wurde immer lauter. Langlauf wurde zur ersten Trendsportart in der Schweiz. Etwas später folgten dann Laufen – Strassen- und Bergläufe – sowie Mountain-Bike. Wann wurde denn die Schweden-tritt Loipe zum ersten Mal eröffnet?

Die Saisoneröffnung der Schwedentritt- Loipe erfolgte am 16. Dezember 1969 und fand unter grossem medialem Interesse statt. Zuerst im Restaurant Zunfthaus zum Bären und später im Restaurant Rössli in Egg trafen sich die Verantwortlichen der Olympiakandidatur Zürich 1976 – darunter Zürichs Stadtpräsident Sigmund Widmer – sowie die Verantwortlichen der Langlaufloipe Schwedentritt zur offiziellen Saison- Eröffnung.

Wobei es in Einsiedeln natürlich schon Langlaufloipen vor der Gründung des Clubs Schwedentritt gab. Auch in der «Tagesschau» wurde damals über den Saisonstart auf dem Schwedentritt für alle Langlaufbegeisterten berichtet. Nebst dem TV waren sage und schreibe 12 Tages- und Ortszeitungen, Radio Zürich sowie drei Fotodienste an der Eröffnung dabei.

Das ist ja toll! Knapp ein Jahr später, am 28. September 1970, fand dann die Gründungsversammlung des Clubs Schwedentritt im Zunfthaus statt. Das ist richtig. Die Gründungsmitglieder wählten als ersten Präsidenten Carl Kälin aus Egg, der in Zürich in der Werbebranche tätig war und weitreichende Beziehungen zur Wirtschaft und zu den Medien pflegte. Die Gründungsmitglieder hatten sich zum Ziel gesetzt, dass sowohl die Stadt Zürich als auch Einsiedeln ausgewogen und mit gleichen Anteilen im Vorstand vertreten sein sollten. Dies hat sich im Verlaufe der Jahre verändert. Heute besteht der Club Schwedentritt nur noch aus Vorstandsmitgliedern aus der Region Einsiedeln.

Wie kam man eigentlich auf den Namen Schwedentritt – ein lustiger Name für eine Langlaufloipe? Der Name Schwedentritt entstand rund 20 Jahre vor der Gründung des Clubs. Im Jahr 1952 fand in Einsiedeln das Zürcher Verbandsskirennen in den nordischen und alpinen Disziplinen statt. Man wollte eine interessante und abwechslungsreiche Strecke anlegen. Die Gründungsmitglieder Emil Ochsner und Walter Eberle suchten im Gebiet Roblosen–Hirzenstein– Schwantenau nach neuen Möglichkeiten, eine Langlaufspur anzulegen. Vom neuen Langlaufgebiet waren beide begeistert und mehr als überzeugt. Jetzt fehlen aber noch immer die Schweden … Zur damaligen Zeit waren die Schweden die besten Langläufer der Welt. Nils Karlsson, Mora Nisse, Martin Lyndström, Nils Oestenson, Nils Taepp und Sixten Jernberg waren für die damaligen Läufer grosse Vorbilder. Da das Gebiet Schwantenau auch zudem Landschaften im hohen Norden ähnelt, nannte Emil Ochsner die neue Loipe «Schwedentritt». Die Definition kann abgeleitet werden von: Tritt gleich Exploit. Will heissen: momentaner Antritt plus Schweden, also Schwedentritt.

Wie hat sich denn die neue Loipe in den darauffolgenden Jahren entwickelt? Der Club Schwedentritt fand sofort eine grosse Akzeptanz. Rasch stiegen die Mitgliederzahlen an, und der Club entwickelte sich im Jahre 1984 mit 3126 Mitgliedern zur zweitgrössten Langlauf-Organisation der Welt – neben Oslo. Heute pendelt die Mitgliederzahl zwischen 1200 und 1400 Personen. Anfänglich wurde die Loipe Schwedentritt mit einem Skidoo mit angehängtem Spurgerät präpariert. Mit der Anschaffung des ersten Pistenfahrzeuges 1971 für 31’000 Franken konnte die Loipen- Qualität wesentlich verbessert werden. Heute werden die 12 Loipen mit zwei modernen Pistenfahrzeugen, deren Anschaffungskosten sich auf je rund 250’000 Franken belief, präpariert. Welche Streckenlängen hat denn der Schwedentritt heutzutage als Loipen gespurt? Die Streckenlänge des Schwedentritts von anfänglich 25 Kilometern, die von vielen als die schönste Loipe der Schweiz beurteilt wird, ist im Lauf der Zeit auf die Halbmarathon-Distanz von 21,1 Kilometern reduziert worden. Das Loipen-Netz verfügt heute über eine 3-, 9-, 11- und 15-Kilometer-Loipe sowie über eine Halbmarathon-Loipe. Der Club Schwedentritt hat in den 70er- und 80er-Jahren dann in Gross eine zusätzliche Loipe unterhalten. Eine auf 5 Kilometer verkürzte Loipe führt nun der Sportclub-Gross weiter. Der Club Schwedentritt beteiligt sich noch an den Betriebs- und Fahrzeugkosten. Der Sportclub Gross verdient für sein Engagement ein grosses Dankeschön. Übrigens geniessen heute immer mehr Nichtlangläufer den Winter und die Natur auf Winterwanderwegen. Der Club Schwedentritt erstellt nebst den Langlauf- Loipen im Raume Brüel– Roblosen–Schwantenau übrigens auch ein Winterwanderwegenetz von rund 20 Kilometern, das sehr beliebt ist.

Der Schwedentritt hat längst auch eine eigene Langlaufschule und bietet eine Skivermietung an – der Club hat sich damit quasi zu einer Firma entwickelt. Stimmt. Kurz nach der Clubgründung hat Wisel Kälin auf dem Brüel eine Langlauf-Schule gegründet und später auch Mietmaterial für Besucherinnen und Besucher angeboten. Entsprechend dem Langlauf-Boom entwickelte sich auch die Langlauf-Schule. Unzählige liessen sich in die Geheimnisse des Sports und dessen Technik einweihen. Nach der Jahrtausendwende hat Wisel Kälin dann seine Langlaufschule und die Materialvermietung an Walter Schuler aus Alpthal übergeben. Ab der Saison 2018/19 führt nun der Club Schwedentritt die Langlauf-Schule Schwedentritt und die Ski- und Materialvermietung auf dem Brüel. Wir sind somit zu einem kleinen KMU-Betrieb mit rund 15 Teilzeitangestellten geworden. Der Aufwand für den Vorstand hat sich mit der Übernahme der Langlauf- Schule und der Skivermietung wesentlich erhöht. Mit dem Angebot kann der Club Schwedentritt aber bei einem durchschnittlichen Winter die finanziellen Mittel generieren, die zur Sicherstellung der Betriebskosten erforderlich sind. Es gibt ja auch noch ein Loipen-Café und Loipen-Beiz … Ja, die Infrastruktur wurde laufend erweitert. Im Jahr 1996 kaufte man dann die Militärbaracke Guggus mit 526 Quadratmetern Umschwung von der Schweizerischen Eidgenossenschaft. In der Baracke standen nun sechs grosse Garagen beziehungsweise Abstellräume für Fahrzeuge und Material zur Verfügung. Mit dem Bau des Parkhauses Brüel wurden im Parkhaus auf Wunsch des Schwedentritts Dusch- und Umkleideräume geschaffen. Beim Loipeneinstieg Brüel steht heute das Skivermietungsgebäude und das Loipen- Café zur Verfügung – letzteres wird aber nicht durch den Schwedentritt geführt. Nach Kilometer fünf der Strecke ist auf dem Hof Roblosen eine Loipenbeiz eröffnet worden. Der Club Schwedentritt war massgeblich an diesem Projekt beteiligt. Mit dem Besuchertreffpunkt auf dem Brüel und der Loipen-Beiz Roblosen steht den Besuchern nun ein Angebot zur Verfügung, das nebst den Langläufern auch von den Benützern der Winterwanderwege sehr geschätzt und rege benutzt wird. Auch sportlich gesehen kann sich der Schwedentritt sehen lassen. Genau. Auf den Schwedentritt-Loipen findet seit 1969 – organisiert durch den Skiclub-Einsiedeln – der Einsiedler-Volksskilauf, heute Einsiedler- Marathon genannt, statt. Analog zum Club Schwedentritt hat sich nämlich der Volksskilauf entwickelt. Das sieht man auch an den Teilnehmerzahlen. Nahmen im Jahr 1969 bei der ersten Austragung 558 Läuferinnen und Läufer teil, stieg die Teilnehmerzahl bis ins Jahr 1982 auf 3246 Sportler an und war somit nebst dem Engadin-Skimarathon die zweitgrösste Langlaufveranstaltung der Schweiz. Heute hat sich die Teilnehmerzahl auf 550 bis 650 Teilnehmende eingependelt. Aus dem Reingewinn des Volksskilaufes finanziert der Skiclub seit Jahrzehnten zum grossen Teil die Budgets der Renngruppen Nordisch und Alpin. Eine zentrale Frage, die sich einem immer wieder stellt: Wie konnte der Club Schwedentritt das alles finanzieren? Bei der Gründung im Jahre 1970 wurde der Jahresbeitrag auf minimal 25 Franken festgelegt. Im Verlauf der Jahre ist die örtliche Saisonkarte, der Gönnerausweis, auf 50 Franken erhöht worden. Mit der Gründung von Loipen-Schweiz, dem Zusammenschluss aller Langlauf-Organisationen, ist zusätzlich ein Loipen-Pass für derzeit 140 Franken eingeführt worden. Mit diesem Langlaufpass kann auf den Loipen in fast allen Langlaufgebieten der Schweiz die ganze Saison gelaufen werden. Das Budget des Clubs Schwedentritt beträgt heute rund 200’000 Franken. Aber das hat ja wohl finanziell nicht ausgereicht? Nein. Der Club Schwedentritt wurde seit der Gründung durch Sponsoren und Gönner unterstützt. Sei dies durch eine höhere Einzahlung des Mitgliederbeitrages oder durch Sponsoring von Grossunternehmen und vor allem auch durch örtliche KMU-Betriebe. All diesen Gönnern und Sponsoren gilt ein grosser Dank. Ohne diese Unterstützung hätte der Club Schwedentritt über viele Jahre seine jährlichen Betriebskosten nicht finanzieren und die Mittel für Fahrzeuganschaffungen nicht bereitstellen können. Heute können die Betriebskosten praktisch ohne Sponsorenbeiträge sichergestellt werden.

Das ist erstaunlich. Schliesslich hat der Schwedentritt in all den Jahren ja nie öffentliche Zuschüsse erhalten. Seit der Gründung des Clubs Schwedentritt fliessen tatsächlich keine öffentlichen Gelder in den Club. Es ist auch noch nie ein Beitragsgesuch an den Bezirk Einsiedeln gestellt worden. Das Wintertourismusangebot Skilanglauf kann die Bevölkerung somit ohne Steuergelder geniessen. Nicht zu vergessen: Alle Vorstandsmitglieder arbeiten seit der Gründung ehrenamtlich. Ein Präsident leistet jährlich je nach Bedarf ehrenamtlich Arbeiten im Umfang von 300 bis 400 Stunden. Wie ist das eigentlich mit den Bauern, die ihre Wiesen für die Loipen zur Verfügung stellen? Waren die immer gut auf den Schwedentritt zu sprechen? Den Bauern gebührt tatsächlich auch ein grosser Dank. Ohne den Goodwill der Landwirte und Landbesitzer könnten die Schweden-tritt Loipen nicht betrieben werden. Wir sind darauf angewiesen, ab Saisonbeginn bis im Frühjahr mit den Pistenfahrzeugen die Loipen präparieren zu können. Seit der Gründung des Clubs Schwedentritt wird zwischen den Schwedentritt- Bauern und dem Vorstand des Clubs Schwedentritt eine sehr gute Beziehung gepflegt, die in einem jährlichen Treffen mit Nachtessen und einer bescheidenen finanziellen Entschädigung immer wieder erneuert wird. Eigentlich ist der Club Schwedentritt also bestens aufgestellt für 50 weitere Jahre. Doch inzwischen nagt der Klimawandel an den Loipen. Sprich: Letzten Winter dauerte die Loipensaison gerade mal sechs Tage. Muss der Schwedentritt nun Kunstschnee produzieren? Nein. Der Club Schwedentritt hat Anfang dieses Jahrhunderts bereits einen Versuch mit Kunstschnee unternommen. Mit sogenannten Lanzen wurde Kunstschnee erzeugt und mit Landwirtschaftsfahrzeugen auf dem Brüel verteilt. Danach hat man mit dem Pistenfahrzeug die Loipe präpariert. Fazit: Nach drei Saisons wurde das Projekt eingestellt. Ausser Spesen nichts gewesen. Aber warum? Für viele ist Kunstschnee doch immer öfter das Zauberwort in immer schneeloseren Wintern?

Kunstschnee ist aus Sicht des Clubs Schwedentritt auf unserer Höhenlage mit 900 Metern einfach schwierig oder nur mit erheblichem finanziellem Aufwand realisierbar. Nebst den erforderlichen Minustemperaturen sprechen die aktuelle Klimaerwärmung und der Standort eher dagegen. In Davos oder auf der Lenzerheide herrschen für Kunstschnee klar idealere klimatische Bedingungen. Auch kann in Davos und Lenzerheide damit gerechnet werden, dass bei einem Wärmeeinbruch nicht gleich die ganze Kunstschnee-Decke wegschmilzt. Im Moment verfolgt der Club Schwedentritt deshalb kein weiteres Kunstschnee-Projekt. Letzte Frage: Wie feiern Sie Ihr Jubiläum in Zeiten von Corona? Das Jubiläum wurde wegen des Coronavirus abgesagt. Allfällige Aktivitäten oder Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum werden auf 2021 verschoben. Üblicherweise findet die GV des Clubs Schwedentritt Anfang November statt. Für das Jahr 2020 hat der Vorstand entschieden, die Versammlung abzusagen und die Mitglieder brieflich abstimmen zu lassen. Die zunehmenden Ansteckungszahlen, die für Herbst und Winter prognostiziert werden, waren entscheidend für die Absage. Zudem nehmen an der GV mehrheitlich Personen teil, die sich bereits im fortgeschrittenen Alter befinden und durch das Virus am stärksten betroffen sein können.

«Im Moment verfolgt der Club Schwedentritt kein weiteres Kunstschnee- Projekt.»

Amtierender Präsident Alois Oberholzer (67) vom Club Schwedentritt Einsiedeln. Foto: Wolfgang Holz

Immer wieder organisiert der Club Events mit der Jugend. Diverse Jugendveranstaltungen finden auf den Loipen jährlich statt.

Die Pistenmaschine ist auf der Loipe im Einsatz: Spurarbeiten im Gebiet Segelplatz.

Herrliches Panorama: Die Schwedentritt-Loipe im Gebiet der Roblosen. Im Hintergrund sind der Sihlsee und die Schwyzer Berge zu sehen. Fotos: zvg

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