Der gelbe Riese

BRIEF AUS DEN USA

Die gelben Schulbusse gehören genauso zum amerikanischen Strassenbild wie die roten Doppeldecker zu London. Wie die Doppeldecker wirken sie antik. Tatsächlich hat sich das Design der Schulbusse seit fast 80 Jahren kaum verändert. Heute wird landesweit über die Hälfte aller Schüler in den gelben Bussen transportiert. Die Busse halten ähnlich wie ein öffentliches Verkehrsmittel eine vorbestimmte Strecke und einen Fahrplan ein. Wer zwei Minuten zu spät an der Schulbushaltestelle ankommt, hat Pech gehabt. Obwohl die Fahrer ihre jungen Passagiere persönlich kennen, warten sie nicht auf Nachzügler. In fast allen Bussen reist eine Aufsichtsperson mit. Diese hilft behinderten Kindern beim Ein- und Aussteigen und sorgt für Ruhe und Ordnung im Bus. Solche Stellen sind für amerikanische Verhältnisse mittelmässig bezahlt und kommen mit einer grossen Verantwortung daher. Die Buschauffeure haben einen speziellen Führerschein.

Die Schulbusse kommen auch für Schulreisen zum Einsatz. Und auch für den Transport zu verschiedenen Sportanlässen in der Mittel- und Oberstufe sowie für sämtliche Programme, welche vor und nach den offiziellen Unterrichtszeiten stattfinden.

Erstaunlicherweise sind nur in den neusten Modellen Sicherheitsgurte für die Passagiere vorhanden. Das Design der Sitzbänke ist so konzipiert, dass bei einem Zusammenstoss jedes Sitzabteil als Pufferzone dient und die Sitze selbst den Aufprall abfedern können. Schulbusse gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln in den USA. Sie sind selten in Verkehrsunfälle verwickelt. Jedem Autofahrer ist bekannt, wie man sich um einen Schulbus herum zu verhalten hat und die Bussgelder sind hoch. Die Busse sind mit einem Stopparm und Rollstuhlrampen ausgerüstet und sie alle sehen fast genau gleich aus. Sie sind gross und schwer und dank demselben leuchtenden Gelb wie die Schweizer Postautos auch bei schlechten Wetterverhältnissen unübersehbar.

In Amerika ist jedes Kind lange vor dem ersten Schultag mit dem Schulbus vertraut. Das Kinderlied «Die Räder am Bus» und die Fernsehserie «der magische Schulbus» sind jedem Dreikäsehoch bekannt. Die erste Fahrt ist ein unvergessliches Erlebnis.

Mitte März dieses Jahres kamen – wie alles andere aufgrund des Coronavirus – auch die Schulbusse abrupt zum Halt. Seit wenigen Wochen sind sie wieder auf den Strassen unterwegs und dienen somit als Symbol der langsam wieder eintretenden Normalität. Es tut gut, diese gelben Riesen wieder in Bewegung und voller Kinder zu sehen, auch wenn sie Masken tragen müssen.

Regula Grenier * Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.