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Her mit Papier und Füllfeder

Her mit Papier und Füllfeder Her mit Papier und Füllfeder

ZWISCHENLUEGETEN 3

IDA OCHSNER

Liebe Leserinnen und Leser. Heraus jetzt mit Papier und Füllfeder! Oder mit Bleistift, dem Kugelschreiber oder meinetwegen mit Griffel und Wachstafel. Irgendetwas zur Hand nehmen, womit man schreiben kann, und zwar richtig schreiben, also auf Papier oder Papyrus, aber auf keinen Fall auf einem Bildschirm schreiben. Der internationale Tag des Briefes ist kostbarer denn je.

Der moderne Mensch schreibt und empfängt E-Mails, der moderne Mensch liest die E-Mails, vielleicht beantwortet er sie wenigstens und dann drückt der moderne Mensch ohne Bedauern auf «Löschen». Und weg ist sie.

Ein Brief ist wie ein unangemeldeter Besuch. «Ein Brief ist eine Seele. Er ist ein so treues Abbild der geliebten Stimme, die spricht, dass empfindsame Seelen ihn zu den köstlichsten Schätzen der Liebe zählen» (Honore de Balzac). Ja, das stimmt. Briefe sind ein Teil von seinem Autor. Sie werden aufbewahrt und wenn eine Brieffreundschaft in Brüche geht, wünscht man nicht selten die Rückgabe der Briefe des ehemaligen Partners – weil die ein Stückchen Seele bedeuteten.

Heute scheint mir die «Seele» längst in die Gefilde der ewigen Virtualität entschwunden zu sein. Ein menschliches Gegenteil dessen ist eine vor langer Zeit verschickte Karte meines Bruders an Mutti. Er war bei den Pfadfindern im Lager. Benedikt war unglücklich und allein. So schrieb er nach Hause: «Mutti, mich holen. Ich habe Heuweh …».

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