Veröffentlicht am

Corona trifft die Wirtschaft in Schwyz stärker als in anderen Kantonen

Corona trifft die Wirtschaft in Schwyz  stärker als in anderen Kantonen Corona trifft die Wirtschaft in Schwyz  stärker als in anderen Kantonen

Der Schwyzer Wirtschaftsprofessor Markus Rupp hat für den «Boten» die Corona-Auswirkungen auf die Schwyzer Wirtschaft analysiert.

CHRISTOPH CLAVADETSCHER

Neben der Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung hat die Corona- Krise bei vielen auch Besorgnis um die Wirtschaft ausgelöst. Ganz einfach gefragt: Wie gut geht es der Schwyzer Wirtschaft im Moment? Die momentane Situation muss differenziert betrachtet werden. Gemäss der Wirtschaftsprognose der Schwyzer Kantonalbank nimmt das Schwyzer Bruttoinlandprodukt BIP im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent ab. Als Folge des teilweisen Lockdowns ist das Gastgewerbe mit einem Einbruch von 22 Prozent weitaus am stärksten von der Corona-Krise betroffen.

Das heisst?

Für das Jahr 2021 rechnet man gemäss dieser Prognose mit einer Erholung. Konkret wird ein Plus von 3,8 Prozent gegenüber 2020 erwartet. Es gibt im Kanton Schwyz etliche Unternehmen, welche massiv unter den Folgen der Corona-Krise leiden und um das wirtschaftliche Überleben kämpfen werden. Können Sie diese Zahlen einordnen? Wo steht die Schwyzer Wirtschaft heute im Vergleich mit anderen Kantonen? Schweizweit wird das BIP in diesem Jahr gemäss der Schwyzer Wirtschaftsprognose um 2,5 Prozent zurückgehen. In allen aufgeführten Branchen erfasst die Corona-Krise den Kanton Schwyz leicht stärker als die Schweiz als Ganzes. Positiv zu werten ist der im Vergleich zu etlichen anderen Kantonen solide Finanzhaushalt des Kantons Schwyz. Weshalb ist das BIP im Kanton Schwyz stärker zurückgegangen als im Schweizer Durchschnitt?

Die Differenz zwischen dem Rückgang des BIP im Kanton Schwyz von 3 Prozent und demjenigen in der Schweiz von 2,5 Prozent ist marginal und deshalb schwierig plausibel zu erklären. Trotz BIP-Rückgang: Noch sind die Schwyzer Arbeitslosenzahlen nicht alarmierend, oder? Im Juli betrug die Arbeitslosenquote im Kanton Schwyz gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft Seco 1,5 Prozent. Gegenüber Juni ist der Wert vor allem aus saisonalen Gründen sogar etwas gesunken. Das kommt praktisch einer Vollbeschäftigung gleich. Gesamtschweizerisch liegt die Quote hingegen bei 3,2 Prozent. Das Seco erwartet im Jahr 2021 für die Schweiz einen leichten Anstieg der Arbeitslosenquote.

Wie werden sich die Arbeitslosenzahlen in Schwyz entwickeln?

Wie gesagt herrscht im Moment im Kanton Schwyz praktisch Vollbeschäftigung. Ich befürchte, dass die Arbeitslosenzahlen in den nächsten Monaten merklich steigen werden – wie stark, ist von vielen Faktoren abhängig. Von welchen zum Beispiel?

Der Ertrag ist bei diversen Unternehmen infolge der Pandemie dramatisch eingebrochen, weil wichtige Absatzmärkte weggebrochen sind. Für diese Firmen sind die Entwicklung der Corona- Fallzahlen und der Zeitpunkt eines Impfstoffes entscheidend. Je nachdem wird sich die Ertragslage mehr oder weniger schnell erholen – beispielsweise, indem ausländische Touristen wieder in die Schweiz kommen und konsumieren. Zudem gibt es erste Anzeichen, dass der seit vielen Jahren anhaltende Bauboom im Kanton Schwyz nachlässt und somit zu weniger Auslastung in der Baubranche führt. Die Entwicklung dieser Faktoren wird wegweisend sein, ob Unternehmen gezwungen sein werden, Stellen abzubauen.

Wie wichtig waren die Corona-Hilfskredite für die Schwyzer Wirtschaft? Gemäss Medienmitteilung des Kantons Schwyz vom 7. April haben 1700 Schwyzer Unternehmen Überbrückungskredite im Umfang von rund 325 Millionen Franken erhalten. Diese Kredite waren für viele Unternehmen im Kanton Schwyz für die Aufrechterhaltung der Liquidität überlebensnotwendig. Man muss sich vorstellen, dass es unzählige Unternehmen gab, welche quasi über Nacht bei unveränderten Kosten ohne Umsatz dastanden. Es hat mich sehr beeindruckt, wie schnell und unbürokratisch der Bund in Zusammenarbeit mit den Banken die Überbrückungskredite ermöglicht hat.

Und wie half die Kurzarbeit?

Gemäss dem Amt für Arbeit des Kantons Schwyz wurden etwa 4500 Anträge auf Kurzarbeit eingereicht. Rund 40’000 Arbeitsplätze waren betroffen. Inzwischen haben 3100 Firmen rund 100 Millionen Franken an Kurzarbeitsentschädigungen bezogen. Das sind sehr hohe und beeindruckende Werte. Dank diesem effizienten Instrumentarium konnten – gemessen an den aktuellen Arbeitslosenzahlen – Entlassungen von Mitarbeitern grösstenteils vermieden werden.

Wo sehen Sie aktuell Probleme in der Schwyzer Wirtschaft?

Das grösste Problem sehe ich bei Unternehmen, welche von der Corona-Krise betroffen sind und wo keine Erholung der Ertragslage absehbar ist. Stark leiden in erster Linie die Exportindustrie, etwa der Maschinenbau, die Tourismusbranche und dabei insbesondere Unternehmen, die stark von ausländischen Gästen abhängig sind. Weil Grossanlässe verboten wurden, erleiden zudem Betriebe in der Veranstaltungsbranche und deren Zulieferer starke Umsatzeinbussen. Welche Prognose stellen Sie somit der Schwyzer Wirtschaft? Die Entwicklung der Schwyzer Wirtschaft ist abhängig von vielen externen Faktoren wie zum Beispiel der Entwicklung der Fallzahlen der Corona-Erkrankten, dem Zeitpunkt einer möglichen Corona-Impfung, dem Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November und vor allem vom Zustand der nationalen und globalen Wirtschaft. Wenn es wider Erwarten zu einem zweiten Lockdown kommen sollte, wäre das für die Schwyzer Wirtschaft nur schwer zu verkraften.

Also drohen auch in Schwyz Konkurs- und Entlassungswellen?

Die Meinungen der Experten gehen diesbezüglich weit auseinander. Einige erwarten eine Entlassungswelle im Winter, andere beurteilen die zukünftige Entwicklung weniger dramatisch. Es gab in den letzten Wochen einige Ankündigungen von Firmen, welche in der Schweiz coronabedingt Stellen abbauen werden. Es wird wahrscheinlich auch Firmen geben, welche die Corona- Krise nicht überleben werden.

War der Lockdown für die Wirtschaft also wirklich so schlimm wie von vielen befürchtet? Ohne die gesprochenen Überbrückungskredite des Bundes beziehungsweise der Banken wären viele Unternehmen während des Lockdowns zahlungsunfähig geworden. Dieses Schreckensszenario konnte glücklicherweise verhindert werden. Durch die Inanspruchnahme der Kredite stieg jedoch bei den Unternehmen die Verschuldung an. Diese zusätzlichen Schulden müssen in den nächsten fünf bis sieben Jahren mit dem Cashflow zurückbezahlt werden. Können das die Unternehmen?

Meines Erachtens werden nur sehr profitable Unternehmen in der Lage sein, diese Kredite termingerecht zu amortisieren. Zusätzlich zur höheren Verschuldung werden in diesem Jahr viele Unternehmen Verluste verkraften müssen. Das Eigenkapital wird entsprechend abnehmen. Unter dem Strich werden die von der Covid-Krise betroffenen Unternehmen eine höhere Verschuldung und ein tieferes Eigenkapital aufweisen. Es wird für viele Unternehmen anspruchsvoll werden, diesen finanziellen Schaden zu verkraften. Darum hat der Staat in der Krise massiv stützend in das liberale Wirtschaftssystem eingegriffen. Zu Recht? Der Eingriff vom Staat in die Wirtschaft wurde gemacht, um einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern. Schlussendlich musste eine Abwägung gemacht werden zwischen einem wirtschaftlichen Schaden und der Gesundheit der Bevölkerung. Meines Erachtens waren die getroffenen Massnahmen im Grossen und Ganzen notwendig und richtig. Stösst die liberale Marktwirtschaft an ihre Grenzen? Nein. Eine liberale Marktwirtschaft und Eigenverantwortung sind wichtige Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Wirtschaft und dürfen auch in Zukunft nicht infrage gestellt werden. Trotzdem brauchte es die Hilfe des Staates. Auch der Kanton Schwyz hat ein Förderprogramm lanciert. Wie beurteilen Sie dieses? Das Ziel des Förderprogramms «Hopp Schwyz» des Kantons Schwyz besteht insbesondere darin, die Bevölkerung dazu zu ermutigen, innerhalb des Kantons einzukaufen, zu investieren und die Freizeit zu verbringen. Mir sind vor allem die vielen «Hopp Schwyz»-Fahnen und unsere sympathische Skirennfahrerin Corinne Suter als Botschafterin aufgefallen. Die Aktion ist bei mir persönlich positiv angekommen.

Was nützt sie konkret?

Die Bevölkerung im Kanton Schwyz soll realisieren, dass jeder Franken, welcher im Kanton Schwyz ausgegeben wird, im Kanton bleibt und in Form von Löhnen, Konsum und Investitionen wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfliesst. Ich würde es den Unternehmen im Kanton gönnen, wenn es durch die Aktion positive wirtschaftliche Impulse geben würde. Glauben Sie, ist diese Aktion nachhaltig? Es gibt eine Stärkung des Bewusstseins und im Idealfall einen Trend, beim Einkaufsverhalten vermehrt die Unternehmen im Kanton Schwyz zu berücksichtigen. Wenn dies gelingt, kann der Effekt durchaus nachhaltig sein.

Markus Rupp: «Es wird wahrscheinlich auch Firmen geben, welche die Corona-Krise nicht überleben.» Foto: Christoph Clavadetscher

Share
LATEST NEWS