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Fremde Stätten, fremde Sitten

Fremde Stätten, fremde Sitten Fremde Stätten, fremde Sitten

ZWISCHENLUEGETEN 3

HASCHI GYR

Ich muss nach der Arbeit von Zürich aus jeden Tag heimfahren. Darum gehe ich downtown kaum ins Feierabendbier. Dafür ist mir mein Pontiac (Sie wissen schon: Das Einzige, was mir der Scheidungsanwalt gelassen hat …), also meine Bolide ist mir zu teuer, um blasen zu müssen und das Billett zu riskieren. Aber letzthin hatte ein Arbeitskollege Geburtstag – da kann man nicht anders. Die Beiz war gut und das Bier noch besser. Die Bedienung hingegen war männlich. Aber noch verwunderter war ich auf dem stillen Örtchen. Da hatte doch jemand (die männliche Bedienung?) tatsächlich einen Blumentopf mit Grünzeug mitten ins Pissoir gestellt. Mittenhinein. Da konnte ich ja wirklich nicht anders. Wohin denn sonst? Und überhaupt tendierte das Grün eher Richtung Gelb, sodass etwas Wasser, selbst wenn es ebenfalls gelblich sein sollte, der Pflanze sicher nicht schaden könnte.

Meine Kumpels in der Gartenbeiz lachten sich den Ranzen voll, als ich vom Steakdurchbrater erzählte, der Grünzeug in die Toilette stellt. Downtown sei das so, sagten die Kumpels – wegen Corona, Abstandhalten und so weiter. Die einen nehmen Absperrband, die anderen Blumen und machen auf chic.

Natürlich hat der männliche Kellner das gehört. Er schaute nach und stellte sich am Tisch auf wie ein Scharfrichter: Welche Kampfmurmel da in seinen Blumentopf gepisst hätte! Ich wusste es von Anfang an: Nur eine männliche Bedienung kann auf eine so bescheuerte Idee kommen, Blumen ins Pissior zu stellen. Um sich dann auch noch zu wundern.

* Herr Hanspeter Gyr verteidigte sich herzhaft, dass der Abstand jederzeit eingehalten worden sei, denn das freie Pissoir nebenan hätte ganz sicher niemand benutzt. Wo denn überhaupt das Problem liege?

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