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Sturgis

Sturgis Sturgis

BRIEF AUS DEN USA

Wer hat insgeheim nicht schon einmal davon geträumt, sich auf einer Harley Davidson den Wind durch das Haar oder durch den Bart wehen zu lassen? Genau dies Erleben etwa 250’000 Töfffans im amerikanischen Bundesstaat South Dakota diesen Sommer. Selbst das Coronavirus kann die Abenteuerlust der Teilnehmer des jährlichen Motorrad-Treffens in der Kleinstadt namens Sturgis nicht eindämmen. Im ganzen Land wurden Grossanlässe annulliert. Dies hielt aber der Gemeinderat des Töffmekkas mit 6600 Einwohnern nicht davon ab, den Anlass fast einstimmig dennoch gutzuheissen. Normalerweise schwirren während dem zehntägigen Event eine halbe Million Besucher in die Gegend der Black Hills im ländlichen Bundesstaat mit nur knapp 900’000 Einwohner. Vor fünf Jahren, zum 75.Jubiläum des Anlasses, Erschienen 740’000 Motorradfahrer. Nur einmal, während des Höhepunktes des Zweiten Weltkrieges, wurde das Treffen abgesagt. Dieses Jahr wird das 80.Jubiläum gebührlich gefeiert.

Die Bikers kommen in Gruppen daher. Die Maschinen, viele davon Harleys, sind blitzblank geputzt und poliert. Wenige Fahrer und Passagiere tragen einen Helm. Dafür ist umso mehr Leder zu sehen. Sie alle brausen stolz auf 13 populären Routen durch die imposante Gegend, vorbei an den Badlands, am Mount Rushmore und am Devils Tower. Und sie alle hinterlassen eine Auspuffwolke und einen beeindruckenden Lärmpegel. Sie hinterlassen ebenfalls beeindruckende Einnahmenszahlen in den lokalen Hotels, Kneipen, Tankstellen und Souvenirläden. Die grosse Frage ist, ob sie dieses Jahr aber auch das Coronavirus hinterlassen werden. Denn eine coole Lederjacke ist keineswegs als offizielle Schutzbekleidung aufgelistet. Manche Teilnehmer stammen aus den Hotspots wie Arizona und Kalifornien und ein grosser Teil gehört zur Risikogruppe – viele sind über 60 Jahre alt. Für sie ist die Teilnahme am Treffen alleweil das Risiko einer Ansteckung wert. Sie tummeln sich trotz allem an Konzerten oder am Pokerspiel. Sie betrachten trotz allem mit leuchtenden Augen die fein säuberlich aufgereihten Motorräder auf den Parkplätzen in den Städtchen der Region und sie wirbeln trotz allem durch die Verkaufsbuden und stehen geduldig am Hamburgerstand an. Sie geniessen ein kühles Bier und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Nur selten zückt eine Mitfahrerin in engen Jeans und einem knappen T-Shirt ein kleines Fläschchen mit Handdesinfizierungsmittel hervor.

Nur die Zeit wird zeigen, ob dieses Jahr die Rally in Sturgis zum Mega-Ansteckungsherd wird, oder ob die ergrauenden Töfffahrer weiterhin unbeschwert durch die Gegend donnern können. Auf jeden Fall lassen sie sich erst mal etwas Freiheit um die Nase wehen.

Regula Grenier

* Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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