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Möglichkeiten in der Schweiz – die Gretchenfrage

Es stellt sich die Frage, ob und was für Möglichkeiten eine Bibliothek wie die unsrige im akademischen Machtgefüge der Schweiz hat. Nach 20 Jahren ist diese Frage und deren Beantwortung dringlich. Der Schweizerische Wissenschaftsrat (SWR) hat die Bibliothek als «für die Schweiz und weltweit einmalige Ressource» bezeichnet, deren «nationale und internationale Bedeutung speziell für die Architektur- und Kunstgeschichte nicht hoch genug eingeschätzt werden» kann. Doch der SWR, das höchste Gremium dieser Art in der Schweiz, hat nur beratende Kompetenz. Es betrifft auch den Art. 15 der Hochschulgesetzgebung, mit dem der Gesetzgeber die Möglichkeit der Förderung von Institutionen mit Leistungen auf Hochschulniveau, die jedoch ausserhalb der bestehenden Hochschulen tätig sind (wie zum Beispiel das SIK in Zürich oder potenziell unsere Bibliothek), vorsieht. Doch im zuständigen Staatsekretariat ist dieser Art. 15 mutiert worden und dient gemäss Ziffer a) in erster Priorität Dienstleistungen im technologischen Bereich. Man müsste seine Phantasie entfachen und einsehen wollen, dass Bücher Instrumente, Hilfsmittel, «Dienstleister» im alten Sinn der «techné» sind; so könnten wir in den Genuss einer Unterstützung nicht erst nach erfolgter Lösung unserer finanziellen Probleme, sondern zu deren direkten Erledigung gelangen.

Einsiedeln 1997 in einer Volksabstimmung hat sich Einsiedeln für die Existenz unserer Bibliothek ausgesprochen. Wir sind dafür dankbar und haben jetzt zwei Jahrzehnte trotz vieler Schwierigkeiten mit viel Erfolg und internationaler Anerkennung dafür gekämpft. Einsiedeln passt zu uns und wir passen zu Einsiedeln. Der genius loci überzeugt! Wir fühlen uns an unserem Bildungsstandort und in der Nachbarschaft der bedeutenden Klosterbibliotheken wohl. Und das bedeutet auch, dass die Standortfrage und die Eigenständigkeit unserer Bibliothek nicht zur Disposition stehen.

Also bleibt die Gretchenfrage bestehen, die schlicht so lautet: Ist es möglich, dass die Bibliothek, die wir in einem halben Jahrhundert aufgebaut haben, die wir seit 1998 uneingeschränkter Nutzung zugeführt haben und die längst internationale Anerkennung und Bewunderung gefunden hat, in der Schweiz überleben kann oder nicht. Nach 22 Jahren erfolgreicher, international beachteter Tätigkeit – und in «gekündigter» Position – stellt sich diese Frage jetzt unweigerlich.

Werner Oechslin

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