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Drive-in am Bühnenrand

Drive-in am Bühnenrand Drive-in am Bühnenrand

Das grosse Welttheater in kleinen Geschichten: Die ersten 50 Jahre.

WALTER KÄLIN Es war in den 20er-Jahren, in den Zeiten, als das Verkehrsbüro ein Verkehrsbureau, das Telefon ein Telephon, die Nummern erst dreistellig und Einsiedeln «von Zürich und Luzern aus in zwei Stunden zu erreichen» war. Aber die «Mystery-Plays at Einsiedeln » wurden im Flyer … pardon: im Prospekt, ganz dem heutigen Zeitgeist entsprechend, auch englisch beworben: «The Great Theatre of the World, given on the great square in front of the Church of our Lady».

Und aus der Perspektive des Corona-Sommers geradezu modern war das Drive-in-Angebot. «Die Zuschauertribüne war recht klein dimensioniert», kann man in einer Chärnehus-Schrift von Wernerkarl Kälin nachlesen. «Wenn alle Zuschauerplätze ausverkauft waren, stand noch die Möglichkeit offen, rechts und links der Tribüne Autocars hinzufahren, von denen aus das Spiel verfolgt werden konnte.» Damit erhielt das «auto sacramental » eine ganz neue Bedeutung. Nein, natürlich nicht, denn mit dem spanischen «auto sacramental » ist ein religiöses Schauspiel gemeint, das an Fronleichnam aufgeführt wurde, wie eben «Das grosse Welttheater» von Pedro Calderón de la Barca.

Ob links und rechts der Tribüne je Autocars vorgefahren sind, konnte der Autor nicht klären. Und man mag sich auch gar nicht vorstellen, wie die Passagiere das Geschehen auf der Bühne von ihren Sitzen aus hätten verfolgen können. Einen grossen Vorteil gegenüber den Zuschauerinnen und Zuschauern, die 6.50 Franken für die besten Plätze zahlten, hätten sie allerdings gehabt: ihre Sitzplätze wären überdacht gewesen, ein Pluspunkt im ausgesprochen regnerischen Sommer 1924. Auch die Premiere musste nämlich damals wegen des schlechten Wetters verschoben werden. Statt am Vorabend von Mariä Himmelfahrt fand sie am Feiertag selber statt, also am 15. August. Total gab es 14 Vorstellungen, im Jahr darauf hingegen doppelt so viele.

Ursprünglich war aber vorgesehen, erst «nach längeren Zwischenräumen (mindestens fünf Jahre) jeweilen mit einem neuen Spiele von Calderón hervorzutreten », also nicht schon 1925 und nicht erneut mit dem Welttheater. Aber «der grosse, unbestrittene Erfolg ermutigte die Spielleitung, von dem gefassten Entschlusse » abzuweichen und das Welttheater «in der gleichen sorgfältigen künstlerischen Ausstattung» zu wiederholen. Dabei hätte es noch 80 andere Fronleichnamsspiele von Calderón gegeben: «aproximadamente 80 autos».

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