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In der Gasse dreht sich alles ums Boot

In der Gasse dreht sich alles ums Boot In der Gasse dreht sich alles ums Boot

Einblick in Andy Kälins Bootsmotoren-Werkstatt und Ausblick auf den Sihlsee

Gasse: Der schlichte Strassenname ist in Willerzell die erste Adresse für «Seebuebe», denn gleich mehrere Betriebe an der Querverbindung zwischen See- und Satteleggstrasse kümmern sich um die Bedürfnisse von Fischern und Böötlern. Einer davon ist die Bootsmotoren- Werkstatt von Andy Kälin.

GINA GRABER

Der Sihlsee bietet Ferienhungrigen und Ausflüglern aus nah und fern zahlreiche Möglichkeiten für Sport und Entspannung. Dazu gehören auch die Aktivitäten auf dem «grossen, blauen Wasser», wo neben Segelbooten, Kitesurfern und Stehpaddlern bei fast jedem Wetter kleine Motorboote herumtuckern.

Der motorisierte Verkehr hält sich auf unserem idyllischen Stausee zum Glück in Grenzen, aber auch die bescheidenen 8-PS-Boote, die auf dem See zugelassen sind, müssen gepflegt werden.

Andy Kälin ist seit 2004 in seiner Bootsmotoren-Werkstatt tätig, die in ein Mehrfamilienhaus integriert ist. «Die ‹Gasse› liegt in der Wohn- und Gewerbezone, sonst wäre dies nicht möglich gewesen», erklärt Andy Kälin, der mit seiner Frau Sonja selbst auch in diesem Haus wohnt: «Wir haben tolerante Mieter und Nachbarn und nehmen selbst Rücksicht, nicht zu Unzeiten Motoren laufen zu lassen.» Der Raum hinter dem grossen Tor ist unterteilt: Im rechten Teil hat ein Sihlseeboot Platz, welches für die Rumpfpflege auch mittels eines Deckenkrans hochgezogen werden kann. Der linke Raum ist Werkstatt und Lagerraum für Werkzeuge und Ersatzteile. Bei schönem Wetter hantiert Andy Kälin gerne auf dem grossen Vorplatz. Der gelernte Spengler-Sanitär startete im alten «Feilenstübli» beim Willerzeller Fischerladen, der damals noch von Max Just geführt wurde. Heute kümmert er sich um über 400 Boote und Schiffe aus allen Landesteilen vom Tessin bis zum Bodensee, die meistens etwas mehr PS unter der Haube haben als die Sihlseeboote.

Sein Service umfasst alles rund ums Boot: vom Motor über die Elektrik bis zur Materialpflege von Polyester, Holz und Aluminium. Andy Kälin schwärmt von den neusten, glänzenden Bootsmodellen aus Alu: «Sie sind leicht und langlebig, wenn vielleicht auch nicht mehr so nostalgisch elegant wie die alten Holzboote. » Für diese Alu-Boote, die eine serbische Firma herstellt, hat er auch die Vertretung in der Schweiz übernommen. Handelsübliche Boote werden aus Kostengründen – wie so vieles – nicht mehr in der Schweiz hergestellt. Sihlseenotruf: 117 wählen!

Andy Kälin fährt einen Swiss- Cat, ein Katamaran, der auf dem Wasser stabil und zuverlässig ist und unter anderem als Ersatzboot und zur Unterstützung des Seerettungsdienstes Sihlsee (SRDS) zum Einsatz kommt. Im Sommer ist Andy Kälin sieben Tage die Woche an der Arbeit und auf Pikett. An schönen Wochenenden herrscht Hochbetrieb, da fällt schon mal ein Motor mitten auf dem See aus. «Reparaturdienste auf dem See sind keine Seltenheit», berichtet Andy Kälin, der grossen Spass an seinem Beruf hat: «Ich bin immer draussen», grinst der braungebrannte Handwerker. Was viele Wassersportler leider noch nicht wissen: Für den Seerettungsdienst kann man einfach die Nummer 117 der Polizei wählen, die den Notruf an den SRDS weiterleitet.

Keine Zeit zu fischen Wer so innig mit dem See verbunden ist, muss doch auch ein rechter Fischer sein, doch Andy Kälin winkt ab: «Ich habe dazu keine Zeit mehr, ich geniesse lieber die Sonne auf dem See.» Für ihn ist es okay, seine Werkstatt nicht direkt am See zu betreiben. Im Sommer wäre dies sicher eine Erleichterung, aber bei niedrigem Wasserstand nützte ein Unterhaltsbetrieb am flachen, brackigen Willerzeller Stauseeufer auch nicht viel. Ganz abgesehen davon, dass es am Sihlsee keinen Ort gibt, an dem man überhaupt eine Bootswerft bauen könnte. So flitzt Andy Kälin mehrmals täglich lautlos mit seinem Elektroroller die paar hundert Meter bis zur Anlegestelle hin und her und sieht dabei gleich noch, was sich sonst noch so tut im Dörfchen. Ein Kaffee im Fischerladen Sihlsee-Fisch in der Gasse gehört zum täglichen Ritual.

Andy Kälins Frau Sonja ist die grosse Wasserratte in der Familie, sie arbeitet aber Vollzeit in einer Textilmaschinenfabrik in der Buchhaltung. Nur am Wochenende hilft sie im Betrieb mit, wie auch Sohn Marco. Der junge Bootfachwart hat als einer von wenigen Lehrlingen, welche diese Ausbildung jährlich machen, die anspruchsvolle LAP geschafft und möchte später gerne den väterlichen Betrieb übernehmen. Im Moment arbeitet er in einer Firma am Zürichsee und betreut eher grössere Boote bis hin zu schnittigen Yachten.

Arbeitsort: Sihlsee

Die Werkstatt ist der eine Arbeitsort von Andy Kälin, der andere ist der Sihlsee. Sein Katamaran liegt belegt am Steg, gleich neben dem leeren Platz der «Angelika», die diesen Sommer leider nicht im Einsatz ist. Die schmale, hohe Führerkabine erlaubt es dem SwissCat-Kapitän die Wasseroberfläche auch bei widrigem Wetter notfalls gut zu überblicken. Das Boot verfügt zudem über Scheinwerfer, Rettungsklappe und eine Abschleppvorrichtung.

An einem schönen Sommersamstagmorgen herrscht gemächlicher Freizeitbetrieb am Bootssteg, die Fischer sind schon lange draussen, Ausflügler laden Proviant und Badesachen ein und tuckern in den ruhigen See hinaus, der Sonne entgegen. Nebenan wird ein Boot eingewassert, die Umstehenden beobachten und kommentieren den Vorgang, wenn nötig wird geholfen. Die Anlegestelle Willerzell ist nicht der Hafen von St. Tropez – zum Glück nicht! – aber hier zu arbeiten und sich des Lebens zu freuen ist ein Privileg.

Stolzer Kapitän: Der Katamaran ist auch als Ersatzboot und Unterstützung für den Seerettungsdienst Sihlsee unterwegs.

Die neuen Aluboote haben es Andy Kälin angetan. Ausflügler geniessen das Weekend auf dem See.

Vater und Sohn teilen die Leidenschaft für Boote und Motoren.

«Ich arbeite dort, wo andere Ferien machen.»

Andy Kälin, Fachmann rund ums Boot

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