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«Das Gute liegt so nah»

«Das Gute liegt so nah» «Das Gute liegt so nah»

Von ihrer Mutter hat Sylvie Marty-Gisler die Freude an Kräutern und Blumen geerbt. In Rothenthurm liegt mit der Moorlandschaft eine riesige natürliche Apotheke vor ihrer Haustür. Doch als Moor-Guide pflückt sie im Schutzgebiet selbstverständlich keine Pflanzen, sondern schaut sie nur an.

von Manuela Gili Sidler*

Wiesenbocksbart bei Gicht, Baldrian bei Nervosität, Fieberklee bei Verdauungsstörungen oder Sonnentau bei Husten – in der Kriegszeit versorgten sich nicht nur die Leute aus Rothenthurm mit Heilpflanzen aus dem Moor. Hört man Sylvie Marty- Gisler zu, muss die über 1100 Hektaren grosse Landschaft mit Flach- und Hochmooren damals gut besucht gewesen sein: «Torf wurde gestochen, um zu heizen oder Häuser zu isolieren, weil aus Deutschland keine Kohle mehr kam; und mit Wollgras stopften sie Kissen». Sie weiss viel zu erzählen, denn seit über 20 Jahren bietet die gebürtige Urnerin zusammen mit ihrem Mann Albert über ihre Firma Moorevent Führungen an.

Als junge Frau war sie 1971 nach Rothenthurm gekommen, um in einem Restaurant zu arbeiten. «Ich dachte damals, ich würde nicht einmal die Probezeit beenden in diesem Kaff», erinnert sie sich. Doch dann verliebte sie sich in den Präsidenten des Organisationskomitees des Motocross Rothenthurm, mit dem sie noch heute verheiratet ist. Später kam eine zweite Liebe hinzu: jene zum Moor. «Der vom Bund geplante Waffenplatz und die Abstimmung über die Initiative zum Schutz der Moore in den 80er-Jahren haben mir den Wert des Gebiets gezeigt », sagt sie. Dank Schutzzonen findet man heute statt einer Kaserne einzigartige Naturwerte wie der unverbaute Bach Biber, das in Wiesen brütende Braunkehlchen oder die Bekassine, die ein Vogel ist, aber meckert wie eine Ziege. «Das Gute liegt so nah», schwärmt sie.

Über 200 Pflanzenarten

Im Frühling und Frühsommer, wenn die Blumen blühen, beobachtet Sylvie Marty-Gisler regelmässig,welche Pflanzen an welchen Standorten wachsen. Schon als Kind gab sie ihr Taschengeld lieber für Sträusse als für Süssigkeiten aus. «Wenn ich einen Franken hatte, kaufte ich Blumen bei meiner Lehrerin, die Klosterfrau war», erzählt sie. Von ihrer Mutter lernte Sylvie Marty-Gisler Salben und Sirup herzustellen. Heute produziert sie immer noch gern Sirup und kocht mit Kräutern und Blumen. Ihr Wissen gibt sie auch an Kräuterwanderungen weiter. Die Blumenvielfalt des Flachmoors gefällt ihr besonders. «Eine gedüngte Wiese weist höchstens 25 Pflanzenarten auf, während in einer Feuchtwiese im Flachmoor über 200 Arten wachsen – und im Hochmoor wiederum nur fünf», so Sylvie Marty-Gisler.

Mit Baumgruppen, Sträuchern, Riedwiesen, Heidekraut und Tristen ist das Moor eine fotogene Landschaft. Doch das Hobby Fotografieren hat Sylvie Marty-Gisler vor einigen Jahren aufgegeben, denn auch ihr Mann füllt die Computerfestplatte mit Moor-Bildern. Jetzt speichert sie die schönen Stimmungen einfach im Kopf ab. Zum Beispiel wenn sie mit ihrem Mann auf der Bank vor dem Turpenhüttli im Moor sitzt, einen Landjäger isst und einfach sein kann.

* Manuela Gili Sidler arbeitet für Schwyz Tourismus und ist zuständig für Medien und Kommunikation.

Der Bach Biber schlängelt sich durch die Moorlandschaft Rothenthurm.

Bild Stefan Zürrer

Sylvie Marty-Gisler kennt die Entstehungsgeschichte des Rothenthurmer Moors, schätzt die einzigartige Vogelwelt, doch ihr Herz schlägt für die Blumen in den Riedwiesen. Bild gm

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