«Es ist ein Privileg, den Kanton Schwyz repräsentieren zu dürfen»
Regierungsrätin Petra Steimen-Rickenbacher wurde am Donnerstag zur Frau Landammann gewählt.
JOHANNA MÄCHLER
Zum zweiten Mal in der Geschichte des Kantons Schwyz gibt es eine Frau Landammann. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Es ist eine sehr grosse Freude und Ehre, den Kanton Schwyz repräsentieren zu dürfen. Ich werde versuchen, dies in den kommenden zwei Jahren in einer positiven Art und Weise zu tun. Von 1992 bis 1994 war Margrit Weber-Röllin die erste Frau Landammann in unserem Kanton. Gab es Gelegenheit, sich mit ihr auszutauschen? Wir haben jährliche Treffen, an denen sich die aktuelle mit der ehemaligen Regierung trifft. An diesen Treffen ist Margrit Weber- Röllin jeweils auch dabei. Aber über das Amt der Frau Landammann haben wir uns bisher nicht ausgetauscht. Was bedeutet nun dieser Titel für die Schwyzer Frauen? Die Gesellschaft macht sich stets ein Bild über Tatsachen. Und je mehr Frauen in einer Führungsposition sind, desto normaler wird dieses Bild. Somit würden Sie es sicher begrüssen, mehr Frauen in der Regierung zu haben. Ich bedauere es tatsächlich, dass nicht mehr Frauen in Regierung und Kantonsparlament vertreten sind. Natürlich stellt sich da die Frage nach dem Warum … Jedoch ist es falsch, zu sagen, es habe sich in den vergangenen Jahren nichts getan. Wenn ich vergleiche: Meine Mutter konnte mit 42 Jahren erstmals wählen gehen, in diesem Alter war ich schon Mitglied im Kantonsparlament. Ich bin jemand, der auch die Fortschritte sieht, und davon gibt es viele. Ich stelle das Positive in den Vordergrund, will mich nicht mit Negativem aufhalten. Wie wohl ist es Ihnen in der Regierung als einzige Frau? Allein auf weiter Flur ist doch kein Spaziergang, oder?
Es geht in der Regierung immer um Sachthemen, wir diskutieren hart und finden Lösungen. Ich habe keinerlei Nachteile, weil ich eine Frau bin, ich habe auch keinerlei Vorteile. Der Umgang im Gremium ist stärker von meiner Persönlichkeit abhängig als von der Tatsache, dass ich eine Frau bin. Ich hatte noch nie das Gefühl, etwas sei anders herausgekommen, weil ich eine Frau bin. Welche Pflichten und welche Privilegien bringt nun das Amt der Frau Landammann mit sich? Die Hauptaufgabe ist sicher das Führen der Regierung nach innen und aussen. Ein Privileg für mich ist, den Kanton Schwyz repräsentieren zu dürfen, innerkantonal und ausserkantonal. Ich werde dadurch noch öfter zur Ansprechperson für verschiedenste Bevölkerungsgruppen. Auch wenn ich als Frau Landammann die Leitung in der Regierung habe, bin ich «nur» eine von sieben. Das Kollegialitätsprinzip ist mir sehr wichtig. Welches sind zurzeit die wichtigen Themen in Ihrem Departement des Innern? Corona natürlich, dann die Familienausgleichskasse, die einen guten Reservefonds hat, wovon die Familien profitieren können und wodurch zugleich die Arbeitgeber ihren Beitragssatz leicht senken können. Was auch ein aktuell wichtiges Geschäft ist, ist der Aktionsplan Alter, der gestartet ist. Da geht es um viele Massnahmen, von betreuenden Angehörigen bis zur Sturzprävention.
Sie sind von Haus aus FDP-Politikerin, doch Ihre Themen im Departement sind nahezu immer SP-lastig, also sozial. Alles dreht sich um den Menschen. Kollidiert das soziale manchmal mit dem wirtschaftlichen Denken? Nein, das kollidiert nicht, ich würde vielmehr sagen, es ergänzt sich. Ich kann dies an einem Beispiel erklären. Gerade die Corona- Krise hat gezeigt, dass Sozial- und Gesundheitspolitik sehr stark auch Wirtschaftspolitik ist. Das gehört zusammen. Es ist aus meiner Sicht auch nicht so, dass die Sozialthemen in unserem Kanton links besetzt sind. Alle Parteien tragen die sozialen Themen mit, natürlich mit unterschiedlichen Meinungen.
Finden die sozialen Themen innerhalb der Regierung genug Beachtung? Die sozialen Themen werden wie andere Themen im Siebnergremium diskutiert, und dann wird entschieden. Wir haben einen sehr guten und positiven sozialen Stand im Kanton, sichtbar etwa an der tiefen Sozialhilfequote.
Gerade die SP fordert aber mehr Entlastung für die ärmeren Schwyzerinnen und Schwyzer. Wie stellen Sie sich zu diesen Forderungen?
Es ist eigentlich einfach: In der Politik geht es immer darum, Mehrheiten zu finden. Wenn man eine Mehrheit für ein Anliegen gewinnen kann, wird dieses entsprechend umgesetzt. Ist keine Mehrheit zu erreichen, wird das Anliegen nicht umgesetzt. Die Corona-Krise war – oder ist – die grosse Herausforderung. Welches sind für Sie im momentanen Aufatmen die wichtigsten Erkenntnisse? Da war sicher die Erkenntnis, dass auch eine hoch entwickelte Gesellschaft verwundbar sein kein. Und die Krise kann sehr schnell hereinbrechen. Die Entwicklung hat auch gezeigt, dass die Gesellschaft bereit ist, solidarisch zu sein; man hat die eigenen Bedürfnisse einen Schritt hintenangestellt für das Wohl der Schwächeren.
Vor dem Ausbruch von Corona begann gerade die Diskussion um den Abbau von Spitälern. Doch jetzt sieht alles etwas anders aus. Ist nun die Behauptung, wir hätten zu viele Spitäler, vom Tisch? Wichtig ist sicher, dass wir eine wohnortsnahe Grundversorgung und eine überregionale Spezialversorgung haben. Man hat auch gesehen, dass die zuständigen Gesundheitsfachleute sehr engagiert waren. Aber jetzt daraus abzuleiten, möglichst viele Kapazitäten zu schaffen, wäre nicht richtig. Und trotzdem muss es so sein, dass im Krisenfall schnell alles Notwendige bereitgestellt werden kann. Zurzeit sehe ich, dass unsere Spitäler da parat sind. Zudem muss die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure funktionieren. Tat sie das? Die hat wirklich sehr gut funktioniert. In diesem Zusammenhang wurde mir erneut bewusst, dass man Kontakte beziehungsweise die Vernetzung haben muss, bevor man sie braucht. Man muss sie zuvor schon pflegen. Dann kennt man sich, das Vertrauen ist da. Das hat innerkantonal und auch ausserkantonal funktioniert. So haben wir auch mit Zentralschweizer oder Zürcher Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet, egal ob es um Informationen oder um praktische Hilfe ging. Und auch als Frau Landammann werde ich viele Möglichkeiten haben, Kontakte zu pflegen. Darauf freue ich mich. Haben Sie auch, wie viele andere, den Eindruck, dass diese Krise die Gesellschaft verändert? Das wird sich erst noch zeigen.
Was denken Sie über Spekulationen um eine zweite Corona- Welle? Wer weiss das schon? Man muss wachsam bleiben, um auf einen allfällig erneuten Anstieg von Corona-Fällen schnell reagieren zu können.
Diese Aufgaben kosten viel Kraft. Da drängt sich auch die Frage nach Ihrer Gesundheit auf. Jetzt geht es mir wieder sehr gut, ich kann sagen, ich fühle mich ausgezeichnet. Ich hatte ja diesen Herzinfarkt im November. Glücklicherweise wurde mir sehr schnell und richtig geholfen. Hatten Sie je schlaflose Nächte?
Nein. Ich habe während der gesamten acht Jahre, seit ich Regierungsrätin bin, zum Glück nie schlaflose Nächte gehabt. Obwohl mich jüngst das Thema Corona sehr beschäftigt hat – auch an den Wochenenden –, war der Schlaf nie ein Problem. Wie und wo finden Sie Ausgleich zu Ihrer Arbeit? Ich versuche, meine Gesundheit zu bewahren. Etwas Sport gehört dazu, ich habe kürzlich das E-Bike-Fahren entdeckt. Ich ernähre mich gesund. So gut ich kann, pflege ich meine Kontakte zu Freunden, auch im Wissen, dass mein Amt eines Tages beendet sein wird. Und in meiner Freizeit mache ich sehr gern einen rassigen Jass.
Pragmatisch in Sachthemen, sehr erfreut über das Amt: Petra Steimen-Rickenbacher. Foto: Franz Feldmann