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Mörtelfuge schadet der Ästhetik

Mörtelfuge schadet der Ästhetik Mörtelfuge schadet der Ästhetik

Neues Gutachten fordert historische Pflästerung des Einsiedler Klosterplatzes

Wegen Differenzen bei der Pflästerung des «Platzes im Platz» verfügte der Kanton letzten Herbst einen Baustopp. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten erteilt der verfugten Pflästerungsvariante des Bezirks Einsiedeln nun eine klare Absage.

WOLFGANG HOLZ

Seit mehr als einem halben Jahr liegt hier nur Schotter. Die Rede ist vom «Platz im Platz» auf dem Einsiedler Klosterplatz. Das Areal zwischen den beiden Klosterarkaden, mit dem Liebfrauenbrunnen (auch Frauenbrunnen, Marienbrunnen) in der Mitte, soll ja zum Schmuckstück der Klosterplatzsanierung werden. Doch davon ist noch lange nichts zu sehen. Erst 2022, nach dem wegen der Corona-Krise auf 2021 verschobenen Welttheater, kann der «Platz im Platz» wohl fixfertig saniert werden. Unterschiedliche Ansichten

Grund für die Verzögerung ist, dass der Bezirk Einsiedeln und Behindertenvertreter bei der Ausführung der Pflästerung des Projekts «Platz im Platz» des Zürcher Landschaftsarchitekten Günter Vogt eine durchgehend in Mörtel gebundene Pflästerung verlangen – um Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten einen hindernisfreien Zugang zu gewähren.

Aus Sicht der Denkmalpflege und des Klosters Einsiedeln ist dagegen eine ungebundene Pflästerung für die Sanierung zwingend. Die Barrierefreiheit würde durch gemörtelte Wege sichergestellt. Die vom Bezirk beabsichtigte Pflästerung, so die kantonale Denkmalpflege, beeinträchtige das Erscheinungsbild des Platzes, der sowohl im Kantonalen Inventar geschützter und schützenswerter Bauten (Kigbo) als auch im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (Isos) mit dem höchsten Erhaltungsziel vermerkt ist.

Baustopp Herbst 2019

Nachdem zwei Gesprächsrunden der beteiligten Parteien zu keinem Kompromiss geführt hatten, hatte der Bezirk Einsiedeln – übrigens Liegenschaftseigentümer des unteren Teils des «Platzes im Platz», auf dem der Liebfrauenbrunnen steht –, angeordnet, mit den Pflästerungsarbeiten zu starten. Bis das Bildungsdepartement des Kantons Schwyz schliesslich am 18. September 2019 einschritt und einen Baustopp erliess, um offene Fragen zu klären.

18-seitiges Gutachten Nun liefert das vom Regierungsrat in Auftrag gegebene, 18-seitige Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatkommission (ENHK) und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD), das am 14. Mai dem kantonalen Bildungsdepartement zugestellt wurde, weitere Aufschlüsse in Sachen Material, Bearbeitungsund Verlegungsart von Pflastersteinen auf dem Klosterplatz.

In den Schlussfolgerungen und im Antrag der beiden Kommissionen an das kantonale Bildungsdepartement wird gefordert, den Klosterplatz im Sinne des ursprünglichen Genehmigungs- und Auflageprojekts zu realisieren. Wörtlich heisst es: «Die Pflästerung des ‹Platzes im Platz› ist als Reihenpflästerung in Flusskieseln, die sich in Grösse und allenfalls in ihrer durch Bearbeitung erlangten Form dazu eignen, gespalten, ungebunden auszuführen, soweit möglich unter Verwendung der ursprünglichen Steine.» Auf den im Genehmigungsprojekt ausgeschiedenen hindernisfreien Streifen können die Flusskiesel aus Rücksicht auf gehbehinderte Personen zusätzlich geflammt und in Mörtel gesetzt werden.

Die beiden Eidgenössischen Kommissionen argumentieren bei ihrem Entscheid mit Argumenten einer historisch-authentischen Ästhetik und Funktionalität des Klosterensembles. Der «Platz im Platz» baue auf dem historischen Konzept auf und führe die barocke Inszenierung der Klosteranlage und Stiftskirche, die auf einer Terrasse erhöht über dem Dorf liegen, weiter.

«Die Kommissionen erachten diese grosszügige und kraftvolle Neugestaltung des Einsiedler Klosterplatzes als Chance, den im Laufe der letzten zweieinhalb Jahrhunderte allmählich abgeschwächten Platzentwurf aufzuwerten. » Der «Platz im Platze» sei dabei wie eine «Intarsie», indem der Liebfrauenbrunnen im Zentrum von strahlenförmig angelegten Muldenrinnen stehe und den dazwischen aufgespannten, zum Teil trapezförmigen Blütenblättern um den Brunnen herum ein gewissermassen florales Motiv bilden, heisst es fast poetisch im Gutachten.

«Optische Verflachung» Demgegenüber würde es zu einer «optischen Verflachung» des Platzes führen und die «charakteristische Wirkung» der stark strukturierten Oberflächen des Klosterplatzes mit Licht-Schatten-Spielen und seiner wechselvollen Geschichte verfälschen, wenn man mörtelverfugte Flusskiesel pflastern würde. Zudem gewännen die Mörtelfugen im Verhältnis zu den kleineren Flusskieseln optisch «zu stark an Gewicht.» Wobei dem Bezirk Einsiedeln auch noch vorgeworfen wird, dass dessen favorisierte Musterpflästerungen ortsfremd seien und «Wildpflästerungen» darstellten. «Zusammenfassend stellen die Kommissionen fest, dass die Wahl einer ortsunüblichen, der kulturhistorischen Bedeutung des Klosterplatzes nicht angemessenen Pflästerung zu einer mit den Schutzzielen nicht vereinbaren, schwerwiegenden Beeinträchtigung des tradierten architektur- und kulturhistorischen Zeugniswertes sowie der authentischen Wirkung des Klosterplatzes als Ganzem führen würde», heisst es in dem Papier.

Regierungsrat entscheidet

Die Kommissionen bestätigen damit in ihrem Gutachten die getroffenen Einschätzungen der kantonalen Denkmalpflege zu hundert Prozent. Klar ist andererseits, dass die mörtelverfugte Variante des Bezirks und der Behindertenvertreter nicht gepflastert werden soll – bis eben auf die beiden hindernisfreien Streifen unmittelbar vor der Klosterfront und auf dem «Platz im Platz» unterhalb der Arkaden, jeweils zum Liebfrauenbrunnen hin. «Damit werden die Anforderungen an einen zeitgemässen Platz und der gestalterische Anspruch (…) in einem visuellen Gesamtkonzept vereint», so die beiden Kommissionen.

Und wie geht es jetzt weiter? «Das Gutachten wird jetzt von allen Parteien erst mal gelesen und studiert», beruhigt Heino von Prondzynski, ehrenamtlich beauftragter Projektleiter des Abts für die Klosterplatzsanierung. Dann wird womöglich weiterverhandelt auf der Suche nach einem Kompromiss. Am Ende wird der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde zu entscheiden haben, in welcher Form die Pflästerung erfolgen wird.

«Die Pflästerung ist als Reihenpflästerung in Flusskieseln, gespalten, ungebunden auszuführen, soweit möglich unter Verwendung der ursprünglichen Steine.»

Gutachten

Auf dem Klosterplatz liegt der Schotter –und das wohl noch zwei Jahre lang. Foto: Wolfgang Holz

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