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«Bedenklich war eine Morddrohung»

«Bedenklich war eine Morddrohung» «Bedenklich war eine Morddrohung»

Nach acht Jahren im Bezirksrat Einsiedeln verabschiedet sich Stefan Kälin Ende Juni aus der Politik. Der 52-jährige Berufsschullehrer aus Gross steht Red und Antwort über seine Amtszeit: «Anstatt mit neun Bezirksräten könnten die Aufgaben auch mit fünf erledigt werden.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie fällt Ihr Rückblick auf Ihre Amtszeit aus?

Positiv, denn in den letzten Jahren hat sich unser schöner Bezirk in etlichen Bereichen erfreulich weiterentwickelt. Welche Ziele hatten Sie sich gestellt, als Sie zum Bezirksrat gewählt wurden? Vor meiner Amtszeit herrschte ein langer «Investitionsstopp». Ich wollte wieder in unsere Infrastruktur und die Lebensqualität investieren, was auch gelang. Der Bezirksrat hat viele Projekte ausgeführt, und einige sind noch im Bau. Auch für die kommenden Jahre ist vieles aufgegleist (Grosser Herrgott, Dorfplatz, Hauptstrasse, Sihlseerundweg, Einsiedlerhof, Optimierung des öV und des Langsamverkehrs). In welchen Bereichen haben Sie in Ihrem Ressort etwas bewegt? Im Bauamt wurden 400 pendente langjährige Altlasten rund um Baugesuche abgearbeitet. Es wurden klar strukturierte Abläufe definiert, die durch ein Controlling gesichert werden. Zudem wurde Einsiedeln zur Energiestadt, die konkrete Projekte angestossen hat, zum Beispiel den Wärmeverbund des Klosters oder die Solargenossenschaft G3E. Auch der Schutz und Erhalt unserer traumhaften Natur werden durch gezielte Arbeiten gestärkt. Wo sehen Sie in Ihrem Ressort Handlungsbedarf? Das Ressort ist gut aufgestellt. Nach Jahren mit vielen personellen Wechseln braucht es jetzt Jahre der Ruhe und Konstanz.

Sollte sich der Bezirk Einsiedeln verstärkt für Velowege einsetzen?

Auf jeden Fall! Dank dem E-Bikeboom kann man sich schnell im Bezirk bewegen. Einkaufen und Parkieren vor den Geschäften ist problemlos und zudem gesund. Auch das Erleben unserer Region per Bike ist ein besonderer Genuss.

Setzt sich der Bezirk ausreichend für einen schonungsvollen Umgang mit Energien und Ressourcen ein? Der Bezirk beschreitet einen deutlich nachhaltigeren Weg. Es hat sich vieles zum Positiven bewegt in den letzten Jahren. Ob sich dies auch bei kostspieligen Projekten bestätigt, wird sich zeigen. Ausserdem glaube ich auch in der Bevölkerung ein bewussteres ökologisches Verhalten feststellen zu dürfen. Welche Aufgaben sollte der Bezirksrat in der kommenden Zeit an die Hand nehmen? Die bereits erwähnten Projekte sollte der Bezirksrat in den kommenden Jahren auch realisieren. Dabei wird die Steuerfussdiskussion eine begleitende Komponente darstellen. Gesamtschweizerisch sind wir sehr attraktiv – dies gilt es hervorzuheben. Investitionen sollen weiterhin unsere Lebensqualität stärken und erhöhen. Ich persönlich wäre auch bereit, etwas mehr Steuern zu bezahlen für ein Hallenbad. Ist die anfallende Arbeit mit dem aktuellen Pensum der Bezirksräte gut zu bewältigen oder müsste das Pensum vielmehr erhöht werden? Das hängt immer mit dem persönlichen Engagement zusammen. Ich wurde für mein Amt mit 35 Prozent entlöhnt. Mein Aufwand betrug jeweils zwischen vierzig und fünfzig Prozent. Sind Sie zufrieden gewesen mit Ihrem Amt als Bezirksrat? Grundsätzlich ja. Es war eine unglaublich intensive Zeit mit vielen bereichernden Erfahrungen. Ich habe wahnsinnig viel erlebt und auch gelernt. Ich glaube sagen zu dürfen, dass ich eine soziale, progressive und nachhaltige Politik betreiben durfte, die vielfach vom Bezirksrat mitgetragen wurde. Natürlich gab es auch bedenkliche Momente, wie zum Beispiel eine Morddrohung ziemlich am Anfang meiner achtjährigen Amtszeit. Besteht ein Reformbedarf in der Struktur des Bezirksrats, auf dass das Amt den Mandatsträger erfüllen mag?

Ganz persönlich glaube ich, dass die Effizienz der Bezirksarbeit noch erhöht werden kann. Anstatt mit neun Bezirksräten könnten die Aufgaben auch mit fünf erledigt werden. Dabei müssten aber die Pensen und die Organisationsstrukturen angepasst werden. Wie deuten Sie das Zeichen, dass sich für Ihren frei werdenden Sitz nach Ihrem Rücktritt exakt ein Kandidat zur Verfügung stellte?

In unserer Partei, der SP, gab es drei fähige Personen, die sich länger mit einer Kandidatur beschäftigten. Schliesslich ist es toll, dass eine so profilierte Person wie Fredi Zehnder zugesagt hat. Aber grundsätzlich wird es immer schwieriger, geeignete und willige Personen zu finden. Was müsste sich in der Politik des Bezirks Einsiedeln ändern, damit zukünftig das Stimmvolk wieder eine echte Auswahl bei Wahlen in den Bezirksrat hat? Ich würde es begrüssen, wenn auch parteilose Personen und vor allem mehr Frauen kandidieren würden. In einer Partei sein zu müssen, kann einengend wirken. Heftige Kritik am Bezirksrat schreckt aber sicher auch ab. Ein wohlwollender Umgangston wäre bestimmt hilfreich. Wäre die Gründung eines Parlaments im Bezirk eine vorstellbare Massnahme, um damit eine transparente, kohärente Politik möglich zu machen?

Nein, das glaube ich nicht.

Sie sind noch blutjung. Was hat den Ausschlag gegeben für Ihren Rücktritt aus dem Bezirksrat?

Na ja, mit 52 Jahren ist man nicht mehr blutjung. Es waren acht intensive und engagierte Jahre. Der Bezirk investiert wieder in die Verbesserung der Lebensqualität, und die kommenden Jahre sind mit guten Projekten vorbereitet. Ich glaube, vorerst meinen Dienst für die Allgemeinheit geleistet zu haben. Wie und in welchen Bereichen werden Sie sich auch nach Ihrer Amtszeit für den öffentlichen Bereich im Bezirk Einsiedeln einsetzen?

Ich werde weiterhin «Tischlein deck dich» leiten, wo Lebensmittel, die weggeworfen würden, an armutsbetroffene Menschen abgegeben werden. Freuen Sie sich auf die zukünftige Zeit ohne Politik in Ihrem Leben? Ja, ich freue mich riesig darauf.

Welche neuen Herausforderungen in Ihrem Leben nehmen Sie in Angriff? Keine – ich werde vorerst unser Familienleben und meine vermehrte Freizeit geniessen. Ich nehme mir bewusst Zeit, um in mich hineinzuhorchen. Dann werden wir sehen, wohin meine weitere Lebensreise gehen soll. Wohin bewegt sich die Welt?

Ich hoffe, dass der ungezügelten, geldorientierten Globalisierung durch Vorfälle wie Corona Einhalt geboten wird. Ich hoffe, dass das Hier und Jetzt, die regionale Verbundenheit sowie das gemeinsame, bewusste und nachhaltige Zusammenleben in der Heimat wieder an Bedeutung gewinnen.

Wohin bewegen Sie sich?

Zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn in eine verstärkt gemeinsame Zeit, wissend, dass wir ein privilegiertes Leben in einer traumhaften Gegend mit vielen tollen Mitmenschen geniessen dürfen.

In der kommenden Ausgabe des Einsiedler Anzeigers folgt am Freitag ein Interview mit Bezirksrat Markus Kälin, der nach zwölf Jahren in der Exekutive seinen Rücktritt erklärt hat.

Stefan Kälin schaut zurück auf seine Amtszeit als Bezirksrat: «Es waren acht intensive und engagierte Jahre. Es hat sich vieles zum Positiven bewegt in den letzten Jahren.» Foto: Magnus Leibundgut

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