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Ohne Chilbi keine Schiessen

Ohne Chilbi keine Schiessen Ohne Chilbi keine Schiessen

Im Bezirk Einsiedeln werden erstmals nach über 100 Jahren alle Chilbischiessen abgesagt

Egal ob treffsicher mit Armbrust, Kleinkaliber oder Sturmgewehr: Das Coronavirus lässt sich weder mit der einen noch der anderen Waffe erschiessen. Und so können dieses Jahr im Klosterdorf und auf den Vierteln leider keine Schüler Schützenkönige werden.

MARLIES MATHIS

In diesen Tagen würde es an allen Häusern im ganzen Bezirk klingeln. Hätte man geöffnet, wären draussen Knaben oder Mädchen gestanden und hätten um eine Gabe für ihr alljährliches Chilbischiessen gebeten, und diese Schüler wären aus allen Vierteln, vom Birchli und Horgenberg und vom Dorf Einsiedeln selber gekommen. Wäre da nicht eben Corona. Eine der ältesten Traditionen

Auch wenn viele Zugezogene diesen Brauch nicht kennen, so ist er doch für etliche Schüler in der Region unverzichtbar. Ausserdem gehört das Chilbischiessen im Bezirk Einsiedeln wohl zu den ältesten Traditionen überhaupt. In der Jubiläumsausgabe des Einsiedler Unteroffiziers-Vereins (UOV Einsiedeln) von 1997 ist nachzulesen, dass dieses bereits im 18. Jahrhundert existierte und Ende desselben Jahrhunderts die Armbrustschützenknaben zum Einsammeln des «Grümpels » mit Tambour und Fahne erschienen seien. Dieser etwas gar lauten Sammlungsart habe dann ein Verbot ein Ende gesetzt.

Da sich aber (wie heute) nicht immer Ehrenamtliche fanden, diese Schiessen durchzuführen, schlief der Brauch zwischenzeitlich gar ein. Während dann auf den Vierteln über Jahrzehnte hauptsächlich die Lehrer für die Organisation zuständig waren, übernahm 1899, auf Ersuchen des Bezirksrats und des Schulrats hin, der UOV Einsiedeln die Durchführung des Chilbischiessens im Klosterdorf. Schon sehr bald habe man aber mit dem Gedanken gespielt, die nicht sehr genaue Armbrust durch ein Flobertgewehr zu ersetzen, während auf dem Land noch über Jahre mit der Tells Waffe geschossen wurde, ja dies beispielsweise in Egg heute noch der Fall ist, auch wenn das inzwischen ebenso eine moderne Präzisionswaffe ist. Voraussetzungen wie damals

Nach mit Ausdauer und Hartnäckigkeit geführten Verhandlungen mit dem Schulrat, wie es in der Jubiläumsschrift steht, konnte dann im Dorf Einsiedeln genau vor 100 Jahren endlich mit dem Flobertgewehr geschossen werden. Elf Jahre zuvor war allerdings das Chilbischiessen angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage abgesagt worden. Ebenso war die Durchführung des Anlasses dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen, und 1918 hatte die stark verbreitete Spanische Grippe dafür gesorgt, dass keine Schiessen durchgeführt werden konnten.

Über all die Jahre hinweg hat das Sammeln für das Chilbischiessen den Organisatoren immer wieder einmal Sorgen bereitet, hatten doch schon damals wie heute nicht alle Verständnis für diese von den meisten Kindern und Jugendlichen so geliebte Tradition. Doch mit dem gesammelten Geld, das einerseits zum grössten Teil für die Schützen eingesetzt wurde und wird, mussten auch schon früher Unkosten wie beispielsweise die Erneuerung des Schiessstandes, die Revision der Waffen, neue Pfeile, respektive Munition, und Zielscheiben berappt werden. Gabentempel und Chilbibatzen

Im Klosterdorf selber wird üblicherweise ebenfalls für das von den drei Organisatoren, dem Schützenverein Tell, der Schützengesellschaft Einsiedeln und den Sportschützen Einsiedeln, im Schiessstand Wäni gemeinsam durchgeführte Chilbischiessen «gebettelt». Zudem bezahlen die jungen Chilbischützen einen Beitrag von 15 Franken. Für die Meisterschützen gibt es am Chilbisonntag, nebst dem wiederbelebten schönen Brauch des Gottesdienstes in der Jugendkirche und des anschliessenden Umzugs mit der Musikgesellschaft Konkordia durchs Dorf, anlässlich des kameradschaftlichen Absendens einen Preis vom schönen Gabentempel und einen Chilbibatzen. Dieser wird dann oftmals gleich für die vielen verlockenden Bahnen auf dem Brüelplatz oder für eine feine Verpflegung an einem der zahlreichen Chilbistände eingesetzt.

So ist denn auch zu verstehen, wie Leo Inglin, Präsident der Schützengesellschaft Einsiedeln für die Absage aller Chilbischiessen im Bezirk Einsiedeln ganz logisch gefolgert hat: «Ein Chilbischiessen-Absenden ohne Chilbi geht gar nicht!» Vom Geldsammeln für einen Anlass, der dieses Jahr gar nicht stattfindet, ganz zu schweigen, wenn auch etliche junge Schützen und Schützinnen natürlich enttäuscht sind.

Nachdem die alte Armbrust definitiv ihren Geist aufgegeben hat, wird nun am Egger Chilbischiessen mit einer topmodernen Tells Waffe geschossen. Erst zum zweiten Mal ist sie 1992 im Einsatz, und während Daniel Lacher zielt, wartet Beni Kälin darauf, den Bogen ein nächstes Mal zu spannen. Foto: Marlies Mathis

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