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Freuden der kinderreichen Familie

Freuden der kinderreichen Familie Freuden der kinderreichen Familie

Neunfache Mutter und dennoch Autorin: von Cécile Brändli-Probsts heiteren und nachdenklichen Geschichten

«Die Tage sind gefüllt», hält Cécile Brändli-Probst in den 50er-Jahren in einer katholischen Familienzeitschrift fest. Trotzdem findet sie aber Zeit, die Leserinnen und Leser bis 1966 mit heiteren Geschichten und nachdenklichen Betrachtungen zu unterhalten oder zu berühren.

WALTER KÄLIN

In den Zeiten, als die populären Illustrierten nicht nur aus den Häusern Ringier oder Tamedia kamen, sondern auch aus kleineren Verlagen wie Conzett & Huber in Zürich («In freien Stunden ») oder dem Walter Verlag in Olten («Der Sonntag»), mischte auch der in Einsiedeln beheimatete Benziger Verlag im Zeitschriftenmarkt mit. Die «Alte und Neue Welt» gab sich schon im Titel recht offen, «Die Familie» hingegen fokussierte auf die sogenannte Keimzelle der Gesellschaft. Und beide richteten sich an katholische Leserinnen und Leser, die man unterhalten und belehren wollte.

Reise ins Klosterdorf

«Die Familie» hiess denn auch zuerst, als sie 1933 lanciert wurde, «Die katholische Familie». Ab 1943 erschien sie unter dem Titel «Die Familie. Elternzeitschrift und Mütterblatt». In dieser Phase wurde das Heft zum Leibblatt von Cécile Brändli-Probst (1919-2008), einer Hausfrau und Mutter von neun Kindern in Zürich, die neben dem Kochen, Waschen, Bügeln, Basteln, Spielen und Erziehen auch noch Zeit fand, für «Die Familie» zu schreiben.

Drei der neun Kinder, die zwischen 1946 und 1963 zur Welt kamen, haben jetzt im Limmat Verlag eine Auswahl dieser Texte herausgegeben. Die älteste Tochter, die Journalistin Esther Scheidegger Zbinden, und der sechstgeborene Sebastian Brändli, ein Historiker, recherchierten auch im Archiv des Benziger Verlags im Museum Fram. Es sei eine intensive Reise in die Vergangenheit geworden, schreibt die Erstgeborene in ihrem Nachwort: «Einsiedeln mit seinem Kloster und seinem Barock war immer etwas ganz Besonderes gewesen für unsere Familie, vor allem in den frühen Jahren. Natürlich haben wir die Schwarze Madonna in der Gnadenkapelle häufig besucht samt der Vesper mit dem Salve Regina pünktlich um halb fünf. Wir Geschwister, jedenfalls die Älteren, können es, obwohl alle nicht mehr sehr katholisch, alle noch auswendig lateinisch singen. Wir tun das regelmässig am Grab unserer Eltern, nach der Gedächtnismesse.» Freunde in Einsiedeln

Die Familie hatte aber auch ausserhalb des Klosters Verbindungen zu Einsiedeln: «Aus dem traditionsreichen Einsiedler Hotel Drei Könige stammte eine frühe Freundin von Muetti, Olga Heini, meine Patin, eine rebellische, unangepasste Büchernärrin, die später Bibliothekarin in Zürich wurde. Die beiden jungen Frauen lernten sich im Seminar Menzingen kennen.» Und Sebastian Brändli erinnert in einem Blog, den er für die Website des Museums Fram geschrieben hat, an einen Einsiedler Freund seines Vaters, den Apotheker Alois Bettschart: «Es ist wohl auf Alois zurückzuführen, dass auch wir Kinder fast alle Grasberge der Innerschweiz in zahllosen Bergtouren erklommen hatten. Dank Bettschart gelang es uns auch, Anfang der 1960er-Jahre mit fast der ganzen Familie eine Aufführung des Einsiedler Welttheaters zu besuchen: ein bleibendes Erlebnis!» Ein fester Glaube

Die im vorliegenden Büchlein beschriebenen Erlebnisse der Familie Brändli sind nicht so spektakulär wie der Besuch des Welttheaters: «Das Laufgitter», «Lorenz und das liebe Geld», «Das Problem des mittleren Kindes» oder «Judith und die Vorpubertät » lauten einige der Überschriften. In vielen Texten, die Cécile Brändli-Probst für die Zeitschrift «Die Familie» geschrieben hat, kommt ihr starker Glaube und ihre Verwurzelung im Katholizismus zum Ausdruck, auch in jenem über das sechste Kind, das sie 1954 tot zur Welt brachte. Gleich anschliessend folgen ausführliche Tagebuch-Eintragungen, die «Vom Mutter-Werden » handeln. Esther, das älteste Kind, erfuhr das aus ihrer Perspektive so: «Meine Mutter habe ich praktisch während meiner ganzen Kindheit und Jugend immer schwanger oder stillend erlebt. Sabina, unsere Jüngste, ist 18 Jahre jünger als ich, wir sind in verschiedenen Welten aufgewachsen, was der Zuneigung aber keinen Abbruch tut.» Neben den begleitenden Beiträgen der herausgebenden Kinder enthält das Bändchen auch ein Vorwort von Judith Stamm, die gleich zu Beginn feststellt: «Die Texte von Cécile Brändli-Probst im Zusammenhang zu lesen, ist ein reines Vergnügen.»

Cécile Brändli-Probst: «Von den Freuden der kinderreichen Familie», herausgegeben von Esther Scheidegger Zbinden, Kristov Brändli und Sebastian Brändli. Mit einem Vorwort von Judith Stamm. Limmat Verlag.

Auf der Titelseite: ein Bild der lesenden Kinder. Foto: zvg

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