Im Internet Straftaten zu begehen, ist einfacher als in der Realität
Vergangenen Oktober nahm der Schwyzer Fachbereich Cyberkriminalität im Sicherheitsstützpunkt in Biberbrugg seine Tätigkeit auf. Leiter Valentin Bonderer gibt Einsicht in die Erfahrungen und Tätigkeiten der ersten Monate.
PATRIZIA BAUMGARTNER
Womit befasst sich der Fachbereich Cyberkriminalität der Kapo Schwyz? Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung betrifft die Cyberkriminalität zahlreiche Lebensbereiche und umfasst die ganze Bevölkerung. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Cyberkriminalität verursacht wird, ist sehr gross. Die Öffentlichkeit erwartet deshalb von den Strafverfolgungsbehörden, dass diese Delikte effektiv und effizient verhindert, verfolgt und geahndet werden. Hier setzen wir an. Seit rund einem halben Jahr ist der Fachbereich Cybercrime in diesem Kanton tätig. Was hat man unterdessen erreicht? Wir ermitteln gegen alle Formen der Internetkriminalität. Mit Prävention und Repression sorgt die Kantonspolizei Schwyz für mehr Sicherheit im virtuellen Raum und wir führen in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren. In den ersten Monaten beschäftigten wir uns vorwiegend mit administrativen Arbeiten wie Prozessen, Support oder Ermittlungsunterstützung und Aus- und Weiterbildungen.
Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten?
Ja. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir seit dem 19. März als erst viertes Polizeikorps der Schweiz vom Bakom (Bundesamt für Kommunikation) anerkannt wurden und somit die Blockierung, beziehungsweise Sperrung von «.ch»- und «.swiss»-Domain-Namen beantragen können. Im Rahmen von Ermittlungen stolpern wir immer wieder über vermeintliche «Schweizer» Seiten.
Ich nehme an, der Cybercrime- Aufbau ist noch nicht beendet? Wo gibt es noch Potenzial? Bei der Weiterentwicklung der digitalen Ermittlungen sind wir stark gefordert. Dank der speziellen Fachausbildungen konnten wir in den letzten Monaten enormes zusätzliches Wissen erlangen. Der Aufbau eines internationalen Netzwerks ist sehr wichtig. Grundsätzlich muss jeder Polizeiposten eine Anzeige entgegennehmen. Gilt das auch für den Bereich Cyberkriminalität? Ja. Da aber nicht alle Polizisten Cyber-Experten sind, haben wir eine grosse Wissensdatenbank aufgebaut. Dort sind alle Phänomene, wie zum Beispiel Online-Anlagebetrug, aufgelistet. So werden Cybercrime- Delikte bereits bei der ersten polizeilichen Sachbearbeitung erkannt und die notwendigen Abklärungen gemacht. Zu unseren wichtigsten Aufgaben gehören neben der Ermittlung von Straftätern auch die stetige Weiterentwicklung neuer Ermittlungsansätze im digitalen Bereich und die Know-how-Weitergabe an alle Mitarbeitenden. Der Bereich Cybercrime ist sehr vielschichtig. Von Privatpersonen bis zu grossen internationalen Fällen kann alles dabei sein … Das stimmt, unser Tätigkeitsfeld ist sehr breit. Aufgrund der hohen und zunehmenden Anzahl an Anzeigen haben wir eine Fallpriorisierung erarbeitet. Sie dient dem gezielten Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Wir können uns zurzeit nur auf die wichtigsten Ermittlungen beschränken. Zum Glück blieben wir bis jetzt im Kanton Schwyz von grösseren Angriffen auf IT-Infrastrukturen verschont. Wenn ein solcher Fall zur Anzeige gebracht würde, wären die personellen Ressourcen des Fachbereichs Cybercrime rasch ausgeschöpft.
Welche Art Cyberkriminalität wird am häufigsten angezeigt? Momentan ist es betreffend Cyberkriminalität im Kanton Schwyz ziemlich ruhig, wohl auch im Zusammenhang mit Covid- 19. Ich vermute, dass Leute aktuell kaum Anzeigen machen, auch wenn im Internet sehr viel läuft. Im laufenden Jahr sehen wir zwei klare Trends: einerseits Bestellbetrug und andererseits ist der Online-Anlagebetrug nach wie vor verbreitet. Können Sie das genauer beschreiben?
Es gibt regelmässig Anzeigen wegen Bestellbetrug. Zum Beispiel auf Portalen wie Anibis oder ricardo.ch wird eine Thermomix- Maschine angeboten. Der Käufer bezahlt zwar, erhält den angepriesenen Gegenstand aber nie. Diese Art von Betrug geschieht vielfach auch mit iPhones.
Durch Online-Anlagebetrug entstanden im Kanton Schwyz im letzten Jahr fast 9 Millionen Franken Schaden. Diese Masche funktioniert so: Der Geschädigte investierte Geld in eine Firma, das mit «hoher Rendite » angelegt wird, das Geld ist dann jedoch weg. Das ist ein lukratives Business, oft starten die Einzahlungen mit kleineren Beträgen, um Vertrauen aufzubauen. Später geht es dann um grössere Beträge von 100’000 Franken oder mehr. So gibt es in der Ukraine eine Organisation, die europaweit agiert und sehr professionell aufgebaut ist. Mit Call-Center und allem, was dazugehört.
Wie werden solche Fälle bei der Kapo Schwyz bearbeitet? Die Geschädigten erstatten auf einem Polizeiposten eine Anzeige. Der zuständige Sachbearbeiter macht dann den Vermerk Cyber und unser Fachbereich entscheidet, ob er direkt Einfluss nehmen muss.
Ob es genug Beweise und Beweismittel gibt, damit ein Strafverfahren weitergeführt wird, entscheidet am Ende der Ermittlungen die zuständige Staatsanwaltschaft. Diese ist auch unerlässlich, um beispielsweise Einsicht in Bankkonten zu nehmen oder Hausdurchsuchungen anzuordnen. Das Problem hierbei ist aktuell: Wir sehen keine interkantonalen Zusammenhänge mit anderen Fällen, sondern nur diejenigen im Kanton Schwyz. Was passiert, wenn sich die Schuldigen ausserhalb der Schweiz befinden? Bei grösseren Cybercrime-Fällen liegen die Wurzeln meist im Ausland. Dies setzt eine breite Kooperation von kantonalen und nationalen Polizeien voraus. Es ist schwierig, die Täter zu ermitteln, da sie in hohem Masse organisiert und oft von diversen Ländern aus agieren. Ein Rechtshilfeverfahren im Ausland ist sehr träge. Vielfach dauert es Monate, bis überhaupt eine Antwort kommt. Und die Ressourcen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft sind meistens ebenfalls sehr begrenzt. Aber bei Erfolg kann es sein, dass die Kapo Schwyz am Schluss eine Hausdurchsuchung im Ausland macht? Es gibt solche Verfahren. So haben wir zusammen mit den französischen Kollegen in Frankreich schon Hausdurchsuchungen gemacht.
Wie sieht es aus, wenn «nur» verschiedene Kantone involviert sind?
Innerhalb der Zentralschweiz funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Die Vernetzung soll künftig dank einer neuen Datenbank beschleunigt werden und damit den Kampf gegen Kriminelle im Internet effizienter machen. Die Ermittler sollen anhand gleicher E-Mail-Adressen, Namen oder IP-Adressen rascher und einfacher erkennen können, welche Fälle zusammengehören.
Ist der Föderalismus hier hinderlich?
Unser föderalistisches System führt zwangsweise zu Doppelspurigkeiten und es ist sehr schwierig, parallele Fälle zu erkennen. Sobald die Kommunikation betreffend die Fälle unter den Kantonen besser ist, wird es in Zukunft wohl zu Diskussionen betreffend Zuständigkeiten innerhalb der Schweiz kommen.
Um eine Hausdurchsuchung in einem anderen Kanton anzuordnen, braucht es einen zuständigen Staatsanwalt. Auch hier gehen die Meinungen auseinander, ab welchen Beträgen sich ein solcher ausserkantonaler Einsatz «lohnt». Wie weit sind andere Schweizer Kantone in Sachen Cyberpolizei?
Es gibt viele Kantone, die in diesem Bereich schon weit entwickelt sind, zum Beispiel die Kantonspolizei Zürich, die eine grosse Abteilung im Bereich Cybercrime hat. Klar ist: Normale Delikte nehmen tendenziell ab. Im Internet ist es einfacher, zu Geld zu kommen, ohne gross Spuren zu hinterlassen. Umso wichtiger ist deshalb die regelmässige Zusammenarbeit mit diversen nationalen Behörden. Wir beteiligen uns zudem aktiv in Gremien, wie dem Cyberboard der Staatsanwaltschaften, wo spezielle Fälle diskutiert werden.
Auf nationaler und interkantonaler Ebene funktioniert die Koordination gut, beziehungsweise die Vernetzung mit dem Netzwerk Nedik (Netzwerk der Polizeibehörden zur Ermittlungsunterstützung gegen die digitale Kriminalität). Nedik soll den Austausch zwischen den verschiedenen Polizeikorps beschleunigen und damit den Kampf gegen Kriminelle im Internet effizienter machen.
Valentin Bonderer leitet den Fachbereich Cybercrime der Kapo Schwyz.
Foto: zvg