«Das Virus hat Familien vereint»
Stephanie McMinn, Präsidentin des Elternvereins Region Einsiedeln, steht Red und Antwort über Corona und die Folgen
Seit zehn Tagen ist der Corona-bedingte Lockdown beendet. Stephanie McMinn wirft einen Blick zurück auf die Zeit von Homeschooling und Homeoffice. Die 37-jährige Präsidentin des Elternvereins Region Einsiedeln hält zudem Ausschau auf Herausforderungen, die sich dem Verein in der Zukunft stellen.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?
Mir geht es derzeit sehr gut. Anfangs der Corona-Pandemie war ich zehn Tage lang in Quarantäne, weil ich krank war. Ob ich mich mit dem Virus angesteckt habe, weiss ich nicht. In jener Zeit wurde auf blossen Verdacht hin nicht getestet. Meine Kinder sind gleich auch mit mir in der Quarantäne gewesen. Wie hat sich das Coronavirus auf Ihre Arbeit im Elternverein ausgewirkt? Sehr einschränkend: Wir konnten keine Sitzungen mehr abhalten und mussten deswegen Projekte auf Eis legen. Hinzu kommt, dass wir Anlässe absagen mussten: Der Velotesttag fällt heuer aus, und das Kinderfest haben wir auf das kommende Jahr verschoben. Hat der Verein arbeitstätige Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützt während des Lockdowns?
Wir haben eine Aktion gestartet und Leute gesucht, um arbeitstätigen Eltern unter die Arme zu greifen. Zehn Mütter haben sich bei uns gemeldet. In zwei Fällen kamen sie in Familien zu Einsätzen, in denen die Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten und nicht in der Lage waren, ihre Kinder selber zu betreuen.
Konnten diese Eltern ihre Kinder nicht im Chinderhus Einsiedeln abgeben?
Zum Glück war das Chinderhus jederzeit offen. Allerdings gab es Eltern, die aus Angst vor dem Virus darauf verzichtet haben, ihren Nachwuchs in die Kindertagesstätte zu bringen. Für diese Fälle sind wir eingesprungen. Wie hat sich das Leben der Eltern in den letzten acht Wochen verändert? Die Zeit des Lockdowns war für viele Eltern eine schwierige und mitunter auch sehr belastende Zeit. Man ist nah aufeinander, und da kann einem schon mal das Dach auf den Kopf fallen. Dementsprechend haben auch Spannungen in den Familien zugenommen. Hinzu kam noch das Homeschooling, das neben der Arbeit im Homeoffice auch noch erledigt werden musste. Alles in allem war es sicher eine anspruchsvolle Zeit. Für die Kinder war diese schulfreie Zeit eine gefreute Sache, weil es sich wie lange Ferien anfühlte?
Es gab sicher auch Familien, die haben diese Zeit in ganzen Zügen genossen und eine neue Erfahrung unter speziellen Umständen gemacht: Kinder, die sich daran erfreuten, nicht in die Schule gehen zu müssen. Eltern, die froh waren, für einmal nicht ins Büro zur Arbeit zu fahren. Man darf durchaus auch festhalten, dass manche Eltern in dieser Corona-Krise näher zusammengerückt sind: Das Virus hat Familien vereint. Wie haben Eltern das Homeschooling bewältigt? Es gibt Eltern, die kein Deutsch sprechen: Diese waren naturgemäss mit dem Homeschooling überfordert. Sicherlich gibt es Kinder, die nun einen Rückstand in der Bildung aufweisen und nun Schulstoff aufholen müssen. Überhaupt sind Lehrer ganz unterschiedlich mit der Vermittlung der Hausaufgaben umgegangen: Da liegen Welten zwischen einzelnen Extremen: Einige Lehrer haben sehr viel, andere sehr wenig gemacht. Wie finden Sie das Schutzkonzept der Schwyzer Schulen, das seit dem 11. Mai in Kraft ist? Das ist schwierig zu beantworten, weil die Bedingungen in den einzelnen Familien höchst unterschiedlich sind. Mit Halbklassen zu starten wäre in einem ländlichen Raum wie Einsiedeln wohl kein grösseres Problem gewesen, weil hier viele Mütter zu Hause sind und Zeit gehabt hätten, ihre Kinder halbtags zu betreuen.
Fanden Sie die Massnahmen seitens des Bundes übertrieben?
Oh, das ist eine politische Frage (lacht)! Sicherlich ist man im Nachhinein immer schlauer. Man hat einfach vor zwei Monaten noch nicht gewusst, dass Kinder kaum die grossen Treiber der Corona-Pandemie sind. Von daher war vielleicht die Schliessung der Schulen unnötig. Im Grossen und Ganzen finde ich aber die Massnahmen des Bundesrats richtig und angepasst.
Welche Herausforderungen stellen sich dem Elternverein aktuell? Der Elternverein setzt sich für die ausserschulische Betreuung im Bezirk Einsiedeln ein und unterstützt dieses Anliegen. Wir engagieren uns in einer Arbeitsgruppe, die ein schulergänzendes Betreuungsangebot zu erarbeiten versucht. Das ist wichtig und notwendig: Denn es gibt auch in Einsiedeln eine Immigration von Leuten aus dem Raum Zürich, die aus einem eher städtischen Milieu stammen. Es leben also vermehrt Eltern im Klosterdorf, die beide arbeitstätig sind, und ebenso Alleinerziehende. Und diese sind darauf angewiesen, dass es im Bezirk Einsiedeln eine ausserschulische Betreuung gibt.
Gibt es weitere Ziele und Aufgaben für den Elternverein?
Ein sicherer Schulweg ist ein weiteres Anliegen des Elternvereins Region Einsiedeln. Unser Verein unterstützt die Idee, dass das Konzept für die Sicherheit auf den Schulwegen auch in Einsiedeln und den Vierteln durchgeführt wird. Fürs Erste geht es darum zu eruieren, wo es Schwachpunkte auf den Schulwegen gibt. Wo gibt es im Klosterdorf unsichere Schulwege? Zwei Schwachpunkte fallen mir hierzu spontan ein. Die Situation vor dem Zentrum Zwei Raben, in dem Kindergärten untergebracht sind, ist sehr unübersichtlich. Es kommt einem Spiessrutenlauf gleich, die Haupt-, Langrütiund Schwanenstrasse zu überqueren, bis man im Zentrum Zwei Raben ist. Auf der Grotzenmühlestrasse wiederum fehlt ein Fussgängerstreifen gänzlich: Die Kinder müssen bis ans Ende der Strasse laufen zum Kreisel, wo sich denn ein Zebrastreifen befindet. Möglicherweise ist auf der Grotzenmühlestrasse die Fussgängerfrequenz zu tief, um einen Streifen einrichten zu können.
Wie ist es um den Nachwuchs bestellt im Elternverein Region Einsiedeln? Wir sind aktuell ungefähr achtzig Mitglieder und Gönner. Darunter sind sehr viele treue Mitglieder, die den Elternverein schon sehr lange unterstützen und selbst schon Enkelkinder haben. Ebenso sind darunter auch Leute aus Alpthal und Rothenthurm, weil es in diesen Orten keinen Elternverein gibt. Vereine haben es schwer in diesen Zeiten. Worin liegt der Grund, dass immer mehr Vereine im Gegenwind stehen? Früher gab es in der Tat mehr Mitglieder in unserem Verein. Immerhin ist die Zahl der Mitglieder in den letzten Jahren wieder leicht ansteigend. Die Leute in unserer Zeit haben Mühe, sich an einen Verein zu binden: Sie glauben, sie müssten da viel tun und Ämtli übernehmen. Dabei ist Eltern sein ein Abenteuer – schön und gleichzeitig anspruchsvoll. Mitglieder helfen uns, auch in Zukunft unsere Aufgaben für die Eltern und ihre Kinder wahrzunehmen. Wir freuen uns über jeden Neuzugang sehr.
Zur Person
ml. Stephanie McMinn ist am 18. Januar 1983 in Luzern geboren und aufgewachsen. Sie hat an der Uni Zürich Psychologie studiert und arbeitet als Erziehungsberaterin bei der Spitex Einsiedeln und Obermarch. Zudem ist Stephanie McMinn selbstständig als Eltern- und Familiencoach in ihrem Projekt «Wegweiser Kind» im Einsatz. Seit dem Jahr 2015 ist sie Präsidentin des Elternvereins Region Einsiedeln. Zu den Hobbys von Stephanie McMinn zählen die Familie, Lesen und Nähen. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Einsiedeln.
Stephanie McMinn ist Präsidentin des Elternvereins Region Einsiedeln. Foto: zvg