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N statt B

N statt B N statt B

ERNST FRIEDLI

Was so ein kleiner Buchstabenwechsel alles bewirken kann. Momentan ist es das kleine «b», welches den grossen Unterschied macht, sobald es das kleine «n» ersetzt. Das ist nämlich der einzige Unterschied, den unsere Sprache zwischen dem A-nstand und dem A-b-stand macht. Bis vor einigen Wochen waren das noch zwei ganz unterschiedliche Dinge.

«Anstand» bezeichnet den Massstab für den Anspruch und die Erwartung an ein gutes oder richtiges Verhalten. Wohingegen «Abstand» bloss die räumliche Entfernung zwischen zwei Punkten oder Körpern (zum Beispiel mir und Klärli) bezeichnet. Man konnte bisher mit der richtigen Portion Anstand recht gut durchs Leben gehen und dabei selber entscheiden, wie gross man den Abstand wählt, um den Anstand nicht zu verlieren.

Unterdessen hat sich das dramatisch verändert. Wir alle müssen heute (und wohl auch noch länger) hauptsächlich Abstand halten, wenn wir unseren Anstand wahren wollen. 200 Zentimeter um uns herum besteht ein unsichtbarer Schutzraum, welchen wir seit Corona ständig mit uns führen. Die Regel gilt ab Körperoberfläche, so dass der total begrenzte Bereich nicht für alle Gewichtsklassen identisch ist. 200 Zentimeter sind eben eine Distanz, welche auch ein gut trainierter Erreger nicht so einfach überspringen kann. Vermutlich fällt das aggressive Virus nach zirka 120 bis 160 Zentimeter Flugbahn auf den Boden, wo es zerschellt oder in der Teppichwolle erstickt. Es sei denn, man halte infolge fehlenden Anstands den Abstand nicht ein.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und verhält sich anständig distanziert.

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