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Als Erste in Einsiedeln Lebensmittel tiefgefroren

Als Erste in Einsiedeln Lebensmittel tiefgefroren Als Erste in Einsiedeln Lebensmittel tiefgefroren

Susi Birchler vom Tulipan in Einsiedeln erinnert sich auf Radio SRF 1 an die Nachkriegszeit

Radio und Fernsehen SRF suchten Zeitzeugen, welche sich an den Zweiten Weltkrieg und vor allem an die Zeit danach erinnern. Unter den Ausgewählten ist auch die 94-jährige Susi Birchler aus Einsiedeln, welche sich dazu auf Radio SRF 1 zusammen mit zwei weiteren Gesprächspartnern zu verschiedenen Themen geäussert hat.

MARLIES MATHIS

Heute vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. In der Schweiz herrschte an diesem 8. Mai Feierstimmung, Erleichterung und Dankbarkeit, dass dieser in der Geschichte blutigste Konflikt endlich fertig und Friede eingekehrt war. An diesem Freudentag läuteten im ganzen Land die Kirchenglocken, Friedensandachten wurden gefeiert, die meisten Arbeiter erhielten von ihren Arbeitgebern einen freien Halbtag geschenkt, die Menschen jubelten auf der Strasse und hörten dem Bundespräsidenten Eduard von Steiger am Radio zu.

Aus Anlass des 75-jährigen Kriegsendes wollte die Historikerin und Redaktorin Barbara Meyer von SRF 1 in einer Audio-Serie mit dem Titel «Endlich Frieden – eine Generation erzählt» Leute zu Wort kommen lassen, welche diese Zeit selber miterlebt hatten. Auf diesen Aufruf meldete sich auch die 94-jährige Susi Birchler, welche in Einsiedeln in der Nachkriegszeit zusammen mit ihrem Mann die Bäckerei Tulipan mit mehreren Filialen und einen Kolonialwarenladen geführt hatte.

Die Geschäftsfrau, die am 27.Oktober 1925 geboren worden und in Oberwil bei Zug als Einzelkind aufgewachsen war und deren Vater am Tag starb, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, hatte schon als Jugendliche eine Handelsschule besucht, war einige Jahre in Zürich in einer Firma mit mehreren Warenhäusern tätig und hatte bereits ein Jahr in England verbracht. Sie arbeitete immer im Unternehmen ihres Mannes Albert mit, auch als ihre Familie mit vier Kindern immer grösser geworden war, aber sie konnte stets auf gute Seelen zählen, die sie in ihrer Hausarbeit sehr entlasteten und in der Kinderbetreuung unterstützten.

Die Schweiz nach 1945 In Folge 1, «Erste Schritte zurück in die Normalität», erinnert sich das muntere Trio, wie es von der souveränen Produzentin und Gesprächsleiterin der Serie anerkennend genannt wird, wie dieser 8. Mai gefeiert wurde und wie bei allen die gemeinsame Freude im Vordergrund stand. Aber auch die Rationierungsmarken und die Lebensmittelkarten, die teilweise noch bis im Juni 1948 Gültigkeit hatten, kamen zur Sprache. Da sie selber einen eigenen Garten, einen Teich mit Forellen, aber auch Fleisch und Hühner hatten, also zum grossen Teil Selbstversorger waren, hatte dies die damals 19-jährige Susi Staub allerdings nicht gross betroffen. Und weil ihre Mutter eine ausgezeichnete Schneiderin war, nahm sie auch nicht so gross wahr, dass die Kleider ebenfalls rationiert waren.

Schritt für Schritt ging es aber zurück zur Normalität, und entgegen aller Befürchtungen herrschte bald wieder Vollbeschäftigung. Es waren die Anfänge einer nie dagewesenen Hochkonjunktur und schon bald mangelte es an einheimischen Arbeitskräften. So erzählte Susi Birchler, wie 1950 die ersten Gastarbeiter nach Einsiedeln kamen, sei doch jeweils ein Kunde mit jungen Italienern, die nach und nach ihre Frauen mitgebracht haben, in ihre Bäckerei gekommen. Heute beinahe unvorstellbar

Die drei Zeitzeugen blicken in weiteren Folgen auch mit vielen unterhaltsamen und bildhaften Beispielen auf ihre Arbeit, ihre damaligen Freizeitvergnügen und Reisen, aber ebenso auf ihr privates Leben, betitelt mit «Verliebt, verlobt, verheiratet », zurück. Dabei lösen wohl etliche ihrer Aussagen zu diesem Thema bei vielen jüngeren Zuhörern schon fast unverständliches Kopfschütteln aus, gerade was auch das Zusammensein vor der Ehe betraf. Was jedoch für die drei rüstigen, interessierten und humorvollen über 90-Jährigen damals ganz normal war, ist für heutige Verhältnisse kaum mehr vorstellbar.

Besonderes Augenmerk galt am Mittwochmorgen auf SRF 1 in der Sendung Treffpunkt auch dem Alltagsleben und dem Haushalt zur Nachkriegszeit, und es wurden immer wieder spannende Sequenzen aus der Folge «Der Traum vom eigenen Auto und einer Waschmaschine» eingespielt. So erzählten die zwei Seniorinnen von den aufwendigen und strengen Waschtagen, notabene ohne Waschmaschine, wobei Susi Birchler ihre Perle «Rosi» aus Trachslau rühmte, welche diese mühsame Arbeit jeweils grösstenteils für sie erledigte, nachdem sie am Abend zuvor alle schmutzige Wäsche eingeweicht hatte. Der Mann in der Runde, Eduard Nigg aus Mastrils, Graubünden, erzählte gar, dass sie noch nicht einmal fliessendes Wasser im Haus hatten, geschweige denn ein Gerät wie eine Waschmaschine.

Nebst diesem späteren Komfort war auch der eigene Kühlschrank eine grosse Errungenschaft. So erzählt die immer noch sehr gepflegte und vife Rentnerin Susi Birchler dazu, dass sie die Ersten in Einsiedeln gewesen seien, die dank des Eises, das man als neue Sensation kaufen konnte, Lebensmittel tiefgefroren hätten. Sie seien deswegen gar in jeglichen Zeitungen erschienen, und der Tenor in der Bevölkerung dazu sei nicht wirklich überall positiv gewesen.

All diese aufschlussreichen und interessanten Details und die insgesamt fünf Folgen zum Gespräch mit den drei Zeitzeugen zum Leben in der Nachkriegszeit sind übrigens auf srf.ch/1945 zu hören.

Die Einsiedlerin Susi Birchler erzählte auf Radio SRF 1, wie sie die Nachkriegszeit in Einsiedeln erlebte.

Bild: SRF

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