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222 Jahre ist es her …

Das Ancien Régime der Schweizerischen Eidgenossenschaft wird von französischen Truppen zerschlagen. Am 3. Mai 1798 marschieren die Soldaten in Einsiedeln ein und plündern das Kloster mehrere Tage lang, nachdem die Mönche ihr Zuhause wenige Tage zuvor fluchtartig verlassen mussten.

PATER THOMAS FÄSSLER

Bang werden sich die meisten Einwohner Einsiedelns am 3. Mai 1798 in ihren Stuben versteckt haben. Höchstens einen verstohlenen Blick getrauten sie sich wohl aus dem Fenster zu werfen, als vor genau 222 Jahren das Dröhnen der Stiefel von mehr als 6000 französischen Soldaten durch die Gassen und Strassen des Klosterdorfs hallten. Zielstrebig marschierten diese auf die Gebäude der damals schon europaweit bekannten Fürstabtei zu, die als eines der Zentren des Widerstandes gegen die neu gegründete revolutionäre Helvetische Republik galt, der sich die Innerschweizer Kantone unter keinen Umständen anschliessen wollten. Nach wenigen Tagen schon war allerdings ihr Widerstand zusammengebrochen, so erbittert auch gekämpft wurde. Im Kloster vermuteten Offiziere wie Soldaten reiche Beute, auch in Form von berauschendem Trank.

Erst wenige Stunden davor hatten die letzten Mönche die Flucht ergriffen, aus Angst, ansonsten – wie angedroht – ihr Leben lassen zu müssen. Auch jener Mitbruder, der geblieben war, um die Heranrückenden zu besänftigen und um Schonung des Klosters zu bitten, war aufs Äusserste gefasst. Gerade noch rechtzeitig hatte man auch das Gnadenbild in eine Kiste verpackt und in Sicherheit bringen können, wobei es auf seiner Odyssee in den nächsten Jahren auf mehreren Stationen bis nach Triest an der Adria kommen sollte.

Mancher der Mitbrüder wird sich auf seiner Flucht nach St. Gerold, der Einsiedler Besitzung im Grossen Walsertal, nach den ersten Schritten nochmals umgedreht und sich gefragt haben, wann er seine Heimat wohl wieder sehen würde – ja ob dies überhaupt einmal der Fall sein würde. Als sie später von der Zerstörung der Gnadenkapelle sowie der Aufhebung ihres Klosters hörten, waren dies wenig hoffnungsvolle Nachrichten. Man hätte meinen können, dass dies das Ende der jahrhundertealten Geschichte der Benediktiner von Einsiedeln sei, wie schon manche Male zuvor …

Wer mehr über diesen geschichtsträchtigen Tag vor 222 Jahren, über dessen Vorgeschichte und Folgen erfahren möchte, wird im Buch von Pater Thomas fündig, das er letzten Frühling zu diesem Thema publiziert hat und das zeigt, dass die spannendsten Geschichten immer noch das Leben schreibt. Thomas Fässler: Aufbruch und Widerstand. Das Kloster Einsiedeln im Spannungsfeld von Barock, Aufklärung und Revolution.

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