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«Man hat etwas über das Ziel hinausgeschossen»

«Man hat etwas über das Ziel  hinausgeschossen» «Man hat etwas über das Ziel  hinausgeschossen»

Eine Medienmitteilung von Politikern und Gewerblern lässt die Wogen hochgehen. Karl Fisch, Präsident des Kantonal Schwyzerischen Gewerbeverbands, nimmt Stellung zum Vorwurf, primitives Politmarketing und Populismus zu betreiben: «Ich verstehe den Begriff Seuchensozialismus auch nicht wirklich.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wofür setzt sich der Schwyzer Gewerbeverband ein in diesen Zeiten? Wir vertreten die Interessen unserer Mitglieder, Handwerker und Gewerbetreibenden. Vor allem schaffen wir eine Verbindung zum Kanton und zur Regierung. Setzt sich der Gewerbeverein für Mietzinserlasse ein für das Gewerbe, das unter den Mieten leidet? Wir haben Verständnis für Corona- geschädigte Kleinbetriebe und Geschäftsmieter, die einen Mietzinserlass verlangen. Wir wollen Hand bieten für eine pragmatische Lösung. Leider sind wir abgeblitzt mit unserer Forderung, eine steuerliche Entlastung für das Gewerbe zu erwirken. Sie fordern mehr Mut und Tatendrang vom Regierungsrat. Was sollte er Ihrer Meinung nach konkret machen?

Andere Kantone wie der Aargau haben beim Bundesrat mutig interveniert und ein Ende des Lockdown gefordert, auf dass die Wirtschaft wieder ins Laufen komme. Ganz schlecht ist, dass Grossisten wie die Migros verkaufen dürfen, kleine Läden hingegen geschlossen sind. Da entsteht eine Ungleichbehandlung. Abgesehen davon, ist die Ansteckungsgefahr in Einkaufszentren grösser: Nur schon wie die Viren sich auf den Griffen der Einkaufswagen verbreiten können. Wie könnte eine Rückkehr zur Normalität gelingen? Der totale Lockdown war eine sehr extreme Massnahme. Er hat der Wirtschaft, zum Beispiel dem Bau, massiv geschadet. Das Rauffahren der Wirtschaft nach dem Lockdown ist nicht so einfach. Das wird nun noch einige Zeit dauern, bis wir wieder in der Normalität angekommen sind.

Wie kann man Ihrer Meinung nach eine zweite Welle verhindern?

Das kann niemand sagen, nicht einmal die Virologen. Niemand kann vorausschauen, wie sich der Virus in der Zukunft verhalten wird. Trotzdem ist es vernünftig, dass jetzt die Läden, Restaurants und Schulen ab dem 11. Mai wieder geöffnet werden. Die Detailläden hätten aber auch sofort geöffnet werden können. Hier verstehe ich die Logik des Bundesrates nicht. Wären die Massnahmen mit dem Lockdown überhaupt nötig gewesen?

Ich habe da zwei Herzen in meiner Brust. Ich habe im Februar auf einer Reise in Asien, unter anderem in Singapur, gesehen, wie es funktionieren kann, ohne Lockdown alles offen zu lassen. Dafür haben sie dort Wärmebildkameras, mit denen sie Leute erkennen können, die mit dem Virus infiziert sind. Es gäbe also durchaus andere Wege. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass wir alles in allem glimpflich durch die Corona-Krise hindurchgekommen sind. Wäre es besser gewesen, eine Durchseuchung der Bevölkerung in Angriff zu nehmen und damit eine Herdenimmunität zu erreichen? In keinem Fall wäre dies eine gute Lösung gewesen. Just das Beispiel von Schweden zeigt auf, dass ein solches Vorgehen schiefgehen kann. Die Todesrate in Sachen Coronavirus ist in Schweden jedenfalls sehr hoch. Was verstehen Sie unter dem Begriff «Seuchensozialismus»? Ich verstehe dieses Wort auch nicht wirklich. In jedem Fall besteht ja unser Bundesrat aus fünf bürgerlichen Politikern: Da wäre es verfehlt, von Sozialismus zu sprechen. Der Begriff «Seuchensozialismus» ist seitens der Politiker in die Medienmitteilung hineingenommen worden: Er stammt nicht von mir.

Sie werfen dem Schwyzer Regierungsrat Defätismus vor. Wie meinen Sie das konkret? Auch der Begriff «Defätismus» ist nicht auf meinem Mist gewachsen, ich verstehe das Wort nicht. Dass demokratische und rechtsstaatliche Grundrechte beraubt und verletzt werden, scheint mir gleichsam eine übertriebene Aussage in dieser Medienmitteilung zu sein. Nehmen Sie in Kauf, mit Ihrer Kampagne Gesundheit und Wohlergehen der Wirtschaft mutwillig aufs Spiel zu setzen? Mir liegt die Gesundheit der Mitarbeiter sehr am Herzen. Wir haben alles in unserem Betrieb unternommen, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Gleichzeitig haben die Massnahmen zu einem Bruch geführt in der Wirtschaft: Sie leidet sehr unter den Massnahmen, weil man sie vollends der Gesundheit untergeordnet und geopfert hat. Bundesrat Ueli Maurer hat selber Bauchweh, angesichts der drohenden massiven Steuerausfälle. Ihnen wird nun vorgeworfen, primitives Politmarketing und Populismus zu betreiben. Wie kommt das bei Ihnen an? Womöglich hat man mit dieser Medienmitteilung etwas über das Ziel hinausgeschossen. Ich selber bin gar kein Anhänger von Populismus. Die zugespitzten Aussagen in dieser Mitteilung stammen von der Politik, nicht vom Kantonal Schwyzerischen Gewerbeverband.

Karl Fisch ist Präsident des Kantonal Schwyzerischen Gewerbeverbands. Foto: Magnus Leibundgut

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