Von Blumen und Masken
Seit gestern sind wieder einige Läden geöffnet – manche Corona-Schutzmassnahmen sind gewöhnungsbedürftig
Der Corona-Lockdown ist gestern gelockert worden. Auch in Einsiedeln haben nun wieder Blumengeschäfte, Coiffeurläden, Massagesalons sowie Bau- und Gartenmärkte geöffnet. Der Run auf die Geschäfte war teilweise gewaltig.
WOLFGANG HOLZ
Der Parkplatz vor dem Markt der Landi Einsiedeln AG ist am Montagmorgen gegen zehn Uhr schon proppenvoll. Freie Plätze gibts nur noch in der Tiefgarage. Vor dem Eingang zirkulieren volle Einkaufswägen voller Grün. Danuta Cziraki aus Willerzell belädt gerade ihr Auto mit Geranien. Der Kofferraum ist schon voll mit der roten Blumenpracht. Weitere Pflanzentöpfe platziert sie auf dem Rücksitz.
«Ich freue mich schon seit Wochen auf diesen Tag. Ich habe eine grosse Terrasse, die ich immer im Frühjahr neu bepflanze. Und das Wetter war ja jetzt wochenlang so schön wie im Sommer – nur konnte man nirgends Blumen kaufen», erzählt die in Kattowitz geborene Polin, die jetzt schon seit zwei Jahren in Einsiedeln wohnt. Sagts, lacht und fährt weg. Einkaufswagen als Abstandshalter und Gummihandschuhe Dass viel los ist im Landi-Gartenmarkt an diesem Morgen bestätigt auch Alexandra Helbling. Die junge Praktikantin weist den Kunden den Weg ins Geschäft. «Der Andrang ist heute schon gross. Damit alle Kunden genügend Abstand im Geschäft zueinander einhalten, müssen alle einen Einkaufswagen nehmen», erklärt sie. Eine pragmatische Lösung für «social distancing», das wesentlich ist in Zeiten des Coronavirus.
Auch im Klosterdorf haben jetzt wieder die Blumenläden geöffnet. Markus Wickihalter vom «Blumenträff» an der Hauptstrasse wässert am Brunnen gerade einige Pflanzentöpfe. «Wir sind sehr froh, dass wir nun wieder unsere beide Läden aufmachen können», sagt er. Seit dem 16. März, dem Tag des schweizweiten Total-Ladenschlusses in Gestalt des Corona-Lockdowns, habe er sich mit Kunden-Bestellungen und Lieferungen über Wasser gehalten.
«Das waren zwar einige, aber es ist natürlich viel besser, wenn jetzt wieder Normalität einkehrt », so Wickihalter. Wobei Normalität heisst: Vor dem Geschäft stehen Desinfektionsmittel und Gummihandschuhe für Kunden bereit. Im Geschäft sind mit gelben Linien die Abstandszonen auf den Boden geklebt. «Wir haben auch einen kleinen Rundgang durch unser Geschäft ausgewiesen.» Keine Kurzarbeit mehr
Im hinteren Teil des Blumenladens sind zwei Angestellte emsig am Blumenschneiden und Sträussedekorieren. «Es ist schön, wenn man wieder etwas kreativ sein darf», meint Renate Hensler, die jeweils zwei Mal pro Woche morgens im Geschäft aushilft. Auch Chiara Klemenz, die eine Lehre macht, ist glücklich, dass sie wieder richtig arbeiten kann. Kein Wunder. «Jetzt habe ich ja sechs Wochen in Kurzarbeit verbracht.» Risikopatienten wieder erlaubt Im Physio Care Center de Leur AG in der Werner-Kälin-Strasse ist am Montagmorgen ebenfalls wieder spürbar mehr los als seit dem 16. März. «Wir hatten eigentlich immer offen, aber waren nur zu 25 Prozent ausgelastet », erklärt Jeroen de Leur mit Atemschutzmaske im Gesicht. Grund: Während des strengen Lockdowns durften keine Risikopatienten behandelt und nur dringend notwendige Behandlungen durchgeführt werden. «Jetzt können wir wieder alle Behandlungen in der Physiotherapie anbieten unter Voraussetzung eines strengen Schutzkonzepts, welches das obligatorische Tragen einer Atemschutzmaske vorsieht », sagt er. Viele Patienten seien froh, dass sie nun wieder kommen könnten.
Der grosse Trainingsbereich des Physio Care Centers – das Fitnesscenter – bleibt allerdings nach wie vor geschlossen. «Wir warten auf weitere Signale des Bundesrats, damit wir genauso wie andere Trainingscenter in der Schweiz entweder am 11. Mai oder spätestens am 8. Juni wiedereröffnen können», hofft Jeroen De Leur. «Konzepte für Öffnung sind da»
«Konzepte für eine Öffnung mit Einschränkungen sind vorhanden und wären bei uns problemlos umsetzbar. Dies scheint uns auch wichtig, da bei vielen Personen nun Beschwerden zurückkehren werden, die durch das regelmässige Training verschwunden sind», ist de Leur überzeugt. Das Training diene nämlich hauptsächlich der Prävention und nicht einer Freizeitbeschäftigung. In der Zwischenzeit habe man die Zeit genutzt und den Boden in der ganzen Räumlichkeit geschliffen sowie Maler- und Gipserarbeiten vorgenommen. Das Firmenlogo erstrahlt im Trainingsbereich nun in farbigem Glanz.
Doppelter Maskenschutz Das einschneidendste Erlebnis für die meisten Menschen nach der Lockerung des Corona-Lockdowns ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Coiffeurbesuch. Denn Haarewaschen, Schneiden und Fönen spielt sich nur noch mit Maske ab – sprich: Coiffeur und Kunde müssen eine Atemschutzmaske tragen.
Bei «Coiffeur Rita» in Einsiedeln an der Eisenbahnstrasse, bei der man zuerst an die Scheibe klopfen muss, damit man von innen erkennt, dass ein neuer Kunde vor der Tür steht, wirkt das «Masken-Prozedere» schon sehr routiniert und umsichtig. Inhaberin Ramona Länzlinger hat die Schutzvorschriften des Coiffeurverbands genau studiert und sich entsprechend ausgerüstet. Sie ist bereits ziemlich ausgebucht infolge der zahlreichen Reservationen, die sie sofort online erreicht haben – nach dem Entscheid des Bundesrats, Coiffeurläden weider zu öffnen.
Auf den ersten Blick erinnert das Ambiente im Coiffure-Salons zwar etwas an ein Spital, angesichts der Tatsache, dass alle Anwesenden plötzlich Masken tragen. Doch die Atmosphäre wirkt fast so entspannt, wie wenn man keine Masken tragen müsste. Der gewohnte Kaffee oder das Mineral während des Schneidens entfällt – klar, Trinken mit Maske geht nicht. Mit Gesichtsschild werden die Augenbrauen gestutzt «Man schwitzt sehr unter der Maske», sagt Ramona Länzlinger. Auch als Kunde spürt man selbst schnell die Wärme des Atems unter dem Mundschutz. Und nicht nur das – auch durchs Schneiden unter die Maske purzelnde Härchen pieksen auf der Haut. Ansonsten läuft das Waschen und Schneiden fast genau so ab wie immer.
Lediglich wenn Ramona Länzlinger mit der Haarmaschine um die Ohren kurvt, hebt sie kurz die Schnur der Maske an – damit diese nicht zerschnitten wird. Zwischendurch desinfiziert sie Bürste und Kamm mit UV-Licht. Das sieht irgendwie «spacig» aus. Genauso wie das Gesichtsschild, das man sonst nur aus den Fernsehnachrichten von Minenräumern in Krisengebieten kennt: So ein Schild mit Plexiglasscheibe setzt die Coiffeuse auf, als sie einem die Augenbrauen stutzt. Krass. Aber eben ein sicherer Spuckschutz vor dem Coronavirus.
«Der Coiffeurberuf ist eigentlich von Natur aus schon sehr hygienisch – man hat ständig mit Wasser zu tun», sagt Ramona Länzlinger auf die Frage, ob ihr die Einhaltung der Corona- Schutzmassnahmen grosse Probleme bereite. Man hat sich bei ihr als Kunde in Sachen Corona- Schutz auf jeden Fall sicher gefühlt während des Coiffeur-Besuchs. Nur die Härchen auf der Kleidung und in der Maske muss man am Ende selbst entfernen.
«Es ist schön, wenn man wieder etwas kreativ sein darf.»
Renate Hensler, Blumenträff
«Der Coiffeurberuf ist eigentlich von Natur aus schon sehr hygienisch.»
Ramona Länzlinger, Coiffeur Rita