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«Ich bin ein Seebueb und liebe die Angelika»

«Ich bin ein Seebueb und liebe die Angelika» «Ich bin ein Seebueb und liebe die Angelika»

Heuer fällt die Schifffahrt auf dem Sihlsee wegen des Coronavirus ins Wasser. Bereits plant der 72-jährige Walter Grämiger, Präsident und Kapitän der Sihlsee-Schifffahrt AG, für die kommende Saison 2021.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Was bedeutet der Ausfall einer ganzen Saison für die Sihlsee- Schifffahrt AG? Das ist für uns naturgemäss ein herber Schlag, heuer keine einzige Fahrt mit dem Schiff unternehmen zu können. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen und bauen uns neben dem Gönnerverein mit Sponsoring ein weiteres Standbein auf: Wir verkaufen auf dem Schiff Werbeflächen für Firmen und Unternehmen. Wie hoch ist der finanzielle Schaden für die AG? Wir haben Glück im Unglück: Uns wurde die Miete für den Schiffssteg in Willerzell und das Trockendock im Chalch erlassen. Die Kapitäne und das Servierpersonal arbeiten als freie Mitarbeiter im Stundenlohn. Wir fühlen uns in Einsiedeln sehr getragen und hoffen, das reduzierte Budget auch dieses Jahr einhalten zu können. Erhalten Sie vom Kanton oder Bund Nothilfe in dieser Lage? Wir haben Hilfe beantragt und die notwendigen Unterlagen eingereicht. Auch wenn unser Antrag abgelehnt werden sollte: Wir werden diese Corona-Krise überstehen und nicht untergehen. Ein Defizit gab es nur einmal: Im ersten Betriebsjahr der im Herbst 2015 gegründeten Schifffahrtsgesellschaft. Was geschieht mit bereits gebuchten Reisen? Einige der 23 Gesellschaften haben ihre bereits gebuchten Reisen auf das kommende Jahr verschoben. In jedem Fall erhalten Kunden das Geld zurück, wenn sie ihre Reise nicht ins Jahr 2021 verschieben können oder wollen. Ist es jemals in der Geschichte zu einem Ausfall der Schifffahrt gekommen? Keine einzige Fahrt musste jemals abgesagt werden. Wir sind bei Wind und Wetter ausgefahren und haben uns jedes Mal gefreut, unsere Gäste auf dem Schiff persönlich und mit Handschlag begrüssen und verabschieden zu dürfen. «Sie chömed als Gascht und gönd als Fründ», lautet denn unser Motto.

Wie sind Sie selber zur Schifffahrt gekommen?

Ich bin ein Seebueb und am Zürichsee aufgewachsen. Wir sind oft mit unserem Motorboot auf den See hinausgefahren. Als ich im Jahr 2012 ins Klosterdorf gezogen bin, stellte sich mir die Frage: Muss ich jetzt als Unterländer den Einsiedlern die Schifffahrt nahebringen? Es gab ja keine offizielle Schifffahrtsunternehmen auf dem Sihlsee. Sofort erkannte ich die grosse Chance, als das Fahrgastschiff Angelika zum Kauf ausgeschrieben wurde.

Was macht den Reiz von Angelika aus?

Es war Liebe auf den ersten Blick: Angelika wurde mein Kind. Und eine neue Freundin, von der sogar meine Frau erfahren durfte: Ich bin ein Seebueb und liebe die Angelika. Das Schiff schnurrt wundersam und ist mit einem alten 65-PS-Dieselmotor Volvo-Penta ausgestattet. Sie bietet Platz für 40 bis 50 Personen, verfügt über eine Toilette und ein Office und wiegt stolze 16 Tonnen. So schnell bringt kein Sturm dieses Schiff aus dem Gleichgewicht.

Dürfen Sie – dem Coronavirus zum Trotz – alleine mit der Angelika auf den Sihlsee hinausfahren?

Leider nein (lacht). Alleine die Einwasserung des Motorschiffs würde Kosten in der Höhe von rund 10’000 Franken verursachen. Nichtsdestotrotz muss unser Fahrgastschiff Angelika auch im Trockendock gehegt und gepflegt werden. Um Standschäden zu verhindern, muss immer wieder einmal der Motor laufen gelassen werden.

Foto: Axel Bott

Walter Grämiger

Jahrgang: 1947 Wohnort: Einsiedeln Beruf: Werbefotograf, Journalist, Schifffahrtsunternehmer

Hobbys: Schifffahrt, Sport, Turnen, Reisen

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