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«Fernunterricht ist Mittel der Stunde»

«Fernunterricht ist Mittel der Stunde» «Fernunterricht ist Mittel der Stunde»

Der Präsident der Lehrerinnen und Lehrer Schwyz, Konrad Schuler aus Unteriberg, erklärt, wie Homeschooling auf Primarstufe abläuft.

JOHANNA MÄCHLER

Seit bald einem Monat sind die Schulen geschlossen, auch Primarschülerinnen und -schüler werden daheim unterrichtet. Gewöhnt man sich daran? Nein, daran gewöhnen sich Lehrpersonen nicht oder nur schlecht. Nach wie vor fühlt es sich im Unterricht ohne direkte Interaktion mit Schülerinnen und Schülern seltsam an. Der direkte menschliche Kontakt zwischen Lehrpersonen und Kindern, aber auch zwischen den Kindern und Jugendlichen untereinander fehlt. Der persönliche Umgang miteinander ist nicht vorhanden. Da ist praktisch keine zwischenmenschliche Energie da. Das soziale Lernen, das gerade für Kinder im Kindergarten und in der Primarschule so entscheidend wichtig ist, findet schlichtweg nicht statt oder nur in äusserst begrenztem Umfang. Vieles, das beim normalen Unterricht auf non-verbaler Kommunikation abläuft, funktioniert beim Fernunterricht nicht. Das Unterrichten auf diesen Stufen ist stark erschwert. Alle Beteiligten arrangieren sich irgendwie, die Lehrpersonen machen das Beste aus der für alle Beteiligten ungewohnten Situation. Welche Reaktionen von Lehrpersonen kommen Ihnen zu Ohren?

Das Unterrichten ist herausfordernd, da gerade auf Stufe Primar sehr heterogene Lerngruppen bestehen. Während die einen tendenziell unterfordert sind, muss eine Lehrperson sich bewusst sein, dass die Form des Fernunterrichts für eine erhebliche Anzahl Kinder eine Überforderung darstellt. Unterschiedliche und teilweise unmögliche Situationen kamen mir beispielsweise über die geforderte Präsenz von Lehrpersonen an der Schule zu Ohren. Diesbezüglich habe ich auch beim Amt für Volksschulen erfolgreich interveniert. Auch war der Umfang der Aufträge auf den verschiedenen Stufen zu Beginn etwas unklar. Ein Lernprozess war zudem nötig bei der Frage, auf welcher Stufe über welche Kanäle mit Kindern und Eltern kommuniziert werden kann. Welches ist das Kernanliegen der Lehrerschaft im Zusammenhang mit Homeschooling? Auf der Primarstufe geht es wohl vor allem um das Festigen von Fertigkeiten. Grundsätzlich ist es wichtig, mit den Kindern in Kontakt zu bleiben, viel aufbauendes und konstruktives Feedback zu geleisteten Arbeiten zu geben, die Motivation und das Engagement hochzuhalten und soweit möglich die Eltern zu entlasten.

Welches sind die Schwierigkeiten?

Schwierig ist, dass die Lehrperson wenig erklären kann. Gerade in den unteren Klassen geht es meistens über Telefon und E-Mail. Viele Kinder sind noch nicht mit weiteren Geräten ausgerüstet oder verfügen noch nicht über die Fähigkeiten, sie richtig zu bedienen. Da sind dann die Eltern gefragt, um technischen Support zu leisten, obwohl die Eltern auch sonst noch viel zu managen haben. Obwohl Lehrpersonen in dauerndem Kontakt mit den meisten Kindern und Eltern sind, passiert es, dass Familien über Tage nicht erreichbar sind oder einfach nicht reagieren. Da machen sich Lehrpersonen Sorgen.

Wo läuft es gut?

Mit der überwiegenden Mehrheit der Familien ist der Kontakt gut. Sowohl Eltern als auch Kinder engagieren sich sehr. Eine Lehrperson schrieb mir beispielsweise: «In meiner Klasse zeigen Kinder auch Kreativität bei offenen Aufträgen. Das freut mich sehr. Ich bin sehr stolz auf meine Schülerinnen und Schüler, dass sie grossmehrheitlich so gut arbeiten und sich auch selbstständig melden, das ist für eine 4. Klasse wirklich klasse.» Es ist hier wohl auch die richtige Gelegenheit, allen ein grosses Bravo auszusprechen. Es gibt Eltern, die reklamieren schnell, wenn es um ihr Kind geht … ist vielleicht bei einigen Eltern auch eine Art von Selbsterkenntnis gewachsen? In der jetzigen Situation sind alle Beteiligten Lernende. Solidarität, Geduld, Kooperation und Flexibilität sind stark gefragte Eigenschaften. Oft äussern sich die Eltern dankbar über die Arbeit der Lehrpersonen. Viele Lehrpersonen äussern sich dahingehend, dass ihre Arbeit in der jetzigen Situation wohl mehr geschätzt wird als vor der Corona-Krise. Es ist ja grundsätzlich nicht schlecht, wenn Eltern sich um das Wohlergehen ihres Kindes rund um die Schule kümmern. Das ermöglicht eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Elternhaus. Schwierig wird es ja meistens dann, wenn Eltern die Schule für viele Schwierigkeiten, schwache Leistungen oder Versagen ihrer Kinder (allein)- verantwortlich machen. Eine Lehrperson schrieb dazu: «Ich glaube, in diesen Fällen könnte es heilsam sein, wenn Eltern zu Hause feststellen, dass ihr Kind tatsächlich sehr wenig eigene Motivation zum Lernen hat, sehr unkonzentriert ist und eine tiefe Frustrationstoleranz ausweist.» Haben ausländische Kinder andere Probleme als Schweizer Kinder? Kinder mit Migrationshintergrund sind so verschieden wie Schweizer Kinder. Allerdings ist es bei Kindern mit Migrationshintergrund häufiger so, dass die Eltern nicht oder weniger unterstützen können. Manchmal liegt es an der Sprachbarriere oder auch an Rollenbildern, die verhindern, dass diese Kinder Unterstützung vonseiten der Eltern erhalten. Es gibt aber durchaus auch Schweizer Eltern, die bildungsfern sind und davon ausgehen, dass Lernen einfach so passiert. Wie viel vom ordentlichen Schulstoff kann vermittelt werden? Das ist eine schwierige und heikle Frage. Unter den gegebenen Umständen ist schlicht nicht zu erwarten, dass im Fernunterricht die Bildung und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in der gleichen Quantität und Qualität voranzubringen ist, wie in der normalen Alltagssituation. Die vorgegebenen Ziele sind nur beschränkt erreichbar. Ich kann die Aussagen von Silvia Steiner, der Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz, in diesem Sinne vollumfänglich bestätigen. Sie zieht bezüglich Homeschooling aktuell eine durchzogene Bilanz. Für die älteren Schulkinder sei der Fernunterricht weniger ein Problem, für die jüngeren Kinder sei es schwieriger, weil der soziale Austausch wegfalle. Ist Homeschooling ein Zukunftsmodell?

Auf der Volksschulstufe ist es dies auf keinen Fall. Das soziale Lernen fehlt fast komplett. Lernen passiert im Alltag vor allem durch Beziehungen und diese sind im Fernunterricht nur schwer aufzubauen oder zu erhalten. Es ist im Zuge der Digitalisierung vorgesehen, dieses Unterrichtsmodell vermehrt einzubeziehen. Es wird aber niemals den üblichen Präsenzunterricht ersetzen können. Im Moment ist es ganz einfach ein Mittel der Stunde, dem Corona-Virus geschuldet. Es ist auch eine grosse Chance, für die Zukunft herauszufinden, wie viel Digitalisierung sinnvoll ist. Das Wichtigste im Unterricht ist und bleibt der persönliche Kontakt zum Kind.

Das Interview mit LSZ-Präsident Konrad Schuler aus Unteriberg wurde schriftlich geführt.

Konrad Schuler, Präsident der Lehrerinnen und Lehrer Schwyz.

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