Veröffentlicht am

Der Zeitpunkt als entscheidendes Kriterium

VICTOR KÄLIN

Im Juni 2016, also vor bald vier Jahren, reichte SVP-Nationalrat Albert Rösti eine parlamentarische Initiative ein (welche später in eine Motion umgewandelt wurde). Der Titel seines damaligen Vorstosses lautete «Ausbau der Wasserkraft. Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung ».

Nicht der ursprüngliche Zustand, sondern der Ist-Zustand

Darin forderte der Berner Politiker eine Korrektur der gesetzlichen Bestimmungen für Neukonzessionierungen oder Änderungen von Wasserkraftkonzessionen. Hauptstossrichtung war der Zeitpunkt: Bei den erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen soll nicht vom ursprünglichen Zustand vor Bestehen des Kraftwerks ausgegangen werden, sondern vom Ist-Zustand vor der beabsichtigten Neukonzessionierung.

Für Rösti ist umstritten, von welchem Ausgangs- beziehungsweise Referenzzustand bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie bei der Festlegung des Umfangs an Ersatzmassnahmen für Eingriffe in schutzwürdige Lebensräume auszugehen ist. Gemäss eigener Einschätzung würden die Gesetzesbestimmungen «diese Fragen offen lassen». Eine konkrete Vorgabe fand er erst in einem Handbuch des Bundesamtes für Umwelt (Bafu): «Bei einer Konzessionserneuerung ist der Ausgangszustand derjenige Zustand, der bestehen würde, wenn die frühere Konzession nie erteilt und die Anlage nie gebaut worden wäre.» «Einschneidende Konsequenzen»

Gemäss Rösti habe diese Praxis «einschneidende Konsequenzen für die Wasserkraftnutzung». Die Tatsache, dass im Rahmen von Konzessionserneuerungen und wesentlichen Konzessionsänderungen nicht nur für neue Eingriffe in schutzwürdige Lebensräume angemessener Ersatz geleistet werden muss, sondern zusätzlich auch für frühere Eingriffe (bei der Erstellung der ersten Anlage), hätte erhebliche Kostenfolgen und würde die Stromproduktion aus Wasserkraft massiv verteuern.

Hinzu kommt, dass der ursprüngliche Zustand vor dem Bau der bestehenden Kraftwerksanlagen, der in den meisten Fällen mehrere Jahrzehnte zurückliegt, kaum ermittelt werden kann, was somit zwangsläufig zu Auslegungsstreitigkeiten und langwierigen Verfahren führt.

Um die vom Bundesrat beabsichtigte Steigerung der Stromproduktion aus Wasserkraft nicht unnötig zu bremsen, ist es für Rösti «angemessen und sachgerecht, bei Umweltverträglichkeitsprüfungen in Zukunft vom bestehenden Ist-Zustand auszugehen ».

Bundesrat muss ein Gesetz ausarbeiten

In seiner Stellungnahme ging der Bundesrat im Vorjahr davon aus, «dass Konzessionserneuerungsverfahren, bei denen die Gesuchseinreichung bei Inkrafttreten der neuen Gesetzesbestimmung bereits stattgefunden hat, von der neuen Regelung nicht betroffen sind». Der Ständerat und auch der Nationalrat (nach wiederholter Abstimmung und per Stichentscheid der Ratsvorsitzenden!) stimmten der Motion Rösti im Dezember 2019 zu. Die Referendumsfrist ist am 9. April 2020 unbenutzt verstrichen. Der Bundesrat muss nun eine Gesetzesvorlage ausarbeiten. Wann diese vorliegt, genehmigt wird und in Kraft tritt, ist unbestimmt.

Share
LATEST NEWS