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Im Gebet mit der Welt verbunden

Im Gebet mit der Welt verbunden Im Gebet mit der Welt verbunden

Telefongespräch mit Schwester Annemarie Holdener, Priorin im Kloster Au

Schwester Annemarie Holdener, Priorin, sagte spontan für ein Gespräch zu – es ist ihr ein Anliegen, zu vermitteln, dass es den Schwestern in der Au in der momentanen Krise gut geht, und dass die Klostergemeinschaft mit allen Menschen im Gebet verbunden ist.

SUSANN BOSSHARD-KÄLIN

Schwester Annemarie, hat sich das Leben seit dem Lockdown des Bundesrates am 16. März 2020 bei Ihnen im Kloster verändert?

Der Alltag in unserer Gemeinschaft ist beinahe gleich geblieben. Allerdings empfangen wir keinerlei Besuche mehr im Kloster und leider mussten wir auch unsere Kirche für die Öffentlichkeit schliessen. Die Pforte ist allerdings geöffnet, doch halten wir die vorgeschriebene Distanz ein.

Klosterpforte und Telefonzentrale sind von 8.30 bis 10.45, von 13.30 bis 15.45 und von 17 bis 17.50 Uhr offen. Wir spüren, dass beide Angebote einem Bedürfnis entsprechen. Es gehen mehr Telefonanrufe ein als sonst; besonders zahlreich sind die Gebetsanliegen, die uns anvertraut werden. Vor der geschlossenen Kirchentüre steht ein Körbchen mit der Beschriftung «Wir zünden für Sie ein Opfer-Kerzli an. Pro Stück zwei Franken – Danke!» Vom Angebot wird rege Gebrauch gemacht.

Wie geht es der Gemeinschaft?

Wir sind Gott dankbar, dass es uns, trotz der schwierigen Situation, gut geht. Zurzeit leben neun Benediktinerinnen und eine Schwester von einer anderen Ordensgemeinschaft im Kloster Au. Fast alle gehören der Risikogruppe an. Es gilt also Disziplin und Vorsicht einzuhalten. Distanz wird grossgeschrieben. Jede Schwester hat eine eigene Zelle und auch einen eigenen Arbeitsraum. Wir können uns über Radio, Zeitung und übers Internet informieren, was in der Welt draussen geschieht. Und wir versuchen, uns fit zu halten. Der grosse Klausurgarten gibt uns die Möglichkeit, frische Luft und die Natur zu geniessen. Der Kreuzweg entlang der Klostermauer lädt zur Betrachtung.

Jede Schwester kann sich in dieser Zeit des Zurückgezogen- Seins nun auch mehr Zeit nehmen fürs Gebet, für die geistliche Lesung – die Lectio Divina. Wir haben eine umfangreiche Bibliothek; trotzdem dürfen sich die Schwestern zusätzlich ein aktuelles Buch wünschen, beispielsweise von Pater Martin Werlen, Kardinal Carlo Martini oder anderen Autorinnen oder Autoren. Weil wir einander helfen und uns gegenseitig unterstützen, schaffen wir den Alltag gut. Gemeinschaft ist ein Geschenk – wir sind ein Stück weit privilegiert, das wissen wir und sind dankbar dafür. Umso mehr denken wir besonders an die Menschen, die an Covid-19 erkrankten; es gibt ja auch Ordensgemeinschaften, die betroffen sind.

Wie erleben Sie die doch aussergewöhnliche Stille?

Die Stille ist im Kloster gegeben. Aber ich empfinde sie in der Krise intensiver. Jede von uns ist aufgefordert, noch mehr in sich, in die eigene Stille zu gehen, und unsere Berufung der Gottsuche zu leben. Wir wollen nicht aufgeben! Und natürlich ist es wichtig, dass wir uns als Gemeinschaft auch austauschen, miteinander Freuden und Sorgen teilen.

Benötigen Sie Unterstützung von aussen?

Wir haben das Glück, dass auch in der aktuellen Krise ein Pater aus dem Kloster Einsiedeln, der nicht zur Risikogruppe gehört, in die Au kommt und mit uns Eucharistie feiert. Es ist uns ein Anliegen, all die vielen Menschen, die jetzt diese Möglichkeit nicht haben, in unsere Eucharistiefeiern und in unser Gebet fürbittend hineinzunehmen. Die rund 40 Anbeter und Anbeterinnen, die regelmässig Anbetungsstunden bei uns übernehmen, dürfen natürlich auch nicht mehr kommen. Es ist ihnen überlassen, das Gebet zu Hause zu verrichten. Den Küchendienst besorgt eine Mitschwester, da die angestellte Köchin zurzeit nicht kommen darf. Eine Angestellte kommt als Einzige weiterhin regelmässig zu uns. Nebst den üblichen Arbeiten besorgt sie in dieser Ausnahmezeit den Einkauf und allfällige Zusatzdienste. Einen besonderen Service bietet uns eine Einsiedler Bäckerei, die werktags am frühen Morgen zwei frische Pfünder vor unsere Pforte legt; so haben wir Schwestern täglich frisches Brot schon zum Frühstück. Und ein Hotel im Dorf bringt uns jeden Sonntag das Mittagessen für die

ganze Gemeinschaft.

Wie feiern Sie und Ihre Gemeinschaft Karwoche und Ostern?

Wir feiern die Gottesdienste gleich wie jedes Jahr, aber leider nur unter uns. Pater Martin wird mit uns die Osterliturgien feiern, was uns sehr freut. Und wir entzünden sicher auch ein Osterfeuer im Innengarten, wie immer.

Haben Sie einen persönlichen Osterwunsch?

Der deutsche Widerstandskämpfer Alfred Delp hat während des Zweiten Weltkriegs in seiner Todeszelle folgendes Zitat geschrieben: «Die Welt ist Gottes so voll.» Ich wünsche mir, dass diese Wirklichkeit für alle Menschen erfahrbar wird. Mögen wir mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren den Weg gehen … Schritt für Schritt … wie die Emmaus-Jünger mit Jesus. Und ich wünsche mir für alle, besonders auch für die Menschen in der Region Einsiedeln, dass sie gesund bleiben und zu Hause frohe Ostern feiern dürfen. Im Gebet und in der Osterfreude sind wir mit der Welt verbunden.

Schwester Annemarie Holdener, Priorin, aus Einsiedeln, früher Heimerzieherin, seit 2003 Benediktinerin im Kloster Au; seit 2017 deren Vorsteherin

Gemeinschaft ist ein Geschenk – wir sind ein Stück weit privilegiert, das wissen wir und sind dankbar dafür. Die Stille ist im Kloster gegeben. Aber ich empfinde sie in der Krise intensiver.

Der Alltag der Schwestern im Frauenkloster Au sei beinahe gleich geblieben – nur Besuch darf nicht mehr empfangen werden und die Kirche ist für die Öffentlichkeit geschlossen. Fotos: Lukas Schumacher

Schwester Annemarie Holdener, Priorin im Kloster Au, ist dankbar, dass es der Gemeinschaft trotz der schwierigen Situation gut geht.

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